Retten aus Höhen und Tiefen in "methanhaltiger Atmosphäre"

Übung der Feuerwehren Herford und Hiddenhausen auf Klärwerksgelände

DSC 0756Herford/Hiddenhausen. Feuerwehreinheiten aus Herford und Hiddenhausen sind am Freitagabend zu einem „Gas-Alarm“ auf das Gelände der Kläranlage an der Goebenstraße ausgerückt. Alles nur eine Übung, wie sich wenig später herausstellte. Die Rettung von Menschen aus Höhen und Tiefen stand im Mittelpunkt des anspruchsvollen Szenarios. Die beiden stellvertretenden Wehrführer Michael Heise (Herford) und Nicholas Jost (Hiddenhausen) lobten am Ende die gute Zusammenarbeit ihrer Leute. „Eine solche Übung schweißt zusammen!“, hieß es.

Gegen 19 Uhr schrillen bei den Löschgruppen Herford-Schwarzenmoor und Herford-Elverdissen sowie beim benachbarten Löschzug Hiddenhausen Schweicheln-Bermbeck die Alarmmelder. Auf dem Gelände des Herforder Klärwerks soll es zu einem Unglück mit Verletzten gekommen sein. Binnen Minuten sind die Wehrleute mit 40 Mann und zahlreichen Einsatzfahrzeugen vor Ort. Erste Informationen gibt es vom Leiter des städtischen Klärwerks, Gerhard Altemeier und seinem Stellvertreter Thomas Besler. „Auf einem 25 Meter hohen Faul-Turm sind zwei Techniker bewusstlos zusammengebrochen!“, berichten die Beiden. Altemeier warnt die Feuerwehr, so wie im Ablauf des fiktiven Szenarios vorgesehen, vor austretendem Methan. Das brennbare und explosive Gas ströme vermutlich aus einem Sicherheitsventil am Gasdohm. Die Feuerwehrleute handeln umgehend. Timo Heitbrink und Philip Rethage von der Löschgruppe Schwarzenmoor machen sich bereit. Unter Atemschutz geht es für den Angriffstrupp über das Treppenhaus steil nach oben. Auf der Turmspitze finden die Feuerwehrmänner die beiden „bewusstlosen Techniker“. Es handelt sich um Statisten der Jugendfeuerwehr, die nun zunächst einmal versorgt werden müssen. Im Korb des Teleskopgelenkmastes der Hauptamtlichen Wache Herford werden Hendrik (14) und Nico (17) schließlich schnell und sicher zurück Richtung Erdboden befördert.

Noch immer ist die Lage völlig unklar. Durch einen Überdruck im System soll eine Gasleitung geborsten sein. „Das Methan brennt jetzt“, sagen Marc Fischer und Thomas Graf, die im Hauptberuf bei den Abwasserbetrieben arbeiten und gleichzeitig in der Freiwilligen Feuerwehr tätig sind. Sie haben das „Höllenszenario“ ausgearbeitet. Für die Brandbekämpfung bringen die Wehrleute einen speziellen Schaum-Wasserwerfer-Anhänger in Stellung. „Der hat einen Durchfluss von bis zu 2.000 Litern pro Minute und schafft eine Wurfweite von 60 Metern“, erläutert Einsatzleiter Nicholas Jost. Das Gerät stehe ansonsten auf dem 3H-Lacke-Gelände in Hiddenhausen für den Notfall bereit. Feuerwehrleute der Löschgruppe Herford-Elverdissen kümmern sich derweil um die Wasserversorgung. Von der nahen Werre aus werden zwei Schlauchleitungen auf das weitläufige Gelände der Kläranlage verlegt. Zwei tragbare Pumpen saugen das Wasser aus dem Fluss und versorgen die Einsatzstelle mit ausreichend Löschwasser. Doch damit nicht genug. In einem weiteren Einsatzabschnitt müssen zwei „verletzte Arbeiter“, in Wirklichkeit handelt es sich um Jungfeuerwehrmann Dustin (15) und eine 85 Kilogramm schwere Übungspuppe, aus dem fünf Meter tiefen Kontrollschacht am Gasspeicher gerettet werden. Den Einsatzkräften aus Schweicheln-Bermbeck gelingt es schließlich, die Statisten mit Hilfe einer Bockleiter nach oben zu ziehen. Nach gut zwei Stunden ist die Übung beendet.

Für eine solch „dramatische Lage“ seien nicht genug Leute vor Ort gewesen, sodass kleinere Fehler passiert seien, wurde während der Abschlussbesprechung kritisiert. Nicholas Jost: „Bei einem Realeinsatz wäre deshalb wesentlich umfangreicher alarmiert worden!“ Anerkennende Worte für ihre alltägliche Arbeit gab es von Gerhard Altemeier zu hören: „Sie machen einen tollen Job!“.
Die Methangasgefahr ist bei der Klärschlammverarbeitung keinesfalls zu vernachlässigen. Rund 4.000 Kubikmeter des Stoffes, der als Hauptbestandteil des Erdgases gilt, fallen bei den Abwasserbetrieben Herford täglich an. „Der Schlamm fault dazu ohne Sauerstoff rund drei Wochen bei 32 Grad in den beiden Türmen“, beschrieb der Klärwerkschef den Prozess. Für ihn sei wichtig, dass das Gas verwertet werde. Auf dem Gelände an der Goebenstraße wird damit ein 500kW-Blockheizkraftwerk betrieben. Rund 40 Prozent ihres Eigenbedarfs an Strom kann die Herforder Abwasser GmbH auf diese Weise selber erzeugen. Die Gasfackel zum Abflammen des wertvollen Brennstoffes springt daher nur sehr selten an.

Jährlich werden rund 10 Millionen Kubikmeter Abwasser aus Herford und Teilen Hiddenhausens in dem Zentralklärwerk gereinigt, das im Jahr 2000 in Betrieb genommen wurde. Etwa 120 Liter Trinkwasser verbraucht jeder Bundesbürger pro Tag. „Clou der Anlage sind die Filter mit ihren etwa 160 Milliarden Styropor-Kügelchen“, erläuterte Altemeier das platzsparende System. „Auf den pfiffigen, etwa drei Millimeter großen Kügelchen siedeln sich Bakterien an, die das Wasser reinigen.“ Diese Klärwerkstechnik, die aus Frankreich stamme, gebe es nur einmal in Deutschland und weltweit an 80 Standorten.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

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Nach dem „Austritt von Methangas brennt es“ auf dem Gelände der Kläranlage Herford

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(v.l.) Nico u. Hendrik werden im Korb des Teleskopgelenkmastes (TLK 23/12) von Sven Flagmeyer sicher nach unten befördert.

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Der Angriffstrupp aus Schwarzenmoor schließt auf dem Dach des Faul-Turm einen Gasschieber.

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Am Gasspeicher (Fassungsvermögen 2.000 Kubikmeter) liegt ein „verletzter Techniker“ in einem Kontrollschacht.

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Einsatzkräfte aus Schweicheln-Bermbeck haben eine Bockleiter vorgenommen. …

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… Der „Bewusstlose“ wird aus dem Schacht nach oben gezogen und …

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...versorgt.

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Jungfeuerwehrleute als Statisten: (v.l.) Dustin, Nico u. Hendrik

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Der Schlauchwagen (SW 2000) aus Herford steht am Ufer der Werre.

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Eine weitere Pumpe wird mit vereinten Kräften aus Herford und Hiddenhausen in Stellung gebracht, …

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… bevor das Löschwasser aus dem Fluss gesaugt werden kann.

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Nach der Menschenrettung folgt die Brandbekämpfung. Der Schaum-Wasserwerfer-Anhänger muss zunächst in Position gebracht werden.

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Anschließend beginnt ein massiver Löschangriff.

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(v.l.) Abschnittsleiter Karsten Buschmann u. Einsatzleiter Nicholas Jost erläutern die Lage.

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Bei strömendem Regen sind etwa 40 Feuerwehrleute aus Herford u. Hiddenhausen im Übungseinsatz.

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Gerhard Altemeier, Chef des Klärwerks, erläutert die Besonderheiten der Herforder
Anlage während einer Führung.