Wenn die Flammenzungen tanzen...

Feuerwehrleute aus dem Kreis Herford in Rauchdurchzündungsanlage Osnabrück geschult

2013-06-29  13-24-32 4514Acht Wehrleute aus dem Kreis Herford, drei aus Bünde und fünf aus Enger, haben am Wochenende (29.06.2013) ein außergewöhnliches Training absolviert. Sie wurden in der Rauchdurchzündungsanlage in Osnabrück - kurz RDA genannt - geschult und waren damit die ersten Aktiven aus der Heimat, die dieses Angebot nutzen durften. Der Container steht auf dem Gelände des THW Ortsverbandes in Osnabrück. Er wird hauptsächlich für die Ausbildung der Feuerwehrleute aus dem gesamten Landkreis Osnabrück sowie die Angehörigen der Berufsfeuerwehr eingesetzt.

Wohl in wenigen Bereichen der Feuerwehr hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren so viel verändert, wie in der Atemschutzausbildung. Das fängt bei der persönlichen Schutzausrüstung für die Brandbekämpfung an, geht über die Strahlrohrführung und das richtige Verhalten im Innenangriff weiter und führt bis hin zum Atemschutznotfall. In all diesen Bereichen hat es Neuerungen gegeben, die beim Kreisfeuerwehrverband Herford rechtzeitig erkannt und die zwischenzeitlich im Rahmen einer verbesserten Kreisausbildung umgesetzt worden sind. So wurde bereits vor einiger Zeit die Grundausbildung der Atemschutzgeräteträger (AGT Modul I) verlängert. Jetzt steht ein weiteres Wochenende zur Verfügung, das für ein ausgiebiges Praxistraining im "Flash-Over Container" Paderborn genutzt wird. Hier gewinnen alle angehenden Atemschutzgeräteträger  wichtige Erkenntnisse, um beim späteren Realeinsatz unter Atemschutz den größtmöglichen Löscherfolg mit dem Holstrahlrohr zu erzielen und dabei vor allem unverletzt zu bleiben. Das Modul II baut auf diesem Wissen auf und trainiert die Taktik der ausgebildeten Atemschutzgeräteträger für die Brandbekämpfung und Menschenrettung im Brandraum. Dieser Ausbildungsabschnitt findet im Kreis Lippe statt. Auf dem Gelände des Feuerwehrausbildungszentrums in Lemgo befindet sich ein so genanntes Brandhaus. In dieser Brandsimulationsanlage, die mit Gas befeuert wird, können Einsatzszenarien, wie beispielsweise ein Küchenbrand, realistisch nachgestellt werden. Das Brandhaus ist mit "Stahlmöbeln" ausgestattet. Sensoren entscheiden über die richtige Löschtechnik und den Löscherfolg. Nun gibt es eine weitere Ausbildungsstufe. Sie richtet sich an erfahrene Wehrleute, die bereits vor fünf oder mehr Jahren für den Atemschutzeinsatz ausgebildet wurden.

Und genau dieses Modul III absolvieren die acht Wehrleute aus Bünde und Enger am Samstag. Danny Rottmann, Atemschutzausbilder an der Kreisfeuerwehrzentrale, ist bei der Premiere in Osnabrück ebenfalls mit dabei. Die Niedersachsen verfügen über einen mit Feststoffen befeuerten Container, mit dem man Durchzündungen - so genannte "Roll-Over" - erzeugen kann. Zum Training ist auch eine Einheit der Ortsfeuerwehr Neustadt gekommen. Drei erfahrene Ausbilder der "RDA" führen durch das Tagesprogramm. Bevor es richtig losgeht, müssen noch einige Dinge vorbereitet werden, vor allem die Sicherheitsaspekte gilt es zu besprechen. Schließlich wollen alle Wehrmänner das anstehende „Höllenszenario“ heile überstehen. Holzpaletten bildeten die Grundlage für das Feuer, das vorne im Container zu lodern beginnt. Eine Angriffsleitung über B-Schläuche, Verteiler und C-Hohlstrahlrohr wird aufgebaut. Langsam wird es ernst! Die 18 Teilnehmer überprüfen ihre Atemschutzgeräte. Ist die Gesichtsmaske dicht, sind alle Gurte festgezogen, sitzt die Flammschutzhaube? "In großer Runde" geht es in den Container, wo zunächst die Wärmegewöhnung ansteht.

Über die Konstruktion des Containers werden Luft- und damit Sauerstoffzufuhr und die Ansammlung der Pyrolysegase, einem explosiven Gemisch aus Methan und Wasserstoff, gesteuert. Dann passiert es: Nachdem sich genügend brennbare Gase gesammelt haben, entsteht durch Öffnen der Tür zum Brandraum ein "Roll-Over". Die Flammen breiten sich über die ganze Containerdecke aus, springen mitunter mit samt dem Rauch aus dem Behältnis. Flammenzungen "tanzen" nur wenige Zentimeter über den Köpfen der Feuerwehrleute. Sie bleiben gelassen und beobachten die Rauch- und Flammenphänomene; denn gerade im Brandrauch können erfahrene Feuerwehrleute vieles "lesen". Da es im Container unterschiedliche Hitzezonen gibt, rotieren die Teilnehmer in Richtung "Feuerfront", wo enorme Temperaturen herrschen. Zur Sicherheit sind in dem außergewöhnlichen Container mehrere Fluchttüren eingebaut, die allerdings nicht gebraucht werden. "Schüler" und Ausbilder sind anschließend gleichermaßen fasziniert. Sie tauschen ihr Wissen untereinander aus. Wo liegen die Grenzen der persönlichen Schutzausrüstung? Wie können Unfälle oder Verletzungen vermieden werden?  

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Der Container: im Hintergrund wird ein Stützfeuer entfacht. Die AGTs sitzen auf dem Boden.
Mit der Platte im Container, oben an der Decke, kann man die Rauchschicht der Pyrolysegase steuern bzw. diese ansammeln.

Nach einer Pause, bei der ausreichend Flüssigkeit aufgenommen wird, geht es in den zweiten Abschnitt. Die dynamische Strahlrohrführung, das Impulslöschverfahren und die Öffnung einer Tür zum Brandraum werden besprochen.

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Ausbildungseinheit am Strahlrohr

Anschließend geht es truppweise in die Stahlbox, um das Kühlen einer heißen Rauchschicht mittels Hohlstrahlrohr zu trainieren. Dabei wird innerhalb des Trupps gewechselt, sodass jeder die Aufgabe des Truppmanns oder Truppführers zu übernehmen hat. Weiter vorne im Container - Richtung Feuer - wartet bereits der zweite Ausbilder. Hier können die Wehrmänner noch einmal hautnah die Phänomene beobachten, die beim Abkühlen des Rauchs durch die nachrückenden Feuerwehrkräfte entstehen.

Zum Abschluss wird gemeinsam aufgeräumt. Nach einem Abschlussgespräch geht es zurück in die Heimat.

Jens Meyer
(Text und Fotos)

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"Handcooling": ohne die ganze PSA abzulegen kann man hier im Wasser seine Körpertemperatur senken. Handschuhe aus,
Hände ins Wasser und durch Ballen einer Faust bzw. Entspannen das Blut zur Kühlung durch die Hände und den Körper pumpen.

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Ausbildung zum Thema: Wie öffnet man am besten eine Tür zu einem Brandraum

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Seitenkriechgang am Hohlstrahlrohr

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Rauchgaskühlung mit Hohlstrahlrohr im Container

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"Roll-Over", die Pyrolysegase haben sich entzündet, die Flamme geht über die Atemschutzgeräteträger
und schlägt sogar aus dem Container

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Impulslöschwasserstöße mit dem Hohlstrahlrohr, um den Brandrauch zu kühlen

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Teilnehmer am AGT Modul III, RDA Osnabrück. Aus Bünde: Stephen Mawdsley, Jörg Neubauer, Matthias Darnnauer.
Aus Enger: Lars Bockermann, Hendrik Bäunker, Heiko Janßen, Jens Meyer, Jens Vinke.
Rechts im Bild: Kreisausbilder Danny Rottmann aus Spenge.

 

Stichworte: Roll-Over, Flashover, Backdraft

Eine Rauchgasdurchzündung (engl. roll-over) ist das plötzliche Durchzünden und Abbrennen von Pyrolysegasen, einer Mischung aus Methan, Wasserstoff und verschiedenen Kohlenwasserstoffen. Ein Flashover bezeichnet hingegen den Übergang vom Entstehungsbrand zum Vollbrand. Dabei hat sich der Raum durch die Strahlungswärme der Rauchgasschicht so weit aufgeheizt und mit Pyrolysegasen gefüllt, dass alle brennbaren Oberflächen schlagartig in Flammen stehen. Von der Rauchdurchzündung zu unterscheiden ist die Rauchgasexplosion, auch Backdraft genannt, bei der dem Rauchgas zunächst weiterer Sauerstoff zugeführt werden muss. Es kommt dann zum explosionsartigen Entzünden der Rauchgase.

-Mey-