Viel Wasser und Schlamm, aber keine Verletzten

Heftiges Unwetter sorgt für viele Feuerwehreinsätze im Kreis Herford

Kreis Herford/Bünde/Löhne/Kirchlengern. Gestern das Ruhrgebiet und Münsterland, heute Ostwestfalen-Lippe:  Mittlerweile ist eine ganze Serie von schweren Unwettern über Nordrhein-Westfalen hinweggefegt.  In der Nacht zum Mittwoch (29./30.07.2014) wurde der Kreis Herford ebenfalls von heftigem Starkregen, Blitz und Donner heimgesucht. Besonders stark betroffen waren die Stadt Bünde und die Gemeinde Kirchlengern, wo die Wasser- und Schlammmassen dutzende Keller volllaufen ließen und zum Teil sogar durch die Wohnungen flossen. Die Bahnstrecke zwischen Herford und Osnabrück musste zwischen Kirchlengern und Bünde gesperrt werden, nachdem die Oberleitung abgerissen war.

 

 

Am Mittwochmorgen übernimmt Kreisbrandmeister Wolfgang Hackländer gegen 10 Uhr die Lagedienstführung in der Kreisleitstelle von Bernd Kirchhoff. „Wir haben noch voll zu tun und es kommen immer noch neue Einsätze rein“, sagt Hackländer. Der Feuerwehrchef spricht von fast 400 Einsätzen, die sich seit den Abendstunden ereignet hätten. Zum Großteil sei es um vollgelaufene Keller und Wohnungen, überflutete Straßen und Unterführungen gegangen. „Besonders hart hat es Bünde erwischt. Hier liefen bis zu den frühen Morgenstunden 139 Alarme auf“, erläutert der Kreisbrandmeister. Ebenso sei die Feuerwehr Kirchlengern mit 109 Einsätzen, darunter ein Gefahrstoffeinsatz bei einem Lackspezialisten, bis an die Leistungsgrenze gefordert gewesen. „Insgesamt waren fast 600 Feuerwehrleute im Einsatz, die in Bünde vom Technischen Hilfswerk und Roten Kreuz unterstützt wurden.“ An vielen Stellen seien die Aufräumarbeiten noch in vollem Gange. „In einer Kläranlage musste außerdem ein Ölfilm mit Bindemittel beseitigt werden!“

Einweisung im Bereitstellungsraum ...

 


... durch die ELW-Mannschaft aus Bünde.


Während der heißen Phase, als viele Hilfesuchende gleichzeitig den Notruf wählten, war die Kreisleitstelle in Hiddenhausen-Eilshausen auf neun Disponenten aufgestockt worden. „Mehr Plätze stehen nicht zur Verfügung“, sagt stellvertretender Kreisbrandmeister Bernd Kröger, der im Übrigen die professionelle Arbeit des Leitstellenpersonals lobt. Geradezu vorbildlich sei ebenso die Arbeit der Kreiseinsatzleitung zu bewerten, die im neuen Stabsraum für die Vordisponierung der Einsätze und den Nachschub zuständig war. In der Feuerwache Bünde sowie den Gerätehäusern in Kirchlengern und Löhne hatten sich zudem die örtlichen Abschnittsleitungen eingerichtet. Auch ihre Arbeit wird von Kröger ausdrücklich gelobt.
Der Deutsche Wetterdienst hatte für Dienstag ab 22.30 Uhr vor heftigem Starkregen, Gewittern und Sturmböen bis 85 Stundenkilometer gewarnt - und so kam es dann auch für den Kreis Herford. „So etwas habe ich in 60 Jahren noch nicht erlebt“, sagt ein Bewohner der Zitternstraße in Bünde-Spradow, die in etwa 50 Meter Entfernung parallel zur Bahnstrecke zwischen Herford und Osnabrück verläuft. „Das Wasser hat den Bahndamm einfach überspült!“ Als die ersten Einheiten vom Löschzug Bünde eintreffen, ist die Lage dramatisch, um nicht zu sagen katastrophal. Die Straße steht unter Wasser und die Wohnhäuser wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Sie sind bis zur Kellerdecke mit Regenwasser und Schlamm vollgelaufen. Zum Teil sind selbst die Wohnräume im Erdgeschoss verwüstet worden. Gruppenführer Lars Janssen und seine Leute sind mit den Löschgruppenfahrzeugen 16 und 10/6 als erstes vor Ort. Sie versuchen so gut es geht zu helfen und verschaffen sich einen ersten Überblick. „In einem Haus lebt ein pflegebedürftiges Ehepaar, dem wir sofort geholfen haben“, sagt Janssen. Die meisten Häuser verfügen über Gasheizungen und dann ist da noch die Gefahr durch den Strom: Fast alle Anwohner haben ihre Hausanschlüsse und Zählerkästen im Keller. Gegen 2.30 Uhr morgens kommt Unterstützung von der Feuerwehr Hiddenhausen, die aus dem Bereitstellungsraum anrückt. Klaus Obermann und Philip Hergt vom Löschzug Bünde-Mitte haben die Einsatzkräfte aus der Großgemeinde bereits in der nahen Feuerwache auf die Situation vor Ort vorbereitet. Abschnittsleiter Nicholas Jost macht noch einmal Druck: Die Energieversorger EWB und Eon werden dringend gebraucht. In einem Kellerraum raucht es bereits. „Die Stromkabel wirken in den Wassermassen wie ein Tauchsieder, sagt der Gemeindebrandinspektor aus Hiddenhausen. Das Problem kann schnell gelöst werden. Die herbeigeeilten Techniker schalten den Strom komplett ab und riegeln die Gaszufuhr an drei Stellen in der Straße ab. „Hier sind wir beim Orkan Kyrill doch auch schon gewesen“, sagt ein EWB-Mann.    


Viele Einsätze müssen noch abgearbeitet werden.

 


Der Deutsche-Wetterdienst hat gewarnt.


Die Wehrleute arbeiten sich mit ihren Pumpen von Haus zu  Haus Richtung Spradower Bach nach vorne. Der hat sich durch die Wassermassen zu einem reißenden Strom entwickelt. Ein Wohnhaus am Ufer ist schwer ramponiert. Die Schlammlawine hat die gesamte Wohnung zerstört. Die Wehrleute setzen hier zwei Tragkraftspritzen ein, die jeweils 1.600 Liter pro Minute schaffen. Später kommt eine weitere Tauchpumpe 8 (TP 8) im Kellerraum mit den Heizöltanks zum Einsatz, die 800 Liter in der Minute wegsaugt. Das Hochwasser im Spradower Bach hat offenbar eine Gartenhütte mitgerissen. Die Bretter und weiterer Unrat versperren jetzt den Durchlauf, der die Bahnstrecke unterquert. Zwei Bergungsgruppen des Technischen Hilfswerks rücken mit schwerem Gerät an, um die Lage in den Griff zu bekommen. Der Bahnverkehr ist zwischen Kirchlengern und Bünde komplett eingestellt, sagt der Bahnnotfallmanager. Ein umgestürzter Baum ist auf die Oberleitung gefallen. In einiger Entfernung ist ein Güterzug gestrandet. Die Züge der Deutschen Bahn, Westfalenbahn, Eurobahn und Nordwestbahn werden umgeleitet. Es kommt zu Verspätungen von bis zu 60 Minuten. In einem Garten machen die Feuerwehrleute eine traurige Entdeckung. Das Unwetter hat einen Hühnerstall weggeschwemmt.  16 Hühner sind qualvoll verendet.


Am frühen Morgen hat sich die Lage etwas entspannt. Die Löschgruppen Enger-Nord, Enger Pödinghausen und Rödinghausen-Kilver werden von der Einsatzunterabschnittsleitung in die Zitternstraße geschickt, um die erschöpften Einsatzkräfte vor Ort zu unterstützen. Gegen Mittag ist das Gröbste geschafft. Bis alle Schäden beseitigt sind, wird es aber wohl noch einige Tage dauern.

                                                                                                                      Von Jens Vogelsang

 


Lageeinweisung in der Feuerwache Bünde

 


Der Pegel der Else ist deutlich angestiegen.

 

 

 


An der Zitternstraße ist die Lage besonders dramatisch.

 


Einsatzabwicklung im ELW2, der an der Feuerwache Bünde steht.

 

 

 

 


Das Gas wird komplett abgeriegelt.

 


Vollgelaufen bis unter die Decke.

 


Ein TLF wird zum Lenzen eines Kellers in Position gebracht.

 


Die Wassermassen haben schwere Verwüstungen angerichtet.

 


Der Bahnnotfallmanager ist vor Ort und hat die Bahnstrecke gesperrt.

 


Das THW versucht...

 


mit schwerem Gerät...

 

 


... einen Bachlauf freizubekommen.

 


Gemeinsamer Kraftakt

 


Ein Stapel mit Kaminholz ist während des Unwetters in einen Kellerzugang gestürzt.

 


An einem Haus am Lauf des Spradower Bachs werden zwei Tragkraftspritzen zum Auspumpen der Räume eingesetzt.

 


Die Wehrleute rüsten sich mit Wathosen aus...

 


... und schaffen leistungsstarke Pumpen herbei.

 


Die Eisenbahnstrecke zwischen Löhne u. Melle wurde nach einem Oberleitungsschaden gesperrt.
In Höhe Kirchlengern ist ein Güterzug liegengeblieben. (Foto: W. Hackländer)

 


Situation an der Straße im Obrock in Kirchlengern am Mittwochmorgen (Foto: W. Hackländer)

 


Die Aufräumarbeiten laufen vielerorts noch.