Supertanker von der Donau an die Weser geholt

Neues TLF 4000 SL für die Feuerwehr Vlotho

DSC 0012Vlotho/Ulm (BW). Für die Feuerwehr Vlotho ist bereits einige Tage vor Weihnachten ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Am Donnerstagabend (12.12.2013) rollte ihr neuer „Supertanker“ mit Blaulicht und Martinshorn auf das Gelände des Feuerwehrgerätehauses Am Bullerbach. Das neue „Tanklöschfahrzeug 4000 Sonderlöschmittel“ ist genau genommen ein Vorführwagen, der von den Magirus-Experten an der Donau exakt auf die Belange der Wehrleute am Weserbogen zugeschnitten wurde. 300.000 Euro hat die Stadt Vlotho für das neue Auto mit dem extragroßen Wassertank  aufgewendet.  Nach Ansicht von Bürgermeister Bernd Stute und Wehrführer Torsten Sievering ist dies eine sinnvolle und notwendige Investition in den Brandschutz gewesen. Der neue „Tanker“ ersetzt einen fast 25 Jahre alten Wagen ähnlichen Typs.

Rückblick: Am Dienstag macht sich eine fünfköpfige Feuerwehrabordnung des Löschzugs Vlotho unter Leitung von Dirk Rethmeier in der Frühe auf den Weg nach Ulm in Baden-Württemberg. Nach rund fünf Stunden haben die Männer 550 Autobahnkilometer hinter sich gelassen und gelangen quasi mit dem letzten Tropfen Diesel auf das Magirus-Werksgelände im Donautal. Zunächst einmal wird die Gruppe von Torsten Wandel, der für den Vertrieb im Absatzgebiet Nord zuständig ist, in Empfang genommen. Während eines Rundgangs durch die Hauptproduktionshalle - sie misst eine Länge von rund 600 Meter - bekommen die Wehrleute aus der Weserstadt einen guten Eindruck von den Arbeitsabläufen in der „Fahrzeugschmiede“.  Auf den vier Fertigungsstraßen verwandeln sich die Serienfahrgestelle in unzähligen Arbeitsschritten – vieles wird in Handarbeit erledigt - zu hochwertigen Feuerwehrautos. Das neue Tanklöschfahrzeug 4000 Sonderlöschmittel (TLF 4000 SL)  der Vlothoer Wehr hat all diese Schritte, vom Zuschnitt der Profile für den Aluminiumaufbau, über die „Hochzeit“ mit dem MAN-Fahrgestell, bis zur Feinjustierung im Finishbereich, in den letzten Monaten durchlaufen. Jetzt steht der Wagen in der großen Auslieferungshalle am Kundenzentrum, das sich noch im Bau befindet. Dirk Rethmeier und seine Männer sind auf Anhieb begeistert, als sie den Achtzehntonner das erste Mal in Augenschein nehmen. Der Aufbau mit seinen insgesamt neun Gerätefächern, die großzügige Fernfahrerkabine und das Allradfahrgestell mit dem 340 PS-Motor (Typ MAN TGM 18340)  beeindrucken. Während der Abnahme des Autos werden die Einbauten und die Beladung des Boliden über mehr als drei Stunden Punkt für Punkt abgehakt. „So eine Fahrzeugabholung kann schon ganz schön stressig sein“, meint Andre Rehm, der vom Löschzug mit dabei ist.  Als die Gruppe an diesem Abend ihr Hotel in der Ulmer Innenstadt erreicht, ist es bereits dunkel.  

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Die Vlothoer Wehrleute verschaffen sich einen ersten Überblick.

Das Vlothoer TLF 4000 ist ein typisches Beispiel dafür, wie das einstige Vorgängermodell, das Tanklöschfahrzeug 24/50 (TLF 24/50), vom reinen „Wasserträger“ zu einem flexibel einsetzbaren Feuerwehrauto weiter entwickelt wurde. Den Ingenieuren gelang es dabei, mehr Platz zu schaffen, um eine umfangreichere feuerwehrtechnische Beladung mitzuführen.   Herzstück des TLF 4000 bleibt allerdings der große Löschmitteltank. Der Achtzehntonner der Vlothoer Wehr fasst 5.000 Liter Wasser, darin integriert ist ein Behälter mit 500 Liter Fassungsvermögen (Tank B), während sich ein weiterer 200-Liter-Tank (A) längs zum Heck  anschließt.  So können Schaummittel unterschiedlichen Typs, beispielsweise Mehrbereichs- und so genanntes Class-A-Schaummittel mitgeführt werden.  Für das richtige Mischungsverhältnis, wie auch den jeweils 30 Sekunden dauernden Spülvorgang zur Reinigung des Systems,  sorgt die Magirus  Caddisys-Anlage auf elektronischem Wege. Bis zu 30 Liter Schaummittel pro Minute können dem Löschwasser beigemengt werden. Das Caddisys-System übernimmt mit der gleichen Leistung auch das Befüllen der Schaumtanks (A und B).  Über B-Abgänge, die sich an jeder Fahrzeugseite befinden, die Schnellangriffseinrichtung und den Dachmonitor kann das Schaum-Wassergemisch bzw. der fertige Löschschaum abgegeben werden. Das Vlothoer Fahrzeug verfügt zusätzlich über die erforderlichen Anschlüsse und „Beipassleitungen“, um Schaummittel (völlig unabhängig von der Caddisys-Anlage) aus einem externen Gebinde anzusaugen oder aber direkt an einen externen Zumischer abzugeben. Sowohl die Pumpe (Feuerlöschkreiselpumpe Magirus FPN 10-2000 (max. Druck: 17 bar)), als auch die Schaumzumischanlage, werden über die zentrale Magirus Bedieneinheit HMI (Human Machine Interface)  gesteuert. Ist die Handbremse in der Fahrerkabine angezogen und steht der Schalthebel des automatisierten Schaltgetriebes auf neutraler Stellung, können über einen Zentralschalter an der HMI-Steuereinheit Fahrzeugmotor und Pumpe gestartet werden. Per Drehknopf sind von dort aus Motordrehzahl und Wasserdruck verstellbar. Ist die Caddisys-Anlage in Betrieb, ermittelt der Computer anhand von Durchflussmenge und gewählter Zumischrate ständig, wie lange das mitgeführte Schaummittel noch ausreicht und zeigt alle Informationen auf dem HMI-Display an. Ähnliche zentrale Steuereinheiten, denen das gleiche Bedienprinzip nur mit unterschiedlichen Funktionen zugrunde liegt, befinden sich im Fahrerhaus und am Dachmonitor. Vom Fahrerplatz aus lassen sich so über das HMI die gesamte Sondersignalanlage, die LED-Umfeldbeleuchtung, sie schaltet sich übrigens als Rangierhilfe automatisch ein, sobald der Rückwärts- oder Rangiermodus am Schalthebel gewählt wird,  die Heckblitzanlage und weitere Funktionen steuern und überwachen. Die Bilder der Rückfahrkamera werden ebenfalls auf den Bildschirm des HMI geliefert und zwar in Farbe. Das Vlothoer TLF 4000 verfügt außerdem über einen so genannten „Pump and Roll Modus“, der die Abgabe von Löschwasser über den Dachmonitor und die Bodensprühdüsen an der Fahrzeugfront während der Fahrt möglich macht. Der Lichtmast am Heck ist in drei Stufen pneumatisch auf rund sechs Meter ausfahrbar. Er verfügt über vier Xenonscheinwerfer.

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Das neue TLF 4000 SL steht auf dem Magirus-Werksgelände abfahrbereit.

Das Konzept für die Geräteräume, die allesamt mit LED-Beleuchtung versehen sind, wirkt ebenfalls durchdacht. Die Vlothoer Wehrführung hat hier ganz offensichtlich im vor hinein mit den Experten der Magirus-Group gut zusammengearbeitet. Im Geräteraum 1 sind ein wassergetriebener Lüfter und eine Kettensäge verlastet. Direkt daneben, am Geräteraum 3, kann sich der Angriffstrupp ausrüsten. Dort werden zwei Atemschutzgeräte auf einem ausklappbaren und absenkbaren Geräteträger bereitgehalten. Ein spezielles Brechwerkzeug (Halligan-Tool), drei Schlauchtragekörbe mit D und C-Schläuchen, das Fognail-System sowie moderne Adalitlampen (LED-Handlampen) sind in greifbarer Nähe untergebracht. In den Geräteräumen 7 und 8 befinden sich die Wasserführenden Armaturen. Es werden unter anderem vier Verteiler, davon je ein Schnellangriffsverteiler auf jeder Fahrzeugseite, zwei Hydroschilder sowie ein B-Hohlstrahlrohr mit Stützkrümmer und eine Mittelschaumpistole mitgeführt. Im Geräteraum 8 befinden sich zudem die 50-Meter-Schnellangriffshaspel, die mit einem Elektromotor betrieben wird, und  das Hygienebord mit Wasserhahn, Desinfektionsmittel, Handtuchspender, Stiefelwaschbürste und Druckluftpistole. Im Geräteraum 4 sind allerlei Kleinlöschgeräte zu finden. Im Einzelnen werden Feuerlöscher mit ABC-Pulver und speziellem Löschpulver für Metallbrände, Kohlendioxid- und Flüssiglöscher sowie HighPress-Löscher und Kübelspritze vorgehalten. Außerdem gibt es einen weiteren 50-Kilo-Pulverlöscher, der sich auf einem Rollgestell befindet, und in Kombination mit dem ebenfalls vorhandenen Schornsteinfeger-Werkzeugsatz bei Schornsteinbränden zum Einsatz kommen könnte. Weiterhin sind im Geräteraum 2 Kombi- und Schwerschaumrohre, die entsprechenden Zumischer und ein Schaumwasserwerfer verlastet. Die hinteren Kotflügel können seitlich ausgeklappt werden und verwandeln sich so zu Trittstufen. Damit sind sämtliche Geräteräume über ebene Laufflächen zu erreichen.
Am Mittwochmorgen steht das Vlother TLF 4000 SL noch einmal im Finishbereich, dort wo die  Produktionslinien enden. Ein halbes Dutzend Techniker und Facharbeiter kümmern sich darum, dass die letzten Wünsche der Feuerwehrleute aus Ostwestfalen pünktlich erfüllt werden. Wenig später beginnt die praktische Einweisung am Pumpenprüfstand, wo das Auto mit einem 8000-Liter-Wasserbehälter verbunden wird. Pumpe, Schaumzumischanlage und Monitor werden ausgiebig getestet. Kurz vor der Heimfahrt am Donnerstag schaut ein Berufsfeuerwehrmann aus Hamburg am Vlothoer TLF vorbei. Er wirkt „nervös“. Ein solches Auto wäre auch in der Hansestadt gut einsetzbar, meint der „Kollege“.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)


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Auslieferungshalle am neuen Kundenzentrum

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Aufgrund seiner umfangreichen Beladung ist das TLF flexibel einsetzbar.

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Zur Beladung im GR 1 gehört ein wasserbetriebener Lüfter.

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Die Wasserführenden Armaturen sind im GR 7 zu finden.

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Holger Wetter zeigt das Hygienebord im GR 8, wo sich auch die Schnellangriffshaspel befindet.

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Letzte Arbeitsschritte: Stadtwappen und Schriftzug der Vlothoer Wehr werden angebracht.

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Über das HMI-Bedienelement im Fahrerhaus werden unter anderem die Sondersignalanlage und die Umfeldbeleuchtung gesteuert und überwacht.

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Die beiden Dachkästen bieten viel Platz für die Saugschläuche und das Zubehör für den Dachmonitor.

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Der ausfahrbare Schaum-Wasserwerfer mit HMI-Bedieneinheit wird über zwei Kurbelräder in die richtige Position gebracht.
Links sind der Anschluss zur Schaumzumischanlage und der Anschluss zum Ansaugen von externem Schaummittel zu sehen,
während im Hintergrund die Sondersignalanlage mit zwei Xenon-Arbeitsscheinwerfern zu erkennen sind.

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Unter der Frontstoßstange sind vier Paar Bodensprühdüsen angebracht. Im Bedarfsfall können zu beiden
Seiten D-Leitungen angeschlossen werden, um Brandnester abzulöschen.

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Andre Rehm (l) und Torsten Wandel überprüfen den Schaumwasserwerfer.

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Ein fahrbarer 50 kg Pulverlöscher steht im GR 4 bereit. Er könnte in Kombination mit dem …

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… Schornsteinfegerwerkzeug im GR 2 zum Einsatz kommen.

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Die Bedienung des pneumatischen Xenon-Lichtmastes am Heck wird getestet.

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Der Pumpenprüfstand im Magiruswerk bietet alle Möglichkeiten für die …

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… praktische Einweisung in die neue Technik.

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HMI-Bedieneinheit am Pumpenstand: Über die gelbe Taste (rechts) wurde die Schaumzumischanlage aktiviert.
Im Tank B sind jetzt noch 450 Liter Schaummittel. Der Computer berechnet ständig, wie lange der Schaummittelvorrat noch ausreicht.

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Blick auf das Magirus-Werksgelände  im Donautal: Das Unternehmen ist durch seine Drehleitern,
die Arbeitshöhen bis zu 60 Meter erreichen, weltweit bekannt geworden.

Stichwort: Ulm

Ulm ist eine Universitätsstadt in Baden-Württemberg mit rund 120.000 Einwohnern. Sie liegt an der Donau, an der Grenze zum Freistaat Bayern. Die Stadt ist für ihr gotisches Münster bekannt; dessen Kirchturm gilt mit fast 162 Meter als höchster der Welt. Über viele Jahre hinweg prägte die Silhouette des Ulmer Münsters die Kühlerhauben der Lastwagen aus dem Hause Magirus. Ein Abriss der fast 150-jährigen Magirus-Firmengeschichte ist in den alten Fabrikhallen des Unternehmens  in der Innenstadt zu sehen. Der Oldtimerclub Magirus Iveco e.V. – er zählt rund 240 Mitglieder – hat hier zahlreiche Exponate zusammengetragen. 70 Fahrzeuge, vom historischen LKW mit Vollgummireifen aus den Zwanzigern über die Rund- und Eckhauber der legendären „D-Familie“ zum ausrangierten Flugfeldlöschfahrzeug, gibt es zu sehen. Allerdings sind die Platzverhältnisse an der Magirusstraße sehr beengt. Es gibt daher bereits Überlegungen, die Sammlung in einer adäquaten Halle am heutigen  Standort des Unternehmens im Donautal unterzubringen.

-Vo-

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Der Turm des Ulmer Münsters ist der höchste der Welt.

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Historisches Großtanklöschfahrzeug und Kranwagen 15 des Oldtimerclubs Magirus Iveco e.V.