Auf das Schlimmste vorbereitet sein

Löschzug Herford-Süd und Rettungsdienst trainieren gemeinsam

IMG 20160423 WA0008Herford. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr und des Rettungsdienstes haben keinen einfachen Job. Besonders nach schweren Verkehrsunfällen bekommen die Helfer schlimme Bilder zu Gesicht. Damit sie trotzdem professionell zusammenarbeiten und die Menschenrettung reibungslos funktioniert, ist ein gutes Training Grundvoraussetzung. Rettungskräfte aus Herford und Bünde führten zu diesem Zweck im Industriegebiet Diebrock eine gemeinsame Übung durch. Sie sahen sich am Samstag (23.04.2016) mit den Folgen eines regelrechten Horrorunfalls konfrontiert.

Jürgen Eickmeier, Leiter der Löschgruppe Diebrock, hatte das Szenario gemeinsam mit Stellvertreter Maik Balke vorbereitet. Zum Einsatzgebiet der Feuerwehrleute aus dem Herforder Süden gehören die Bundesstraßen 61 und 239, auf denen es in den vergangenen Jahren zu schweren Unfällen gekommen ist. Balke erinnerte sich an einen Frontalzusammenstoß, der sich im November 2013 auf der B 61 im Bereich Stedefreund ereignet hatte. Damals war ein Mann nach einer Verfolgungsjagt getötet und ein weiterer schwer verletzt worden. „Auf solche Situationen müssen wir jederzeit vorbereitet sein!“, meinte der Brandoberinspektor. Die Übung am Samstag führten die Diebrocker zusammen mit den Kameraden aus Elverdissen durch. Beide Einheiten bilden den Löschzug-Süd der Feuerwehr Herford. Weiterhin waren die beiden Notärzte Marco Kauling und Jörg Schneider sowie der Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) aus Bünde und Herford eingebunden.

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„Schwerer Verkehrsunfall“: Eine Limousine ist mit einem Kleinwagen „kollidiert“.
In einem der Fahrzeuge sind zwei Menschen „eingeklemmt“, … (Foto: DRK, OV Bünde)

„Die teilnehmenden Einsatzkräfte wussten von der Übung“, berichtete Balke. Die genaue Situation, die am Samstagvormittag auf der Zufahrtsstraße zum Hochregallager der Firma Wellteam vorbereitet worden war, sei ihnen aber nicht bekannt gewesen. Balke schilderte die Ausgangslage wie folgt: „Zwei Autos sind kollidiert. Ein Kleinwagen liegt auf der Seite und brennt. Die drei Insassen wurden aus dem Fahrzeug geschleudert. Sie hat es besonders schwer erwischt: Ein Mann ist unter dem Ford einklemmt, während die anderen beiden Personen eine mehrere Meter tiefe Straßenböschung hinuntergestürzt sind. Die andere Unfallfahrerin hat ihren Wagen gegen einen Baum gelenkt. Sie und ihr Mitfahrer sind in der Citroen-Limousine eingeklemmt.“ Das DRK Herford hatte sich um die realistische Unfalldarstellung gekümmert und geschminkte Statisten mit zum „Unfallort“ gebracht. Damit sei eine ManV-Lage geprobt worden, so Übungsleiter Balke. Die Abkürzung steht für Massenanfall an Verletzten.
In einem ersten Schritt erkundete Einsatzleiter Jürgen Eickmeier die Lage. Er leitete im Anschluss parallel die Menschenrettung und die Brandbekämpfung ein. Über Steckleiterteile erreichten die Feuerwehrleute die Verletzten am Fuße der Böschung. Sie setzten Schleifkorbtragen ein, mit denen sie die Personen nach oben zogen. Im zweiten Einsatzabschnitt arbeiteten die Ehrenamtlichen ebenfalls schulbuchmäßig. Sie sicherten den Citroen zunächst durch unterbauen mit Hölzern. Danach entfernten sie mit einer Glassäge die Frontscheibe, um dadurch eine Zugangsöffnung für die medizinische Erstversorgung der Verletzten zu schaffen. Die Anordnung der Zähne des Spezialgerätes sorgt dafür, dass nur beim Ziehen gesägt wird. Ein Großteil der Splitter und des Glasstaubs fällt dadurch nach außen. Während der Arbeiten setzten die Wehrleute eine Splitterschutzfolie und eine Schutzdecke ein, mit deren Hilfe sie die Patienten in dem Unfallwagen zusätzlich absicherten. Den Notärzten gelang es anschließend gemeinsam mit den Helfern des DRK, die beiden Verletzten zu stabilisieren. Im nächsten Schritt legten die Einsatzkräfte der Feuerwehr eine große Befreiungsöffnung an, um Fahrerin und Beifahrer patientenschonend zu retten. Sie entfernten dazu die komplette Beifahrerseite des Citroen von der A- bis zur C-Säule. Der Organisatorische Leiter Rettungsdienst (OrgL) unterstützte den Leitenden Notarzt (LNA), so wie im realen Einsatz, bei allen organisatorischen Aufgaben. Er beurteilte dabei zunächst die Schadenslage aus medizinischer Sicht und stellte dazu die Anzahl der Betroffenen und die Art und Schwere ihrer Verletzungen fest.
Maik Balke zog abschließend ein positives Fazit: „Feuerwehr und Rettungsdienst haben reibungslos zusammengearbeitet!“ Für die beiden Notärzte sei die „kleine ManV-Lage“ ebenfalls eine gute Gelegenheit gewesen, ihr Wissen praktisch umzusetzen und sich mit den Helfern des DRK auszutauschen. Insgesamt waren an diesem Samstagvormittag rund 40 Helfer im Übungseinsatz. (Infos: Maik Balke, FW Herford, Redaktion: kfv-herford.de)

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Stichwort: ManV und Rettungsdienst
Der Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten (ManV) bezeichnet eine Situation, bei der eine größere Anzahl an Betroffenen versorgt werden muss. Wo genau die Schwelle zwischen dem „Alltagsgeschäft“ des Regel-Rettungsdienstes und einer ManV-Lage liegt, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab. Kommt es im Kreis Herford zu einem Verkehrsunfall mit fünf Verletzten wird ManV-Alarm der Stufe 1 ausgelöst. Das Konzept sieht in einem solchen Fall vor, dass der Regel-Rettungsdienst mit zusätzlichen Einsatzkräften und Einsatzmitteln zur Patientenversorgung und zum Abtransport unterstützt wird. Einzige Führungskraft des Rettungsdienstes ist der Leitende Notarzt (LNA), dem oftmals ein Organisatorischer Leiter Rettungsdienst (OrgL) zur Seite steht. Kommt es zu größeren Schadenslagen (ManV-Stufen 2 und 3) stehen sogenannte Schnelleinsatzgruppen (SEG) zur Unterstützung bereit, die von den Hilfsorganisationen, wie dem DRK und den Johannitern, organisiert und getragen werden.

-Vo-

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… während das andere Auto brennt. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Keine leichte Aufgabe für Einsatzleiter Jürgen Eickmeier (LG Diebrock),
der nach einer ersten Lageerkundung seine Mannschaft einteilt. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Einsatzkräfte aus Elverdissen übernehmen die Brandbekämpfung mit … (Foto: DRK, OV Bünde)

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… der Schnellangriffseinrichtung des Hilfeleistungslöschfahrzeugs (HLF). (Foto: DRK, OV Bünde)

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Der leitende Notarzt stimmt sich mit dem Personal des Rettungsdienstes ab. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Die Einsatzkräfte der Feuerwehr stehen ebenfalls in ständigem Kontakt zu den Helfern des DRK aus Bünde. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Ein Patient ist in der Schleifkorbtrage gesichert. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Über Steckleiterteile wird er von … (Foto: DRK, OV Bünde)

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… den Helfern der Feuerwehr und des DRK nach oben gezogen. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Die Wehrleute entfernen die Frontscheibe, um eine Zugangsöffnung zu erhalten. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Auf diese Weise können die Fahrerin und ihr Beifahrer optimal versorgt werden. (Foto: DRK, OV Bünde)

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Die Wehrleute legen eine große Befreiungsöffnung an, um die beiden Verletzten zu retten. (Foto: DRK, OV Bünde)