Fassadendämmungen können im Brandfall zur Gefahr werden

BF Frankfurt a.M.: Wärmedämmverbundsysteme sind kritisch zu betrachten
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Ende Mai 2012 brennt die Außenfassade eines Wohn- und Geschäftshauses im Frankfurter Nordend. Die Flammen breiten sich über die Dämmschicht des Mauerwerks rasend schnell aus. Eine pechschwarze Rauchsäule ist weit über das Stadtgebiet hin sichtbar. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt.  Die Branddirektion Frankfurt am Main warnt jetzt in einem Schreiben: Die Gefahren von Wärmedämmverbundsystemen seien nicht zu unterschätzen.

 

Der Vorfall ereignet sich am frühen Abend auf einer Baustelle an der Frankfurter Adickesallee. Hier wird ein Wohn- und Geschäftshaus saniert und erweitert. Es soll nach Abschluss der Baumaßnahme als Studentenwohnheim genutzt werden. Das Gebäude hat eine Länge von rund 60 Meter und liegt mit einer Höhe von 22 Meter knapp unterhalb der Hochhausgrenze. Das Haus ist zum Zeitpunkt des Unglücks komplett eingerüstet. Alle Fenster sind eingebaut und verschlossen. Im Zuge der Bauarbeiten wurde die Außenfassade mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen. Das verwendete Material ist als „schwer entflammbar“ (B1) eingestuft. In jedem 2. Stock ist ein 200 Millimeter hoher, so genannter umlaufender Brandriegel vorhanden, um im Ernstfall einen Übersprung der Flammen auf die darüber liegenden Etagen zu verhindern.

Gegen 17 Uhr verlässt ein Betonmischfahrzeug das Gelände. Der Polier und die dort eingesetzten Bauarbeiter geben später an, dass sie zu diesem Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für einen Brand in diesem Bereich wahrgenommen hätten. Doch bereits fünf Minuten später erreicht die Berufsfeuerwehr Frankfurt (rund 940 Mitarbeiter an 12 Standorten) der erste Notruf: „Ich rufe vom Polizeirevier an und sehe auf der Baustelle gegenüber fünf Meter hohe Flammen. Es brennt neben dem Haus Kunststoff. Der Rauch ist sehr stark und wie gesagt die Flammen sind fünf Meter hoch, kommen sie schnell!“  Direkt vor dem Gebäude lagern Dämmstoffe, die für das neue Wärmedämmverbundsystem an der Außenfassade vorgesehen sind. Die Front auf der Brandseite ist bereits inklusive Putz und Anstrich fertig gestellt. Aufgrund der weiteren Meldungen, insgesamt gibt es in der Zeit von 17.05 Uhr bis 17.15 Uhr rund 60 Notrufe, gilt als sicher, dass das Feuer in diesem Bereich ausgebrochen ist. Dann schlagen die Flammen, so wird später vermutet, über einen Baum auf die Hausfassade über und breiten sich hier rasend schnell aus. „Ja, hier auf der Adickesallee brennt ein Haus, ich sehe sehr viel Rauch, mehr weiß ich nicht, ich bin weitergefahren“, berichtet ein Anrufer bereits um 17.06 Uhr. Aufgrund der Vielzahl von Notrufen wird die Einsatzstufe noch vor Eintreffen der ersten Feuerwehreinheit von Kleinbrand auf Großbrand (F 3) erhöht.

Nach drei Minuten Fahrzeit ist das erste Löschfahrzeug vor Ort. Um 17.12 Uhr trifft der 1. Führungsdienst an der Adickesallee ein. Zu diesem Zeitpunkt steht die Fassade auf einer Länge von 20 bis 25 Meter im Vollbrand. Die Brandriegel sind nicht mehr erkennbar und vermutlich zu diesem Zeitpunkt schon verbrannt. Die Feuerwehr lässt die Baustelle komplett räumen. Eine aktive Menschenrettung ist nicht erforderlich, da das Haus wegen der Baumaßnahme leer steht. Viele Fenster sind bereits zersplittert. Das Feuer ist in alle sechs Etagen „gelaufen“. Es kommt zum Teil zu großflächigen Abplatzungen in den Räumen. Aufgrund der enormen Strahlungswärme geraten zwei Autos, die an der Straße abgestellt sind, ebenfalls in Brand. Um 17.20 Uhr sind die Löscharbeiten in vollem Gange. 20 Atemschutzgeräteträger nehmen mit fünf Hohlstrahlrohren und zwei Schaumrohren einen umfangreichen Löschangriff vor. Drei Drehleitern kommen zum Einsatz. Um 17.46 Uhr ist das Feuer unter Kontrolle. Die Wehrleute beginnen damit letzte Brandnester aufzuspüren. Dabei wird die Fassade vorsichtshalber auch an Stellen geöffnet, die keine äußerlichen Beschädigungen aufweisen. Und selbst dahinter ist die Dämmung komplett weg gebrannt, sodass in diesen Bereichen ebenfalls Nachlöscharbeiten erforderlich sind. Das einsturzgefährdete Gerüst wird nach Absprache mit einem Statiker gesichert. Um 20.06 Uhr meldet der Einsatzleiter „Feuer aus!“.

Aufgrund des dramatischen Einsatzverlaufs warnt die Branddirektion Frankfurt am Main: Nur aufgrund glücklicher Umstände seien keine Personen verletzt oder gar getötet worden. Es sei davon auszugehen, dass solche Fassadenbrände in Zukunft zunehmen werden, schreibt Prof. Reinhard Ries, Chef der Berufsfeuerwehr Frankfurt am Main. Bereits in der Vergangenheit sei es nicht nur in der Mainmetropole zu Bränden in Verbindung mit Wärmedämmverbundsystemen gekommen. Der Verlauf, so habe es den Anschein, sei dabei besonders dramatisch, wenn die Zündquelle von außen an die Fassade herangetragen werde. „Es ist zu untersuchen, ob die Prüfverfahren dieses hinreichend berücksichtigen!“ In diesem Zusammenhang müsse die Wirksamkeit des nichtbrennbaren Streifens (Brandriegels) gleichfalls kritisch geprüft werden.

Von Jens Vogelsang
Quelle: BF Frankfurt am Main
Fotos: BF Frankfurt, Bild-Zeitung

Stichwort Wärmedämmverbundsystem (WDVS)


Ein Wärmedämmverbundsystem ist ein System zum Dämmen von Gebäudeaußenwänden. Teilweise werden auch die Bezeichnungen Thermohaut und Vollwärmeschutz verwendet. Der Dämmstoff wird oftmals in Form von Platten auf den Wanduntergrund geklebt oder gedübelt und mit einem Unterputz versehen. In diesen so genannten Armierungsmörtel ist ein Gewebe eingebettet. Den Abschluss des WDVS bildet der Oberputz. Er kann individuell gestaltet bzw. gestrichen werden. In Berlin wurde 1957 zum ersten Mal ein Wärmedämmverbundsystem eingesetzt. Als Dämmstoff wurde ein Polystyrolhartschaum verwendet.

WDVS werden als Baustoff bzw. Bauart eingestuft. Die Bauordnungen der Länder legen dabei in Abhängigkeit von der Gebäudehöhe oder Gebäudeklasse die Mindestanforderungen der Baustoffklassen fest:

- Gebäude bis 7 Meter Höhe = Normal entflammbare Baustoffe nach Klasse B2

- Gebäude von 7 - 22 Meter = Schwer entflammbare Baustoffe nach Klasse B1

- Gebäude von 22 - 100 Meter = Nicht brennbare Baustoffe nach Klasse A

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17.11 Uhr: Eintreffen des 1. Löschfahrzeugs an der Einsatzstelle

2
17.12 Uhr: Eintreffen des 1. Führungsdienstes und der 1. Drehleiter

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  17.13 Uhr: Die Fassade steht auf einer Länge von 20 - 25 m im Vollbrand.

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Quelle: BILD Zeitung
17.06 Uhr bis 17.11 Uhr: Die Flammen erfassen die gesamte Fassade.
Es bildet sich schwarzer Rauch, der kilometerweit zu sehen ist.



"Video eines gleichartigen Brandereignisses in Frankreich"