Mit dem Dynamikseil vom Fernsehturm

Fachgruppen des THW unterstützen die Feuerwehr im Notfall

P1000888Ein Kranführer verliert an seinem Arbeitsplatz in luftiger Höhe plötzlich das Bewusstsein. Die Feuerwehr  kann den Mann nicht retten, denn ihre Drehleiter hat nur eine Länge von 23 Metern. Jetzt schlägt die Stunde der Höhenretter des Technischen Hilfswerks (THW). Der Löschzug Schweicheln-Bermbeck besuchte die Spezialeinheit des Ortsverbandes Herford kürzlich in ihrem Domizil an der Ackerstraße.



Kommt es zu einem Großschadensfall, dann sind Feuerwehr und THW oftmals gemeinsam im Einsatz. Das war zuletzt in Rödinghausen der Fall. Hier kam es zu einer Explosion in einem Wohnhaus.  Die Helfer des THW durchsuchten die Trümmer mit Spürhunden und räumten die Unglücksstelle mit schwerem Bergungsgerät. „Im Bereich der Höhenrettung sind wir ebenfalls auf das THW angewiesen“, sagt Nicholas Jost, Leiter des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck. Denn die Möglichkeiten der Feuerwehr sind begrenzt. „Wir können unsere Einsatzkräfte mit speziellen Gurten gegen Absturz sichern. Bei Gefahr könnten sich die Feuerwehrleute auch Abseilen. „Eine Personenrettung aus großer Höhe kann mit dieser Ausrüstung allerdings nicht durchgeführt werden.“  Dieter Brüll hatte so sichtlich Freude, den Wehrleuten aus der Nachbargemeinde über die Arbeitsweise der Fachgruppe Höhenrettung zu berichten. Der THW-Mann ist wohl der Experte zum Thema „SRHT“ im Kreis Herford; damit ist die  „Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen“ gemeint.  Brüll verfügt über eine mehr als 40-jährige Einsatzerfahrung. Er absolvierte ein spezielles Ausbildungsprogramm am Institut für Brand- und Katastrophenschutz in Heyrothsberge (Sachsen-Anhalt). Unter seiner Leitung finden am Standort Herford seit dem Jahr 2002 eigene Lehrgänge zur Höhenrettung statt. Rund 120 Stunden umfasst dabei die Grundausbildung. Im Notfall wird die Spezialeinheit von der Kreisleitstelle in Eilshausen alarmiert. „Ein Team von drei Leuten ist innerhalb von 15 Minuten Einsatzbereit“, erläutert Dieter Brüll.  Neun Männer einschließlich Sanitätshelfer zählt die Einheit insgesamt. Jeder Höhenretter ist mit einem speziellen Gurtgeschirr und zahlreichen Karabinerhaken ausgerüstet. Zur Ausstattung der Gruppe gehören außerdem zwei 80 Meter lange Dynamikseile. Das Spezialgewebe dehnt sich bei Belastung um bis zu acht Prozent. „Sturzbelastungen werden so abgefedert“, sagt Dieter Brüll. Auch ein 200 Meter langes Statikseil liegt für den Notfall bereit. Die Rettung aus Höhen und Tiefen, aber auch Sicherungsarbeiten in einsturzgefährdeten Bereichen können so durchgeführt werden. „Gut zu wissen“,  meinen die Aktiven des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck. Mit speziellen Knoten können die Leinen übrigens weiter verlängert werden. Dieter Brüll hat so bereits eine Abseilübung vom Fernsehturm in Magdeburg (140 Meter) sicher überstanden. Weiterhin sind eine teilbare Trage, Y-Haken mit Falldämpfern und Mini-Flaschenzüge vorhanden. Den Wert der gesamten Ausrüstung beziffert der Gruppenführer des THW auf gut und gerne 20.000 Euro. Alles sei aus Spendengeldern finanziert worden, da die Bundesanstalt THW zwar das Engagement der Männer von der Örtlichen-Gerfahren-Abwehr-Höhenrettung (ÖGA-Höhenrettung) begrüßt, hierfür allerdings keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Und so wurde der Mannschaftstransporter der Gruppe ebenfalls gesponsert. Das Elektrizitätswerk Minden-Ravensberg stellte vor einigen Jahren einen ausgedienten Bulli zur Verfügung, der anschließend die typische kornblumenblaue THW-Lackierung erhielt.

Erst kürzlich, so erfuhren die Aktiven des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck, war die Höhenrettungsgruppe an der Autobahnbaustelle in Bad Oeynhausen im Einsatz. Sie „rettete„ einen Kranführer aus seiner Kabine in rund 50 Meter Höhe. „Das war eine Übung“, so Dieter Brüll. Der Straßenbaukonzern habe sich von der Leistungsfähigkeit der Höhenretter überzeugen wollen.

Das THW könne die örtlichen Feuerwehren weiterhin durch Baufachberater unterstützen,  erläutert Christian Tielker im Anschluss. Er ist Ortsbeauftragter des THW in Herford. Die Baufachberater erkunden beispielsweise die Baustruktur eines Gebäudes bei einem Großbrand oder nach einer Explosion. Drohen Einstürze oder Deckendurchbrüche, können die Einsatzkräfte so rechtzeitig gewarnt werden.  Außerdem führen die Helfer des THW Schneelastmessungen auf Hallendächern durch und erstellen Schneeräumpläne für die  Feuerwehr. Katastrophen, wie der  Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall vor einigen Jahren, sollen so vermieden werden. Vor allem Reithallen, so Christian Tielker, hätten zum Teil zu schwache Dachkonstruktionen. „Das hat der schneereiche Winter 2010/2011 gezeigt!“

Besonders stolz ist die Mannschaft der Ortsgruppe Herford auf ihren neuen Gerätewagen. Das Fahrzeug vom Typ Mercedes-Axor (Aufbau Rosenbauer) ist mit einem 290 PS-Motor, Allradantrieb, Automatikgetriebe und Seilwinde ausgestattet. Am Stützpunkt Herford sind neben den Höhenrettern auch zwei Bergungsgruppen sowie eine Ortungseinheit stationiert. Der Löschzug Schweicheln-Bermbeck wird sicherlich demnächst wieder bei den „Kollegen“ vom THW vorbeischauen, da ist sich Nicholas Jost sicher.

Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

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Dieter Brüll (r) ist Höhenrettungs-Experte im Kreis Herford.

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Im Kofferraum des Mannschaftstransporters sind zahlreiche Seile, Haken und Flaschenzüge untergebracht.

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Jeder Höhenretter verfügt über ein spezielles Gurtgeschirr.

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Das THW führt Schneelastmessungen durch und erstellt Räumpläne, um Deckeneinstürze zu verhindern.

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Der neue Gerätewagen der 1. Bergungsgruppe (Mercedes Axor 1829)
wurde erst kürzlich in Dienst gestellt. Er ist mit Seilwinde ...


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Schweißgerät, Werkbank u. zahlreichen Werkzeugen ausgerüstet.

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Fahrzeug der 2. Bergungsgruppe: MZKW auf MAN LE 18.280 Fahrgestell