Zurück zur Bescheidenheit

"MLF NRW" und "VLF Cobra" im landesweiten Test

FeuerwEhrensache Ratingen aDüsseldorf/Ratingen/Bad Oeynhausen.  Die Feuerwehren im Land verfallen immer mehr einem „Wettrüsten“, meinen die Macher von „FeuerwEhrensache“, dem Prestigeprojekt des NRW-Innenministeriums und Verbandes der Feuerwehren in NRW (VdF NRW). Nun ja, so ganz ist der Einwand nicht von der Hand zu weisen: Genügten den Ehrenamtlichen auf dem Lande vor einigen Jahren noch simple Tragkraftspritzenfahrzeuge als Handwerkszeug, wurden die vielerorts längst ausgemustert und durch moderne Löschgruppenfahrzeuge vom Typ LF 10 oder gar  LF 20 ersetzt. Doch immer weniger Personal muss im Einsatzfall die umfangreiche Technik auch bedienen können. „FeuerwEhrensache“ fordert daher mehr Bescheidenheit und ist sich sicher, mit dem „Mittleren Löschfahrzeug NRW“ und „Vorauslöschfahrzeug Cobra“ Alternativen zu bieten.

Feuerwehrspezialist Ziegler hat die beiden Fahrzeugtypen nach den Vorgaben der Projektgruppe „Fahrzeugtechnik“ entwickelt.  Innenminister Ralf Jäger präsentierte die Musterfahrzeuge kürzlich in Ratingen der  Öffentlichkeit.   Sie werden nun bis Mitte 2017 von 20 ehrenamtlichen Feuerwehren im Lande, darunter die Feuerwehr Bad Oeynhausen (Kreis Minden-Lübbecke), die ein „Mittleres Löschfahrzeug NRW“ („MLF NRW“) erhielt, getestet. „Der Schutz der Menschen kann nur durch eine handlungsfähige Feuerwehr vor Ort sichergestellt werden“, sagte Jäger.

Drei MLF-Varianten im Test
 
Das MLF bezeichnet die Projektgruppe als „gesundes Mittelmaß“ zwischen dem kleinen Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF) und dem großen Hilfeleistungslöschfahrzeug 20 (HLF 20). Es handele sich um ein vollwertiges Einsatzfahrzeug, das über eine ausgewogene Technik verfüge und einer Staffel von sechs Feuerwehrleuten Platz biete.  Die Projektmacher sind überzeugt: „Das MLF NRW kann problemlos als Erst-Einsatzfahrzeug eingesetzt werden!“ Die Menschenrettung sei damit sicher durchführbar und die meisten Einsätze seien eigenständig beherrschbar. Der Zehntonner, ein MAN mit 220 PS, verfügt über eine Heckpumpe und hat 1.000 Liter Löschwasser im Tank.  Stromerzeuger, hydraulisches Rettungsgerät, Tauchpumpe und Sprungpolster gehören zur Ausrüstung.  Das Auto wird in drei verschiedenen Landes-Varianten getestet: Büren, Bad Oeynhausen, Bottrop, Leichlingen und Radevormwald testen das „MLF NRW Z-Zumischung“, das über einen herkömmlichen externen Zumischer Z 4 verfügt. Das „MLF NRW DZM“ für die Wehren in Essen, Kleve, Ratingen, Beverungen und Dormagen ist hingegen mit einer Druckzumischanlage ausgerüstet, während das „MLF NRW DLS“ für die Ehrenamtlichen in Nörvenich, Menden, Hagen, Leverkusen und Coesfeld eine Druckluftschaumanlage an Bord hat.

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Das Mittlere Löschfahrzeug (MLF) ist ein vollwertiges Einsatzfahrzeug für den Erstangriff. Es bietet Platz für eine Staffel
(sechs Einsatzkräfte) und hat die Beladung für eine Gruppe (neun Einsatzkräfte) an Bord. (Foto: MIK NRW)

Cobra-Schneidlöschgerät: Gift für das Feuer!

Mit dem „Vorauslöschfahrzeug Cobra“ („VLF Cobra“) - es ist das bundesweit erste dieser Art -  soll einem anderem Problem aus der Einsatzpraxis entgegengewirkt werden: Durch neue Baustoffe, wie sie beispielsweise in Niedrigenergiehäusern vorzufinden sind, und leicht brennbare Inneneinrichtungen, die oftmals einen hohen Kunststoffanteil enthalten, ist die Gefahr von Rauchgasexplosionen gestiegen. Werden die Vorzeichen nicht erkannt oder falsch gedeutet, besteht für die Einsatzkräfte im Innenangriff Lebensgefahr. Das Unternehmen Cold Cut Systems Svenska AB aus dem schwedischen Kungsbacka sorgt hier mit seinem Kaltschneid-Löschgerät „Cobra“ für mehr Sicherheit.  Mit dem patentierten System fräst der vorgehende Trupp zunächst von außen mit einem 300-Bar-Hochdruckstrahl(!) ein kleines Loch in die Außenwand. Dazu wird dem Löschwasser über eine spezielle Düse ein Schneidmittel, von Fachleuten Abrasiv genannt, beigemengt. Durch den Zusatzstoff durchdringt der Wasserstrahl quasi in kürzester Zeit alle bekannten Baumaterialen, wie beispielsweise das mehrlagige Wärmedämmverbundsystem eines Niedrigenergiehauses. Die Öffnung ist dabei gerade so groß, dass kein Sauerstoff von außen zum Feuer gelangen, wohl aber der  Hochdruckstrahl mit einer Löschlanze hindurch „geschossen“ werden kann. Die feinen Wassertropfen sorgen dafür, dass sich der Brandraum rasch abkühlt. Der Angriffstrupp kann nun vorrücken, ohne dass die Gefahr einer Rauchgasexplosion  besteht.   Doch nicht nur die Sicherheit für die Einsatzkräfte wird erhöht, das System ermöglicht außerdem einen besseren Zugang zu Brandherden in geschlossenen Konstruktionen, wie Silos, Containern, Zwischendecken und Kabelkanälen. Das die schwedische Schneidlöschtechnik einen geringeren Wasserschaden verursacht, als die althergebrachten Löschmethoden, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. In Schweden haben bereits 50 regionale Feuerwehrverbände Schneidlöschgeräte angeschafft. Dort, wo die Geräte vorhanden seien, kämen sie bei 80 Prozent aller Brände zum Einsatz, heißt es vom Hersteller. „Für alle angehenden schwedischen Feuerwehrleute gehört die Schneidlöschtechnik mittlerweile zum Pflichtbestandteil  der Ausbildung!“

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In NRW wird das Auto mit drei verschiedenen Schaumzumisch-Systemen getestet: „MLF NRW Z-Zumischung“,
„MLF NRW Druckzumischanlage“ und „MLF NRW Druckluftschaumanlage“. Vierteilige Steckleiter und Sprungpolster
(im Bildhintergrund) gehören ebenfalls zur Ausrüstung. (Foto: MIK NRW)

Autarker Einsatz ist nicht vorgesehen!

Ein Iveco Daily mit 205 PS bildet die Basis für das „VLF Cobra“. Das Auto wurde von Feuerwehrspezialist Ziegler mit dem Cobra C 360 B-Kit samt der dazugehörigen Löschlanze des Unternehmens Cold Cut Systems Svenska versehen. Der Wassertank fasst 400 Liter. Im Schneidmittelbehälter werden zehn Liter Eisenoxid-Abrasiv mitgeführt. Weitere 30 Liter des Stoffes befinden sich in Fünfliterkanistern. Zur weiteren Ausrüstung des VLF gehören  Überdruckbelüftungsgerät, Wärmebildkamera und Halligan-Tool. Führungskraft, Angriffstrupp und Maschinist bilden die vierköpfige Besatzung des Fünftonners. Die Einheit unterstehe immer einem Einsatzabschnittsleiter, heißt es von den Fachleuten des Pilotprojektes. Ein selbständiger Einsatz des „VLF Cobra“ sei somit nicht vorgesehen. Die Feuerwehrleute in Ratingen, Werne, Heinsberg, Ahlen und Königswinter testen nun, ob sich das schwedische Kaltschneid-Löschsystem auch in Deutschland bewährt.

Projekt mit wissenschaftlicher Begleitung

Das Innenministerium hatte im Sommer 2013 gemeinsam mit dem VdF NRW die Projektgruppe zur „Förderung des Ehrenamtes in den Feuerwehren“ (FeuerwEhrensache) eingesetzt. Darin arbeiten Experten der Feuerwehr mit Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände und verschiedener Arbeitsgemeinschaften zusammen, um das Feuerwehrehrenamt zukunftsfähig zu machen. Wissenschaftler der Universitäten Witten/Herdecke bzw. Eichstätt/Ingolstadt, Siegen und Wuppertal begleiten das Projekt. (Redaktion: kfv-herford.de)

-Vo-

Hinweis:
Das „MLF NRW Z-Zumischung“ der Feuerwehr Bad Oeynhausen wird von Redaktion: kfv-herford.de demnächst im Detail vorgestellt.

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NRW-Innenminister Ralf Jäger informiert sich bei der Feuerwehr Ratingen,
wo die neuen Fahrzeuge vorgestellt werden. (Foto: MIK NRW)

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Das „Vorauslöschfahrzeug Cobra“ („VLF Cobra“) basiert auf einem Iveco-Transporter vom Typ Daily. (Foto: MIK NRW)

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Vier Einsatzkräfte gehören zur Besatzung. Sie bedienen im Einsatzfall das Kaltscheid-Löschsystem „Cobra“. (Foto: MIK NRW)

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Dabei wird ein Wasser-Abrasiv-Hochdruckstrahl eingesetzt, um ein Loch in die
Außenwand zu fräsen und den Brandraum anschließend abzukühlen. (Foto: MIK NRW)

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Das Unternehmen Ziegler Feuerwehrgerätetechnik fertigte die Fahrzeuge nach den Vorstellungen
der Projektgruppe „Fahrzeugtechnik“ in seinem Werk in Mühlau (Sachsen). (Foto: MIK NRW)