Durstiges Monster mit Wasser versorgt

Feuerwehr Bünde befüllt eine historische Schnellzugdampflok

DSC_0534Das war sicherlich kein alltäglicher Einsatz: Die Feuerwehr Bünde hat ein historisches „Dampfross“ mit 30.000 Liter Nutzwasser versorgt. Am Samstag (10.03.2012) stoppte die Schnellzuglokomotive der Baureihe „03 10“ am ehemaligen Güterbahnhof der Elsestadt. Angehängt waren zahlreiche Waggons, darunter drei Wagen des legendären „Rheingold-Expresses“. Die Nostalgiefahrt führte von Göttingen nach Emden. An Bord waren rund 700 Eisenbahnfans. Wehrführer Rüdiger Meier hatte die Betankungsaktion in Bünde generalstabsmäßig vorbereitet.

Kalt ist es an diesem trüben Morgen. Bünde schläft noch, so scheint es. Doch an der Wasserbreite sind die Helfer der Feuerwehr bereits fleißig. Die 20 Wehrleute der Löschzüge Mitte und Hunnebrock verlegen eine Schlauchleitung zum 300 Meter entfernten Bahngelände. Ein Oberflurhydrant wird in Betrieb genommen. Der liefert ausreichend Lösch- bzw. Nutzwasser für die bevorstehende Betankung der Dampflok. Wehrführer Rüdiger Meier informiert Bürgermeister Wolfgang Koch, der das außergewöhnliche Ereignis ebenfalls nicht verpassen will. Um 8:10 Uhr liegt alles bereit. Die Feuerwehrleute warten genauso gespannt, wie 50 Zuschauer und einige Medienvertreter. „03 10“ lässt allerdings auf sich warten. „Röhrendes Monster“ wird die Schnellzugdampflok im Volksmund genannt, sagt ein Eisenbahnfan im vorbeigehen. Davon ist allerdings nichts zu spüren, als die „Eiserne Lady“ mit 20-minütiger Verspätung eher lautlos am alten Güterbahnhof einrollt. Vor dem Ausfahrtsignal mit der Nummer 19 stoppt Lokführer Harry Heydenbluth den Zug. Die Einsatzkräfte der Feuerwehr kuppeln zwei C-Schläuche an den Wasserkasten des Tenders. Der fasst 34.000 Liter und muss dringend aufgefüllt werden. „Die Wasserladung ist eine Spende der Energie- und Wasserversorgung Bünde GmbH“, sagt Rüdiger Meier. Ein Geruch nach Kohle und Öl liegt in der Luft.

 

Mit neugierigen Blicken betrachten die Zuschauer den 165 Tonnen schweren Koloss, der im Jahr 1940 von den Borsigwerken in Hennigsdorf bei Berlin gebaut wurde. Ein kleiner Junge schaut staunend auf das „schnaufende“ Ungetüm, das aus einer längst vergangenen Zeit stammt. Matthias Schmid beantwortet geduldig alle Fragen zum Museumszug. Schmid gehört zur Dampflok-Gemeinschaft 41 096 e.V. (Klein Mahner) und ist Cheforganisator der Sonderfahrt nach Emden. Bei der Ausfahrt in Göttingen sei es zu einer zeitlichen Verzögerung gekommen, entschuldigt  Schmid die Verspätung. „Wir konnten allerdings auf der Strecke Zeit gutmachen!“ Dann erläutert der Fachmann einige technische Details zur Dampflok. „Die Maschine leistet fast 1.900 PS. Damit kann eine Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometer erreicht werden!“ Eineinhalb bis zwei Tonnen Kohle verbrauche die Lok auf 100 Kilometer. Rund zehn Tonnen Brennstoff seien im Tender gebunkert. Ein kraftvoller Antrieb ist für diese Notalgiefahrt wahrlich auch nötig. Denn der komplette Zug misst rund 350 Meter(!). Er besteht aus 13 historischen Waggons. Besonders heiß begehrt sind die Plätze in den letzten drei Wagen des Zugverbandes. Sie stammen aus den Jahren 1928 und 1962 und gehörten zum berühmten Luxuszug Rheingold. Zur Sicherheit schiebt eine moderne Diesellok (Siemens PCW 7) von hinten.

 

Währenddessen behält Lokführer Harry Heydenbluth auf dem Führerstand alle Manometer im Blick. Ein Kollege ist mit der Ölkanne unterwegs und schmiert den mächtigen Treibradsatz (Durchmesser 2 Meter). Heydenbluth ist gleichzeitig Vorsitzender des Fördervereins Schnellzugdampflok 03 1010 e.V.. Der Verein wurde im Jahr 2010 in Halle an der Saale gegründet. Seine Mitglieder kümmern sich liebevoll um den Erhalt der schnellsten rostgefeuerten Dampflok in Deutschland, die am Bahnbetriebswerk Halle P beheimatet ist. Sie ist als einziges betriebsfähiges Exemplar der Baureihe 03 10 erhalten geblieben und gilt als Technisches Denkmal des Landes Sachsen-Anhalt. Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Lok von der Deutschen Reichsbahn der DDR übernommen. Am 31. Mai 1980 bespannte  „03 1010“ den letzten planmäßigen Dampfschnellzug auf der Strecke von Berlin nach Strahlsund. Da waren die „Dampfrösser“ in Westdeutschland längst abgewrackt.

 

Nach kapp 40 Minuten heißt es „einsteigen, Türen schließen und Vorsicht bei der Abfahrt!“ „03 1010“ steht unter Volldampf. Mit einem lauten Pfeifsignal verlässt die imposante Dampflokomotive die Elsestadt. Nach einem Frühstück am Einsatzleitwagen 2 beginnen die Feuerwehrleute mit dem Abbau der Schlauchleitung. Die Schlauchbrücke an der Wasserbreite wird zerlegt und auf dem Schlauchwagen 2000 aus Bünde-Hunnebrock verladen. Ein Feuerwehrmann blickt auf einen vorbeifahrenden Dieseltriebwagen. Er sieht traurig aus. Schade, dass das Dampfzeitalter vorbei ist!

 

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

 

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Der Wasserkasten im Lok-Tender wird aufgefüllt.

 

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Insgesamt drei Zylinder sorgen für den Sound des "Röhrenden Monsters".

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"03 1010" verabschiedet sich aus Bünde.

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Ein Oberflurhydrant an der Wasserbreite liefert das Nutzwasser.

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Die Schlauchbrücke wird zerlegt und auf dem SW 2000 verladen.