„Sam“ ist ein besonderes Pferd, das geduldig alle Übungen über sich ergehen lässt!

Seminar „Sicherheitstraining Großtierrettung“ an der Kreisfeuerwehrzentrale

DSC 0218Kreis Herford. Die verängstigte Katze in der Baumkrone, der verirrte Hund im Kanalrohr oder der verletzte Schwan im Klärbecken: Tierrettungen stellen die Feuerwehr oftmals vor besondere Herausforderungen. Ist ein großer und schwerer Vierbeiner betroffen, gilt das umso mehr. Der Kreisfeuerwehrverband hatte aus diesem Grund am vergangenen Samstag (5.05.2018) zu einem „Sicherheitstraining Großtierrettung“ auf das Gelände der Kreisfeuerwehrzentrale in Hiddenhausen-Eilshausen eingeladen. Als Dozent konnte Lutz Hauch, ehemaliger Berufsfeuerwehrmann, Pferdetrainer und Großtierretter mit Zertifikat, gewonnen werden. Er zeigte den 20 ehrenamtlichen Feuerwehrleuten welche Maßnahmen nötig sind, um verunglückte Pferde, Rinder, Lamas oder andere große Tiere so schonend wie möglich aus einer Notlage zu befreien ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen.

Helfer zerren mit aller Gewalt ein völlig geschwächtes Pferd an einer Leine aus einem Wassergraben. Quälend lange mühen sie sich, ungeschult und unzureichend ausgerüstet. Eine andere Rettungsaktion verläuft ähnlich haarsträubend: Der Rappe hängt, gefesselt an allen vier Beinen, kopfüber am Frontlader eines Traktors. Ein Landwirt, dessen Kuh sich in einer ähnlichen Situation befindet, benutzt gar seinen Schlepper, um das Tier aus dem Schlamm zu ziehen. Die Bilder, die Hauch zu Beginn des Seminars den Feuerwehrleuten per Videoclips präsentierte, stimmten nachdenklich. „Solch ein Vorgehen ist mit dem Tierschutz nicht vereinbar und führt in den Sozialen Netzwerken meistens zu einem Sturm der Entrüstung!“ Ein Pferd am Kopf, den Beinen oder dem Schweif zu ziehen, sei das Schlimmste, was man in einer solchen Situation machen könne. „Ziel sollte es sein, das Tier schonend, schmerzfrei, stressarm und effizient an einen sicheren Ort zu bringen!“ Der Pferdetrainer erläuterte den Feuerwehrleuten worauf es bei einer professionellen Großtierrettung ankommt. Wichtig sei, das Tier zu beruhigen und ein ruhiges Umfeld zu schaffen. Fressen helfe den Vierbeinern beim Stressabbau. Ebenso müsse an einen geeigneten Platz für die Freilassung gedacht und ein Tierarzt hinzugezogen werden. Auch ein sicherer Rückzugsweg für die Einsatzkräfte sei wichtig, meinte Hauch. Schließlich bleibe ein Pferd immer ein Fluchttier, das in Ausnahmesituationen selbst vom Halter schwer zu beherrschen sei. Zusätzliche Gefahren gingen von den Tierbesitzern und Tierfreunden am Einsatzort aus. Einer amerikanischen Studie zufolge würden 83 Prozent der Halter ihre Gesundheit oder gar ihr Leben riskieren, um ihrem Tier zu helfen. „Die gute Absicht kann schlimme Folgen haben!“

Hengst „Sam“ braucht weder Futter noch Trinkwasser

Nachdem die Grundlagen der Großtierrettung im ersten Teil des Seminars gelegt waren, folgte die Praxis. Hauch hatte dazu „Hengst Sam“ im Pferdeanhänger mit nach Hiddenhausen gebracht. Der braucht weder Futter noch Trinkwasser und trägt außerdem Sicherungsbolzen in den Gelenken. Der „Assistent“ des Großtierretters ist nämlich eine lebensgroße Pferdeattrappe aus Kunststoff, die über bewegliche Glieder verfügt und etwa 200 Kilogramm wiegt. Ein echtes Pferd bringt mit durchschnittlich 600 Kilogramm allerdings deutlich mehr Gewicht auf die Waage. Den Seminarteilnehmern stand für die kommenden Übungen auf jeden Fall ein besonders geduldiger „Statist“ zur Verfügung. „Etwa 90 Prozent der Großtiernotfälle führen mit Muskelkraft zum Erfolg, während nur in zehn Prozent der Fälle schweres Gerät erforderlich ist“, schilderte Hauch, der im Kreis Düren und der Städteregion Aachen als Großtierretter im Einsatz ist. Nachdem er die verschiedenen Werkzeuge erläutert hatte, machten sich die Feuerwehrleute an die Arbeit. Ihre Aufgabe bestand zunächst darin, dass auf der Seite liegende „Tier“ aus dem Gefahrenbereich zu schleppen. Jan Busse (Feuerwehr Kirchlengern) legte dem Pferdedummy zu Beginn der Rettungsaktion ein Notfallhalfter als Kopfsicherung an. Danach führte Mario Daume (Feuerwehr Hiddenhausen) von der Sattelseite aus einen Spezialgurt unter dem „Hengst“ hindurch. Er benutzte dazu eine Fädelstange aus besonders biegsamem Federstahl. Auf der gegenüberliegenden Seite nahmen Holger Klann (Feuerwehr Kirchlengern) und Rolf Kuhle (Feuerwehr Hiddenhausen) den Gurt mit Hirtenstäben aus sicherer Entfernung entgegen. Thorsten Biermann (Feuerwehr Spenge) schritt als Sicherheitsassistent sofort ein, sobald sich einer der Retter in die Gefahrenzone am Tier bewegte und damit ein „Pferdetritt drohte“. Mit den unterschiedlichen Gurttechniken gelang es den Feuerwehrleuten, den „Hengst“ sowohl zur Seite als auch nach vorne und hinten zu bugsieren. Anschließend lagerten sie ihn auf einer Schleifplatte und zogen ihn wie auf einem Schlitten über das Übungsgelände. Um die Pferdeattrappe aufzurichten rückte das Wechsellader-Fahrzeug der Kreisfeuerwehrzentrale an. Kurz darauf hing „Sam“, dem die Wehrleute zuvor einen speziellen Hebesatz samt Bergetuch angelegt hatten, am Kranausleger des 26-Tonners. Am Schluss des Trainings stand schließlich noch die Tierrettung aus einem Viehanhänger auf dem Programm. Auch für einen solchen Fall hatte Lutz Hauch die passenden Lösungen parat.

Gefahrenpotenzial ist nicht zu unterschätzen

Unfälle mit Großtieren passieren glücklicherweise nicht tagtäglich. Das Gefahrenpotenzial ist aber angesichts der Zahlen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung trotzdem nicht zu unterschätzen: In Deutschland gibt es fast 3,9 Millionen Reiter und rund 1,3 Millionen Pferde. Etwa 1,25 Millionen Menschen betreiben den Reitsport intensiv. Jährlich finden um die 3.600 Turniere statt, bei denen Pferde über die Straße transportiert werden. Bernd Kröger, stellvertretender Kreisbrandmeister und Ausbildungsbeauftragter des Kreisfeuerwehrverbandes, hält die Schulung der Einsatzkräfte deshalb für wichtig. „Ziel ist ein deutliches Plus an Sicherheit und eine tierschutzgerechte Vorgehensweise!“ Zuletzt war die Feuerwehr Vlotho zu einer kuriosen Tierrettung gerufen worden. Sie rettete eine Stute, die in den Swimmingpool auf dem Nachbargrundstück gefallen war.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

Mehr Informationen?
www.comcavalo.de
www.facebook.com/lutz.hauch

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Der Kreisfeuerwehrverband veranstaltet erstmals ein „Sicherheitstraining
Großtierrettung“, an dem 20 Ehrenamtliche teilnehmen. Lutz Hauch (im
Hintergrund), erfahrener Pferdetrainer und Großtierretter, leitet die Veranstaltung.

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Er zeigt zu Beginn Videoclips mit negativen und ...

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... positiven Einsatzbeispielen.

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Hauchs „Assistent“, der lebensgroße Pferdedummy „Sam“, wird entladen.

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Zunächst wird der Schweif mit einer Leine und einem ...

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... Spezialknoten gesichert.

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Der lässt sich im Notfall an seiner Aufzugsschlaufe sofort wieder öffnen.

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Dem „Rappe“ wird ein Notfallhalfter angelegt, der als Kopfsicherung dient.

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„Sam“ ist ein besonders braves „Pferd“, das geduldig alle Übungen über sich ergehen lässt.

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Lutz Hauch (r) erläutert die verschiedenen Gurttechniken und ...

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... Werkzeuge für die Großtierrettung.

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Dazu gehört beispielsweise eine Teleskopstange, in die ein Karabiner eingesteckt
wird, um ihn anschließend aus sicherer Entfernung per „Fernauslösung“ am Tier einzuhaken.

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Ein Polizei-Schutzschild kann für die Eigensicherung ebenfalls von Nutzen sein.

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Mit dem sogenannten Rückwärtsassistenten wird „Sam“ nach hinten gezogen, während ...

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... der „Drehassistent mit Bremse“ eingesetzt wird, um das Tier behutsam umzuwenden.

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Die Seminarteilnehmer führen sich die fünf Gebote für die Großtierrettung immer wieder vor Augen.

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Rolf Kuhle (l) und Mario Daume stehen mit Hirtenstab und Fädelstange bereit,
um die Spezialgurte anzulegen.

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Jan Busse kümmert sich währenddessen um das Notfallhalfter.

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Danach ziehen Stefanie Telthörster-Kröger (l) und Christian Bürger dem „Tier“
ein Bergetuch als provisorischen Blendschutz über den Kopf.

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Gruppenführer Thomas Finkemeyer (links im Hintergrund) behält die Rettungsaktion im Blick.

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„Sam“ bekommt Fußfesseln angelegt. Trainer Hauch schützt sich dabei mit einem
Schleifplattenelement.

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Hirtenstäbe dienen als Verlängerung der Arme. So geraten die Einsatzkräfte nicht in die
sogenannte Kickzone, also die Gefahrenzone am Tier.

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Der „Hengst“ wird in ein spezielles Bergetuch verpackt.

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Anschließend hängt er gut gesichert am Kranausleger des Wechsellader-Fahrzeugs der Kreisfeuerwehrzentrale.

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Für die nächste Übung wird ein spezieller Hebesatz eingesetzt.

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Die Vorbereitungen für „Sams“ Abtransport beginnen.

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Nachdem er auf einer Schleifplatte sicher gelagert ist, wird er mit vereinten Kräften wie auf einem Schlitten zum Pferdeanhänger gezogen.

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Dort üben die Feuerwehrleute, wie ein verletztes Pferd tiergerecht verladen und ...

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... entladen wird.

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Bevor „Sam“ die Heimreise antritt, werden seine Gelenke gut gesichert.

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Gruppenfoto der Seminarteilnehmer, die ...

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... von Lutz Hauch mit Zertifikaten ausgezeichnet werden.