Neue Technik für mehr Aufmerksamkeit im Straßenverkehr

Martinshorn-Warngerät, "Yelp-Ton" und "Flasher"

Streifenwagen-MIK-NRWKarlsruhe/Düsseldorf/Kreis Herford. Ist die Musik gut, wird das Autoradio schnell ein bisschen lauter gedreht und dadurch das Einsatzhorn eines heraneilenden Rettungswagens genauso schnell überhört. Eine solche Situation haben sicherlich viele Autofahrer schon einmal erlebt. Findige Studenten aus Karlsruhe haben dieses Problem jetzt gelöst. Sie entwickelten ein „Martinshorn-Warnsystem“. Währenddessen hat die Polizei in NRW ihre Streifenwagen mit „Yelp-Ton“ und „Flasher“ aufgerüstet, um für mehr Aufmerksamkeit im Einsatzfall zu sorgen.

Auf dem Weg zum Einsatzort sind Sanitäter, Feuerwehrleute und Polizisten einem erhöhten Unfallrisiko ausgesetzt. Experten des Deutschen Verkehrssicherheitsrates haben ermittelt: Eine Fahrt unter Sondersignal, also mit Blaulicht und Einsatzhorn, beinhalte ein 17-fach höheres Unfallrisiko für den Fahrer. Alle 19 Sekunden könne es zu einer kritischen Fahrsituation kommen. Abgelenkte Autofahrer hatten in der Vergangenheit immer wieder schwere Unfälle verursacht, an denen Einsatzfahrzeuge beteiligt waren.
Die drei Studenten aus Karlsruhe, die als studentische Hilfskräfte am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) in Karlsruhe tätig sind, präsentierten jetzt mit ihrem „Martinshorn-Warnsystem“ eine auf den ersten Blick recht simple Lösung. Und die funktioniert so: Mikrofone nehmen während der Fahrt den Umgebungslärm auf. Der Bordcomputer filtert aus dieser Mixtur der unterschiedlichsten Geräusche die Frequenzen des Einsatzhorns heraus; denn was das menschliche Ohr als „Tatütata“ wahrnimmt, ist eigentlich der Effekt von Luftschwingungen. Erkennt die Software diese Töne bzw. Schwingungen, stellt das System automatisch das Radio leiser. Zusätzlich blinkt eine kleine Leuchtdiode am Armaturenbrett, um den Fahrer zu warnen. Die dafür nötige Elektronik haben die jungen Wissenschaftler aus Baden-Württemberg im Internet bestellt. Die Bauteile sollen nicht einmal 50 Euro gekostet haben. In Zukunft könnten auch die bereits vorhandenen Sensoren der Einparkhilfe Verwendung finden, um die Schallwellen aufzunehmen. Dieter Willersinn, der das Projekt der Studenten betreut, wunderte sich in einem SWR-Interview: „Dass da noch niemand vorher drauf gekommen ist!“.
In Deutschland ist einzig das Folgetonhorn als Sondersignal zugelassen. Es erzeugt nacheinander mehrere Signaltöne verschiedener Grundfrequenzen. Die Norm sieht den Frequenzbereich von 362 bis 483 Hertz auf dem Land und 410 bis 547 Hertz in der Stadt vor. Und genau auf diese „Folge verschieden hoher Töne“ ist das „Martinshorn-Warngerät“ der Karlsruher Studenten programmiert. Auch die Schallwellen französischer Einsatzfahrzeuge soll das System erkennen können. Der Name „Martinshorn“ stammt Übrigens von der Deutschen Signal Instrumentenfabrik Max B. Martin aus Philippsburg. Bereits im Jahr 1932 entwickelte Martin ein Folgetonhorn, das schließlich als „Sondersignal für bevorrechtigte Wegebenutzung“ gesetzlich vorgeschrieben wurde. Das „echte“ Martinshorn aus Philippsburg erkennt man an den durchdringenden, trompetenartigen Tönen, die mit Pressluft erzeugt werden.
Die Studenten versprechen sich von Ihrer Entwicklung, dass die Einsatzkräfte schneller und sicherer zum Einsatzort kommen. Die Automobilindustrie hat bereits Interesse an der Erfindung bekundet.
Für mehr Sicherheit im Polizeidienst soll dagegen der neue Signalton „Yelp“ (zu Deutsch „jaulen“) sorgen. Das schrille Signal nach US-Vorbild wird von der Polizei seit Mitte vergangenen Jahres eingesetzt, um vorausfahrende Verkehrsteilnehmer im Rahmen einer Kontrolle anzuhalten. Neu ist außerdem der sogenannte „Flasher“, ein rotes Blitzlicht auf dem Polizeifahrzeug, das bei solchen Einsätzen ebenfalls helfen soll, Autofahrer aufmerksam zu machen. „Gefährliche Überholmanöver mit dem Streifenwagen können so bei Fahrzeugkontrollen vermieden werden“, meinte Innenminister Ralf Jäger.
Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg hatte alle rund 2.300 Streifenwagen in Nordrhein-Westfalen umgerüstet. Die Leuchtschrift „Stopp Polizei“ war von den Verkehrsteilnehmern in der Vergangenheit häufig nicht bemerkt worden. Jetzt schaltet die Polizei das rote Blitzlicht, den „Flasher“ zu, um vorausfahrende Autofahrer deutlicher als bisher auf sich aufmerksam machen. Reagiert der Fahrer nicht, kommt zusätzlich der schrille Signalton „Yelp“ zum Einsatz.
Blaulicht und Martinshorn werden durch die neuen Signale nicht abgeschafft, sondern bleiben weiterhin im Einsatz. Sie fordern wie eh und je alle Verkehrsteilnehmer auf, sofort freie Bahn zu schaffen. Rotes Blitzlicht und „Jaulton“ signalisieren hingegen eine Verkehrskontrolle und das Anhalten an geeigneter Stelle. Damit es nicht zu Verwechselungen kommt, setzten die Polizeibeamten „Flasher“ und „Yelp“ nicht zusammen mit Blaulicht und Martinshorn ein. (SWR, Ots)

-Vo-

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Studenten haben ein System entwickelt, das die Martinshorn-Schallwellen „einfängt“
und das Autoradio automatisch auf leise stellt. (Foto: J. Vogelsang)

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Für mehr Sicherheit wurden in NRW alle 2.300 Streifenwagen auf „Yelp“ u. „Flasher“ umgerüstet. (Foto: © MIK NRW)