"Hightech-Werkstatt" auf vier Rädern

Feuerwehr Vlotho erhält neuen Rüstwagen

DSC00878 RWVlotho. Die Feuerwehr Vlotho kann künftig bei schweren Verkehrsunfällen und größeren Umweltschutzeinsätzen noch wirksamere Hilfe leisten. Am Freitagabend (27.11.2015) übergab Bürgermeister Rocco Wilken die Schlüssel für den neuen Rüstwagen an die Wehr. Das Auto gleicht einer rollenden Werkstatt: Vom Dichtungssatz, über den Bohr- und Meißel-Hammer bis zum Plasma-Schneidgerät ist alles vorhanden. Der Magirus-Aufbau des 15-Tonners wirkt dabei so aufgeräumt und gut strukturiert, wie der Operationssaal in einem Krankenhaus. Rund 300.000 Euro hat die Stadt Vlotho dafür investiert.

Tanklöschfahrzeug, Drehleiter und Rüstwagen, das waren noch vor einigen Jahren die Standardfahrzeuge bei der Feuerwehr. Mittlerweile haben die Hilfeleistungslöschfahrzeuge, deren Beladung sowohl für den Löscheinsatz als auch für die Technische Hilfe ausgelegt ist, vielerorts Einzug gehalten. In Vlotho bleibe der Rüstwagen allerdings ein wichtiger Baustein im Sicherheitskonzept, wie Wehrführer Torsten Sievering erläuterte. „Seine Notwendigkeit ergibt sich aus dem Brandschutzbedarfsplan!“ Sievering sprach in diesem Zusammenhang von der besonderen Topografie der Weserstadt sowie über die Einsätze auf der Autobahn 2 und der „Bundeswasserstraße“ Weser. Der neue Rüstwagen ist gleichzeitig Zugfahrzeug für das Mehrzweckboot der Feuerwehr Vlotho. Er verfügt auf dem Dach zusätzlich über ein kleines Boot aus Aluminium.
Die Feuerwehr Vlotho setzt bei ihrem neuesten Einsatzfahrzeug auf die Kombination MAN/Magirus. Die Basis bildet das Allradfahrgestell von MAN - ausgelegt für ein zulässiges Gesamtgewicht von 15 Tonnen. Der Dieselmotor mit 290 PS und das automatisierte Schaltgetriebe (MAN Tipmatic), das mit einer eigenen Stufe für besonders eilige Feuerwehreinsätze ausgelegt ist, garantieren einen schnellen Vortrieb. Der Wagen verfügt über ABS, ESP und dank Single-Bereifung über besonders gute Fahreigenschaften im Gelände.

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(v.l.) Vlothos Bürgermeister Rocco Wilken übergibt die Schlüssel für den neuen Rüstwagen
an Wehrführer Torsten Sievering und Löschzugführer Dirk Rethmeier. Die Investition sei ein richtiger
und zukunftsweisender Schritt, wie stellv. KBM Bernd Kröger meint.

Der Aufbau wurde von Magirus in Ulm/Donau im bewährten Alufire-System gefertigt. Das Grundgerüst besteht dabei aus Alu-Trägerbändern, was eine hohe Flexibilität garantiert. Die Aluminiumprofile und extrem stabilen Panelböden wurden darin ganz individuell eingefügt. Für den Rüstwagen aus Vlotho sind auf diese Weise neun, ganz unterschiedlich gestaltete Geräteräume entstanden. „Herzstück“ der Beladung bildet der fest eingebaute Generator mit einer Leistung von 30 kVA (Geräteraum 6). Der Antrieb erfolgt geräuscharm und schadstoffreduziert über den Fahrgestell-Nebenantrieb, die Bedienung und Überwachung über eine digitale Schalttafel. Im Geräteraum 3, der begehbar ist, befindet sich ein weiterer 15 kVA-Stromerzeuger (Typ Endress Ese 1308). Das tragbare Gerät ist mit einem Zweizylinder-Viertakt-Motor von Briggs und Stratton mit 19 PS ausgestattet. Weiterhin sind auf der Sekundärebene dieses Geräteraums Trennschleifer (Typ Stihl TS 700 mit Zweitakt-Verbrennungsmotor), Rettungssäge (Typ Weber Twinsaw mit Zweitakt-Verbrennungsmotor), Säbelsäge, Winkelschleifer sowie Bohr- und Meißel-Hammer untergebracht. Ein Leitungsroller mit 40 Metern Kabel für die mobile Kraftstromverteilung (Typ Elspro) ist hier ebenfalls zu finden. Der gegenüberliegende Geräteraum 4 ist ähnlich gestaltet und dank ausschwenkbarer Gerätefächer ebenfalls begehbar. Hier ist das gesamte Equipment an hydraulischen Rettungsgeräten, neben Spreizer und Schere sind Hydraulikzylinder in drei verschiedenen Größen (300 mm, 500 mm und 700 mm Kolbenhub) sowie Pedalschneider vorhanden, untergebracht. Um auf schwere LKW-Unfälle vorbereitet zu sein, wurden mit dem Spreizer SP 510 und der Schere S 511 von Lukas Werkzeuge beschafft, die besonders hohe Kräfte entwickeln können. Pneumatische Hebekissen (Typ Vetter) in unterschiedlichen Größen und ein 93 Kilogramm schwerer Mehrzweckzug, er schafft etwa 3,2 Tonnen im einfachen Zug, sind darüber hinaus vorhanden. Außerdem verfügt der neue Rüstwagen über eine fest eingebaute, hydraulische Seilwinde (Typ Rotzler TR 30). Mit der Trommelwinde wird standardmäßig von vorne gezogen. Mit wenigen Handgriffen kann das Gerät auf Heckbetrieb umgerüstet werden. Über eine Rolle, die unter dem Auto vorinstalliert ist, kann dann eine Zugkraftverdoppelung von fünf auf zehn Tonnen erreicht werden.
Ein weiterer Schwerpunkt wurde auf die Ausrüstung für den Umweltschutz gelegt. Rohrdichtkissen in unterschiedlichen Durchmessern, eine manuelle und eine elektrische Umfüllpumpe für flüssige Gefahrstoffe gehören ebenso zur Beladung, wie die verschiedensten Dichtungsmaterialien. Auf einem drehbaren Geräteschlitten (Geräteraum 5) kann sich die Truppbesatzung des Rüstwagens im Notfall mit Atemschutzgeräten ausrüsten. Zwei ABC-Pulverlöscher (6 kg) und ein Schaumlöscher (9 l) sind ebenso an dieser Stelle untergebracht. Direkt daneben ist der Plasmaschneider (Typ Jäckle Plasma 65) zu finden. Das Gerät erzeugt mittels Lichtbogen ein elektrisch leitfähiges Gas (Plasma). Es entstehen sehr hohe Temperaturen, sodass Stahl und andere Metalle mühelos zerschnitten werden können. Das Be- und Entlüftungsgerät von Auer (Geräteraum 7) wurde vom Vorgängerfahrzeug übernommen und von den Ehrenamtlichen in Eigenleistung überarbeitet. Es eignet sich auch zur Herstellung von Leichtschaum, wie er von der Feuerwehr bei Kellerbränden eingesetzt wird.
Zum Sicherheitspaket des Rüstwagens gehören eine Umfeld- und Geräteraumbeleuchtung in LED-Technik, zwei Arbeitsscheinwerfer auf dem Dach der Fahrerkabine und ein Lichtmast mit sechs LED-Scheinwerfern. Weiterhin ist ein Beleuchtungsballon (Typ Powermoon) vorhanden, der auf den Lichtmast aufgesteckt werden kann und bei Nachteinsätzen für tageslichtähnliche Verhältnisse sorgt.
Vertreter aus Rat und Verwaltung sowie Abordnungen des THW und DRK hatten sich am Freitagabend neben einigen Feuerwehrleuten im Gerätehaus des Löschzugs Vlotho Am Bullerbach eingefunden, um bei der offiziellen Übergabe der rollenden „Hightech-Werkstatt“ mit dabei zu sein. Vlothos neuer Bürgermeister Rocco Wilken stellte fest, dass im Stadtrat über viele Investitionen heiß diskutiert werde. Gehe es um die Feuerwehr, dann sei man sich allerdings immer schnell einig. Wilken versprach, dass auch in Zukunft alles getan werde, um die Einsatzbereitschaft der Wehr sicherzustellen. Er bedankte sich bei Wehrführer Torsten Sievering, dem es durch geschickte Preisverhandlungen mit dem Unternehmen Magirus gelungen sei, die Stadtkasse zu schonen. Für den neuen Rüstwagen wurden exakt 299.779 Euro ausgegeben. Knapp ein Drittel der Investitionssumme entfallen auf die Ausrüstung. Stellvertretender Kreisbrandmeister Bernd Kröger meinte, dass Rat und Verwaltung mit der Ersatzbeschaffung einen richtigen und zukunftsweisenden Schritt unternommen hätten. „Mit dem neuen Rüstwagen ist die Feuerwehr Vlotho den gestiegenen Anforderungen besser gewachsen“, sagte Kröger mit Blick auf den ständig ansteigenden Verkehr auf der Autobahn 2.
Ursprünglich war von Magirus geplant gewesen, das Auto im Sommer auf der Interschutz-Messe in Hannover auszustellen. Dazu kam es allerdings nicht, da sich die Fertigstellung verzögerte. Ansonsten hätte sich quasi die ganze Feuerwehrwelt in der Messestadt ansehen können, mit welch außergewöhnlichem Fahrzeug die Feuerwehr Vlotho ab sofort zu allen größeren Hilfeleistungseinsätzen ausrückt.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

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Das Einsatzfahrzeug für die Technische Hilfe basiert auf einem MAN-Fahrgestell.

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Der Aufbau wurde von Magirus in Ulm produziert. Die neun Geräteräume bieten Platz für eine komplette „Werkstatteinrichtung“.
Der pneumatische Lichtmast ist mit sechs LED-Scheinwerfern ausgerüstet. (Foto: Philipp Bergmann, FW Vlotho)

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Die Feuerwehrleute machen sich mit der umfangreichen Ausrüstung vertraut …

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… und stehen den Gästen Rede und Antwort.

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Geräteräume 1 und 3: Die Gefahrstoffumfüllpumpe (Typ Depa Elro) und der tragbare
Stromerzeuger (Typ Endress) sind ergonomisch günstig untergebracht.

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Die Werkzeuge im Primärbereich von Geräteraum 3 sind übersichtlich abgelegt und dadurch schnell zu finden.

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Leitungsroller für die mobile Kraftstromverteilung im Sekundärbereich von Geräteraum 3

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Im Geräteraum 4 sind die hydraulischen Rettungsgeräte untergebracht.

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Drei Hydraulikzylinder in unterschiedlichen Größen sowie ein Pedalschneider werden vorgehalten.

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(v.l.) Seven Detering und Bernhard Voss demonstrieren Spreizer und Schere. Es handelt sich um Geräte von Lukas,
die besonders hohe Kräfte entwickeln können und damit für schwerste Rettungseinsätze geeignet sind.

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Feuerlöscher und Plasmaschneider im Geräteraum 5

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André Rehm und seine Kameraden werden mit dem Gerät in den kommenden Wochen ausgiebig üben.

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Löschzugführer Dirk Rethmeier hält die Fernbedienung für den Lichtmast in den Händen.
Der fest eingebaute Generator mit einer Leistung von 30 kVA im Geräteraum 6 ist das „Herzstück“ des Rüstwagens.

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Das Be- und Entlüftungsgerät hat im Geräteraum 7 Platz gefunden.

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Thomas Menke zeigt eine Rettungsplattform, die bei LKW-Unfällen zum Einsatz kommt.
Sie ist gemeinsam mit dem Stabilisierungssystem vom Typ Weber Stab-Fast,
Schleifkorb- und Schaufeltrage im Geräteraum GR untergebracht.

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Eine Auftritt-Plattform erleichtert die Geräteentnahme.

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Bedien- und Überwachungseinheit HMI (Human Maschine Interface) in der Fahrerkabine

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20 Jahre Altersunterschied: Der neue Rüstwagen neben seinem ausgemusterten Vorgänger,
einem VW-MAN der sog. Gemeinschaftsreihe. Er wurde bereits an einen hessischen Abschleppunternehmer verkauft.

Hinweis: Redaktion: kfv-herford.de hatte den alten Rüstwagen 1 noch kurz zuvor als Foto des Monats 10/2015 vorgestellt.

(Foto: Philipp Bergmann, FW Vlotho)