André Storck entwickelt "Atemschutz-Überwachungsbox"

System liefert schnell verlässliche Informationen für den Einsatzleiter

Atemschutzeinsatz 1Vlotho/Kreis Herford. Feuerwehrleute haben einen gefährlichen Job. Ihre Sicherheit hat aus diesem Grund oberste Priorität. André Storck, stellvertretender Wehrführer in Vlotho und Ausbilder des Kreisfeuerwehrverbandes, hat das System der Atemschutzüberwachung weiter verfeinert, um Unfälle im Innenangriff zu vermeiden. Herausgekommen ist eine innovative „Atemschutz-Überwachungsbox“. Sie liefert dem Einsatzleiter, anders als herkömmliche Überwachungstafeln, quasi mit einem Blick verlässliche Angaben über die Situation seiner Leute an der „Feuerfront“.

Um sich vor dem Brandrauch zu schützen, tragen die Feuerwehrleute Gesichtsmasken und Atemluftflaschen, die mit 300 bar gefüllt sind. Der Luftvorrat von etwa 1.800 Litern kann schnell zur Neige gehen. Das Spektrum reicht von 15 Minuten bei Schwerstarbeit bis zu 40 Minuten bei leichteren Tätigkeiten unter Atemschutz. Wichtig sei deshalb, eine gut funktionierende Atemschutzüberwachung vor Ort zu haben, erläutert André Storck. „Der Luftvorrat wird deshalb ständig beim Einsatztrupp über Funk abgefragt.“
Mehrere tragische Unglücksfälle hatten vor etwa 20 Jahren zur bundesweiten Einführung des Systems geführt. Im März 1996 kam ein Brandmeister der Berufsfeuerwehr Köln bei einem Kellerbrand in einem Hochhaus ums Leben. Der 29-jährige Feuerwehrmann hatte sich mit seiner Fangleine „verheddert“, die zuvor unkontrolliert aus dem Leinenbeutel ausgelaufen war. Nur wenige Monate später ereignete sich im schweizerischen Niederbipp ein weiterer trauriger Zwischenfall. Hier stand am 19. Juli eine Papierfabrik in Flammen. Zwei Stunden nach der Alarmierung konnten drei Feuerwehrkameraden nur noch tot geborgen werden. Beim Rückzug wurden die Männer von Lagermaterial verschüttet und waren erstickt. Sie lagen weit auseinander und die Atemschutzmasken waren von den Gesichtern gerissen. Diese und weitere Atemschutzunfälle hatten schließlich zu der Erkenntnis geführt, dass ohne ein zweckmäßiges Überwachungssystem ein Atemschutzeinsatz nicht koordinierbar und damit nicht sicher ist.
In der Feuerwehrdienstvorschrift 7 (FWDV 7) ist seitdem festgelegt, dass die Flaschendrücke mindestens nach dem ersten und dem zweiten Drittel der voraussichtlichen Einsatzzeiten zu prüfen und festzuhalten sind. Ebenso ist für jeden Trupp zu notieren, in welchem Bereich des Gebäudes er tätig werden soll. Mit einer Eieruhr, Zettel und Stift ließen sich diese Anforderungen sicherlich erfüllen, sagt Storck. Doch ob sich der Atemluftverbrauch im normalen Bereich bewege und nicht etwa ein Defekt am Gerät vorliege, darüber könne bei dieser Methode niemand auf Anhieb eine verlässliche Aussage treffen. Und wie lange der Flaschendruck noch reiche, bevor der Trupp den Rückzug antreten müsse, auch diese Frage, da ist sich Storck sicher, lasse sich oftmals nur schwer beantworten. Zeiten und Drücke würden zwar ordnungsmäßig aufgeschrieben: In der Einsatzhektik bliebe aber oftmals keine Zeit zur Auswertung der Notizen oder die Werte würden falsch interpretiert! „Ich habe mir daher die Frage gestellt, können wir gewisse Dinge nicht besser machen, damit die ganze Sache effektiver wird.“
Der Stadtbrandinspektor sammelte seine Einsatzerfahrungen und entwickelte in gut eineinhalb Jahren eine „Atemschutz-Überwachungsbox“. Das „System Storck“ arbeitet statt mit einem Kurzzeitmesser, bei der die Grundeinsatzzeit von 30 Minuten nach dem Prinzip einer Eieruhr abläuft, mit einer mechanisch betriebenen „Druck-Uhr“. Deren Ziffernblatt reicht von 300 bar bis 0 bar. Die Einteilung ist so gewählt, dass pro Minute 10 bar herunterlaufen. Das entspricht jeweils rund 55 Litern Luft, die bei schwerer körperlicher Arbeit verbraucht werden. Storcks Idee lässt sich an einem Beispiel verdeutlichen. Zu Einsatzbeginn ist die Atemluftflasche mit 280 bar gefüllt. Die „Überwachungsbox“ wird auf diesen Wert eingestellt. Nach sieben Minuten steht der Zeiger der „Druck-Uhr“ auf 210 bar. Per Funk meldet der Atemschutzgeräteträger, dass sein Flaschendruck allerdings tatsächlich noch 230 bar betrage. Die „Druck-Uhr“ wird nun auf diesen Wert zurückgedreht und läuft bis zur nächsten Druckabfrage im „Zehnbartakt“ weiter.  Der Einsatzleiter kann aus den Informationen sofort folgende Erkenntnisse ziehen: Es scheint keinen technischen Defekt am Gerät zu geben, da der Atemluftverbrauch das übliche Maß von 55 Litern pro Minute nicht überschritten hat. Offensichtlich wurde in den Minuten zuvor normale bis schwere körperliche Arbeit verrichtet. Auf einem weiteren Ziffernblatt ist außerdem die Resteinsatzzeit abzulesen. Sie beträgt im Beispielsfall bei einem verbliebenen Druck von 210 bar rund 23 Minuten. Dabei wird mit dem durchschnittlichen Luftverbrauch bei mittlerer körperlicher Arbeit und einem Druck für den Rückzugsweg von 60 bar kalkuliert. André Storck ist von seiner Idee überzeugt: „Als Einsatzleiter weiß ich jederzeit, wie es meinen Leuten geht und wann der nächste Trupp zur Ablösung bereitstehen muss!“
Grundgerüst für das „System Storck“ bildet eine vier Zentimeter starke Klapp-Box, wie sie in ähnlicher Form im Rettungsdienst verwendet wird. Darin sind in der oberen Hälfte die beiden „Druck-Uhren“ für den Angriffs-Truppführer und -truppmann eingelassen. Außerdem gibt es eine Funkuhr, die eine zusätzliche Sicherheit bietet. Sollte eine der „Druck-Uhren“ ausfallen, könnten Zeiten und Flaschendrücke nach der herkömmlichen Methode weiterhin festgehalten werden, schildert Storck. Den Vordruck zur Dokumentation der Atemschutzüberwachung hat er ebenfalls vollständig überarbeitet. So sind nun Felder vorgesehen, um den Zugangs- und den Anmarschweg des Angriffstrupps festzuhalten und den Aufenthaltsort bei jeder Druckabfrage notieren zu können. „Der Einsatzleiter bekommt so gemeinsam mit den Infos der „Druck-Uhr“ einen roten Faden, um bei Unregelmäßigkeiten oder einem Atemschutznotfall schnell reagieren zu können!“
Die Materialkosten seiner Erfindung beziffert André Storck auf etwa 110 Euro. Darin enthalten sind die „Atemschutz-Überwachungsbox“, der Vordrucksatz aus imprägniertem, wasserabweisendem Pretex sowie Spezialstifte aus der Weltraumforschung. Die stehen unter Druck und schreiben in jeder Lage. „Mit dem Gesamtpaket kann eine qualitativ hochwertige Atemschutzüberwachung durchgeführt werden!“ Nachdem der Stadtbrandinspektor zunächst vier Prototypen selber gebaut hat, ist die „Serienproduktion“ angelaufen. Friedrich-Wilhelm Böke, Löschgruppenführer in Vlotho-Steinbründorf, hat 25 „Atemschutz-Überwachungsboxen“ in seinem Gravierbetrieb angefertigt, mit denen die Feuerwehr Vlotho mittlerweile ausgerüstet wurde. An eine Vermarktung denkt Storck allerdings nicht. „Jeder kann die Idee von mir bekommen. Ich will damit kein Geld verdienen!“

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

Atemschutzeinsatz 1
Einsätze unter Atemschutz gehören für die Feuerwehr zum Einsatzalltag.

Überwachungsbox 2
André Storck hat die herkömmliche Überwachungstafel zu einer „Atemschutz-Überwachungsbox“ weiterentwickelt. (Foto: FW Vlotho)

Druckuhr 3
Bei seinem System orientiert sich die Einsatzzeit am Druckverbrauch. Die „Druck-Uhr“ hat daher die Zeit-Uhr ersetzt. (Foto: FW Vlotho)

Vordruck 4
Vordruck für die Atemschutz-Überwachung, wie er bei der Feuerwehr Vlotho Verwendung findet. (Foto: FW Vlotho)

Andre Storck 5
André Storck ist stellvertretender Wehrführer in Vlotho und Ausbilder des KFV Herford.