Und er läuft und läuft und...

Feuerwehrmann aus Schweicheln-Bermbeck restauriert ein altes Feuerwehrauto der Bfw

DSC_0347Gerd Plümers ist seit mehr als 40 Jahren Feuerwehrmann beim Löschzug Schweicheln-Bermbeck. Und er hat ein außergewöhnliches Hobby: Plümers sammelt und restauriert historische Traktoren und Feuerwehrautos. Prunkstück seines Fuhrparks ist ein altes Tanklöschfahrzeug 16 (TLF 16). Der Magirus Rundhauber stand einst im Saarland in Diensten der Bahnfeuerwehr - einer Einrichtung die zwischenzeitlich ebenfalls zur Geschichte gehört. Für die Deutsche Bahn AG, so Kritiker, waren die betriebseigenen Brandschützer einfach zu einem überflüssigen Unkostenfaktor geworden. So wurden die Bahnfeuerwehren bereits vor einigen Jahren kurzerhand "abgewickelt".

Magirus-Deutz F Mercur 125 A, so lautet die genaue Typbezeichnung, die Plümers sein Feuerwehroldie trägt. Das "A" steht dabei für Allradantrieb. Im Jahr 1962 wurde das Fahrzeug von Magirus-Deutz im Werk Ulm (Donau) gebaut. Damals war der Hersteller von Lastwagen, Bussen und Feuerwehrfahrzeugen noch ein blühendes Tochterunternehmen der  Klöckner-Humbodt-Deutz AG (Köln). Von solch einem imposanten Feuerwehrauto hatte Plümers immer geträumt. In den 1950er und 1960er Jahren war die gesamte Magirus-Fahrzeugpalette nach Planeten benannt. Die in den Hinterachsen vieler Magirus-Deutz LKW verbauten Planetengetriebe hatten hierfür wohl den Anstoß geliefert. Besonders angetan ist Plümers von der formschönen Motorhaube des Mercurs. Deren kugelige Form gibt dem TLF sein unverkennbares Aussehen. Im Jahr 2010 wurde der Traum des Schweichelners schließlich Realität. Der Vorbesitzer hatte das Fahrzeug im Internet zum Verkauf angeboten. Der Mann aus dem Kreis Rotenburg Wümme gehörte zu einer "Schraubergemeinschaft", die das TLF eigentlich selber restaurieren wollte. Doch deren Bestand an alten, restaurierungsbedürftigen LKW war einfach zu groß geworden. Als dann noch einige Mitglieder ihren Dienst quittierten, entschloss sich der  Vorbesitzer "schweren Herzens" den Magirus-Deutz abzustoßen. Damals sei der Wagen in einer Scheune in Dipshorn untergestellt gewesen, erinnert sich Plümers an die erste Besichtigung. Der  Ingenieur im Ruhestand erkannte schnell, welch außergewöhnliches „Schätzchen“ er hier vor sich hatte. „Das war ein echter Glücksgriff!“ Ein Magirus-Rundhauber sei als Tanklöschfahrzeug mit Allradantrieb nur sehr schwer zu bekommen. In den sechziger Jahren produzierte der Nutzfahrzeughersteller gleichzeitig Fahrerkabinen mit eckigen Motorhauben. Der Grund hierfür war die größere Verwindungsfähigkeit der Eckhauber. Im Gegensatz dazu bereitete die so genannte Alligatorhaube der Rundhauberfahrzeuge manchmal Probleme. Sie war nur aus einem Blech gefertigt. Fahrten durch sehr unebenes Gelände konnten deshalb zu Beschädigungen am Auto führen. „Als Baustellenfahrzeuge wurden Magirus-Rundhauber mit Allradantrieb wohl deshalb nie ausgeliefert“, weiß Plümers. Sie seien später ausschließlich für die Feuerwehr und die damalige Deutsche Bundespost weiter produziert worden.

"Er läuft und läuft...", dieser einstige Werbespruch für den VW-Käfer trifft zweifellos auch auf die luftgekühlten Dieselmotoren von Klöckner-Humboldt-Deutz zu. "Die Maschine im Magirus Mercur leistet 125 PS", erläutert Plümers, der den Motor für unverwüstlich hält.  Dafür sei ihm das Verteilergetriebe gleich bei der ersten Fahrt durch den Kreis Herford sprichwörtlich um die Ohren geflogen. „Es ist geplatzt, weil auf ihm kein Tropfen Öl mehr war.“ Im Schritttempo ging es damals zurück nach Schweicheln-Bermbeck. Bei der Suche nach einem Ersatzgetriebe war der Verkäufer behilflich. Er wusste von einem ausgebrannten Feuerwehrfahrzeug im Raum Bremen. „Das noch gut erhaltene und mit Öl gefüllte Getriebe habe ich vor Ort ausgebaut und bei mir zu Hause wieder eingebaut.“ Das sei eine schweißtreibende Aktion gewesen, sagt Plümers. Die Ausrüstung des TLF konnte der Ingenieur inzwischen weiter komplettieren. Das Auto verfügt jetzt wieder  über einen Arbeitsscheinwerfer sowie die auf den seitlichen Trittbrettern untergebrachten Saugschläuche. Zeitgenössische Blaulichter und ein mit Druckluft betriebenes Martinshorn werden in Kürze installiert. „Eine inzwischen selten gewordene Steckleiter aus Holz bekam ich von der Kreisfeuerwehrzentrale in Hiddenhausen-Eilshausen.“ Sie wäre sonst entsorgt worden. Ursprünglich verfügte der Magirus Mercur über mechanische Winker, mit denen die Fahrtrichtung angezeigt wurde. Erst später wurde der Wagen mit Blinkern ausgerüstet und die Winker entfernt. „Die dadurch entstandenen Löcher wurden damals einfach mit Blechen zugeklebt“, erzählt Plümers. Nach Abschluss der Restaurierung werde der Magirus wieder mit den originalgetreuen Winkern unterwegs sein. „Ich habe die Bauteile bereits gekauft. Sie werden so teuer wie Goldstaub gehandelt!“  Allerdings dürften die Winker aus  zulassungstechnischen Gründen nicht ohne die aktuellen Blinker betrieben werden.

Der Magirus Mercur hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Am 21. Januar 1963 erfolgte die Erstzulassung auf die damalige Deutsche Bundesbahn, Bundesbahndirektion Saarbrücken (amtliches Kennzeichen: DB 51-746). Im Jahr 1991 wurde das Fahrzeug an die Freiwillige Feuerwehr Sulzbach im Saarland abgegeben. Hier war das TLF noch bis Mitte 2004 im Einsatz, bevor der Wagen in Sammlerhände ging.  „Es besteht noch immer großer Restaurierungsbedarf“, schildert Plümers den Stand der Dinge; denn die Feuerwehr Sulzbach habe das Auto seinerzeit entsprechend ihren Bedürfnissen umgebaut. Jetzt will der Schweichelner möglichst alles wieder in den Originalzustand zurückversetzen. Dazu gehört beispielsweise die Rekonstruktion der Dachaufbauten für die bahntypische Zusatzbeladung. So hatte das Auto ursprünglich zwei Erdungsstangen mit an Bord. Sie sind nötig, um  die Oberleitung mit dem Schienenstrang zu verbinden. Nur so ist nach einer Stromabschaltung eine vollständige Spannungsentladung garantiert. Erst dann ist die Feuerwehr - etwa beim Einsatz von Löschwasser - vor Stromschlägen sicher. Irgendwann, da ist sich Gerd Plümers sicher, wird sein TLF-Oldtimer mit neuem Lack in altem Glanz erstrahlen, so wie das Auto vor 50 Jahren an die Bahnfeuerwehr im Saarland ausgeliefert wurde.

Von Jens Vogelsang
Infos: Gerd Plümers (Hiddenhausen)
Fotos: Plümers (3), Vogelsang (4)

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In Sammlerkreisen begehrt: Der Magirus-Deutz Mercur als TLF 16 mit Allradantrieb.

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Unter der runden Motorhaube werkelt ein luftgekühlter Dieselmotor von Klöckner-Humboldt-Deutz,
der an seinem großen Lüfterrad gut zu erkennen ist.

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Das große Lenkrad verrät: Der Kraftfahrer braucht viel Kraft am Steuer.

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"Schätzchen" aus der Scheune: Das TLF 16 (noch mit ROW-Kennzeichen)
vor der Abholung in Dipshorn (Landkreis Rotenburg/Wümme).

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Die Auswechselung des Verteilergetriebes entwickelt sich zu einem echten   Kraftakt.

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Auf den Türen befinden sich noch die Wappen der Stadt Sulzbach (Saar).

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Originalgetreue Winker - sie gelten als Vorläufer des Blinkers - hat Gerd Plümers bereits besorgt.
Die Winker waren in Deutschland noch bis 1963 an fabrikneuen Fahrzeugen zugelassen. (Foto: © Malcolma)

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Besonderheit der Bfw-Fahrzeuge:
Sie hatten Erdungsstangen als Sonderausrüstung an Bord. (Foto: © Lord Koxinga)

Stichwort Magirus-Deutz

Magirus-Deutz war in den 1950er Jahren nach Mercedes-Benz zweitgrößter Hersteller von schweren LKW. Das Unternehmen produzierte außerdem Omnibusse und Feuerwehrfahrzeuge.

Die Geschichte geht bis in das Jahr 1864 zurück. Damals produzierte   Conrad Dietrich Magirus (1824 – 1895) in Ulm Feuerwehrgeräte. Magirus gilt  als Erfinder der fahrbaren Drehleiter. Im Jahr 1936 wurde die C.D. Magirus AG vom Motorenhersteller Huboldt-Deutz (Köln) übernommen. Der Geschäftsbereich Brandschutztechnik war auch nach der Fusion  weiterhin von großer Bedeutung. So wurden Feuerlöschpumpen, Drehleitern und Löschfahrzeuge produziert. In den 1950er Jahren setzte Magirus-Deutz die Impulse bei der Entwicklung des Tanklöschfahrzeugs 16 (TLF 16), das sich zum Verkaufsschlager entwickelte und in die ganze Welt exportiert wurde.

In den 1970er Jahren geriet Magirus-Deutz in eine schwere Krise. Der Absatz von Lastwagen war regelrecht eingebrochen. Ausländische Hersteller, wie Volvo, Scania, DAF und Fiat hatten die deutschen Hersteller immer weiter aus dem Markt verdrängt. Magirus-Deutz hatte außerdem zu lange auf luftgekühlte Dieselmotoren gesetzt. Sie waren zwar robust, aber auch lauter und durstiger, als die wassergekühlten Aggregate der Konkurrenz. Der Bau des neuen Werkes in Donautal (1971 – 1973) sowie die Entwicklung eines neuen Eckhaubers (3. Generation)  hatten den Klöckner-Huboldt-Deutz Konzern zusätzlich geschwächt.  1975 erfolgte schließlich der Zusammenschluss mit der von Fiat neu gegründeten Firma Iveco. Auch die Abteilung von Magirus-Deutz, die für Feuerwehrfahrzeuge und Brandschutztechnik zuständig war, wurde in den neuen Iveco-Konzern eingegliedert. Zuvor waren die Verhandlungen mit Daimler-Benz gescheitert.

Anfang August 2012 ist der letzte Lastwagen im Ulmer Iveco-Werk vom Band gelaufen. Die Fiat-Tochter produziert die schweren LKW jetzt in Spanien. 500 Arbeitsplätze mussten abgebaut werden. Die Entwicklungsabteilung bleibt allerdings weiterhin in der Donaustadt. Außerdem wird an den Standorten in Ulm, Weisweil und Görlitz weiterhin mit insgesamt 650 Mitarbeitern Brandschutztechnik produziert. Iveco plant in Ulm den Aufbau eines Kompetenzzentrums für Brandschutztechnik.

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Logo Das Magirus-Deutz Firmenlogo zeigt die Umrisse des Ulmer-Münsters
in Kombination mit einem „M“. (Foto: © C-C-Baxter)



Stichwort Bahnfeuerwehr (Bfw)

Über 140 Jahre hinweg waren Eisenbahner gleichzeitig als Freiwillige Feuerwehrleute im Einsatz. 1835 verkehrte die erste deutsche Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth. Und schon damals hatten die Verantwortlichen den Brandschutz im Blick. So lieferte der Heidelberger Maschinenfabrikant Carl Metz im Jahre 1845  „Stadt- und Hausspritzen“  an die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen. Die ersten Bfw trugen noch die Bezeichnung Bahnhofsfeuerwehren. 20 dieser Stationsfeuerwehren wurden im Großherzogtum Baden gegründet, nachdem die Generaldirektion der Badischen Staatseisenbahn  1877 eine entsprechende Anweisung erlassen hatte.

Im Jahr 1936 wurden die damaligen Reichsbahnfeuerwehren erstmals einheitlich mit fabrikneuen Löschgruppenfahrzeugen vom Typ Borgward Hansa Lloyd (Benzinantrieb mit 27 PS) ausgerüstet. Die ersten Fahrzeuge gingen nach Hannover, Oldenburg und Opladen (heute Leverkusen). Zwei Jahre später wurde bei der Bfw Paderborn ein Großes Löschgruppenfahrzeug 25 (GLG 25 später LF 25) in Dienst gestellt. Die Luftangriffe des 2. Weltkriegs stellten die Bahnwehren vor eine große Herausforderung. Erst jetzt gab es neues Großgerät, um die Schäden an der Bahninfrastruktur möglichst in Grenzen zu halten. Außerdem wurde die Reichsbahnfeuerwehrschule gegründet. Im „totalen Krieg“ kamen die Wehrleute auch außerhalb der Gleisanlagen zum Einsatz. Es gab erhebliche personelle und materielle Verluste.

In den Aufbaujahren wurden die Bfw zunächst mit serienmäßigen Löschgruppenfahrzeugen 8 (LF 8) vom Typ Opel-Blitz ausgestattet. Der erste Prototyp eines Tanklöschfahrzeugs (TLF 16), es handelte sich um einen Magirus-Deutz Rundhauber (Typ Mercur 125 A), ging  später an die Bfw München-Freimann. Für die Einsatzanforderungen der Bfw wurde ein spezielles Löschgruppenfahrzeug 16-Pulver (LF 16-P)  entwickelt. Weitere Spezialfahrzeuge in Diensten der Bahn waren das Hilfeleistungslöschfahrzeug 24 (HLF 24) und der Rüstwagen-Gefahrgut (RW-G), die ab 1989 in Dienst gestellt wurden, nachdem die Zahl der technischen Hilfeleistungseinsätze immer weiter gestiegen war.

Das Personal der Bfw bestand aus Eisenbahnern, die den Feuerwehrdienst freiwillig neben ihrem Hauptberuf versahen. Sie absolvierten zunächst ihre Feuerwehrgrundausbildung, so wie die Kameraden der öffentlichen Freiwilligen Feuerwehren. Später folgte die Ausbildung am Übungskesselwagen und Lehrhilfszug. Mächtig stolz waren die Eisenbahner auf ihre Gerätehäuser. Sie waren zum Teil mit viel Eigeninitiative entstanden.

Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurden der Brandschutz von Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn der DDR mit insgesamt 162 Fahrzeugen zusammengelegt.  Mit der Gründung der Deutschen Bahn AG am 1.01.1994 entschieden sich die Verantwortlichen jedoch gegen den Fortbestand der Bfw. Die Sicherheitsabteilung war wohl einfach ein Kostenfaktor, der eingespart werden konnte. So endete im Sommer 1998, nach rund 140 Jahren, die Geschichte der deutschen Bahnfeuerwehren. Die Bahn AG übergab den Brandschutz kurzerhand an die Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren. Sie erhielten flächendeckend einen Rüstsatz Bahn, bestehend aus Schienenrollwagen, Rettungsplattform und Schleifkorbtragen. Diese Rettungsgräte werden auch an der Kreisfeuerwehrzentrale Herford für einen evtl.  Bahnunfall vorgehalten. Außerdem schickt die Bahn AG im Notfall einen so genannten Bahnnotfallmanager zur Einsatzstelle.

Auf Europas größtem Rangierbahnhof in Maschen (Gemeinde Seevetal) sowie dem Rangierbahnhof Nürnberg sorgt dagegen die Werkfeuerwehr-Bahn  für Sicherheit. Erst nach massiven Protesten der Freiwilligen Feuerwehr Seevetal und der Berufsfeuerwehr Nürnberg hatte die Bahn AG an diesen Standorten hauptamtliche Kräfte eingestellt. Weiterhin gibt es in Hannover, Kassel und im Signalwerk Wuppertal aufgrund von Ausnahmegenehmigungen weiterhin Betriebsfeuerwehren.

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Am größten Rangierbahnhof Europas in Maschen bei Hamburg
sorgt die Werkfeuerwehr-Bahn für Sicherheit. (Foto: © Feuerwehr Seevetal)

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Die Bfw gehören zur Geschichte. Heute kommt der Bahnnotfallmanager mit einem
"Unfallhilfsfahrzeug" zur Einsatzstelle, um die öffentlichen Feuerwehren zu unterstützen.