Hochhausbrände mit "fliegenden Strahlrohren" löschen?

Schwerlastdrohne im Brandeinsatz getestet

Drohne cTreffling/Riga/Berlin. Der Markt für Flugdrohnen boomt. Längst hat die neue Technologie auch bei der Feuerwehr Einzug gehalten. Die Vorteile für die Rettungskräfte liegen auf der Hand: Sie können mit den unbemannten Luftfahrzeugen in Bereiche vordringen, die sonst nicht oder nur mit erheblichen Gefahren zu erreichen wären. Das Spektrum der „fliegenden Augen“ reicht von der Erkundung, über die Gefahrstoffmessung bis zur Personensuche. Doch damit nicht genug: In Zukunft könnten die Drohnen außerdem als „fliegende Strahlrohre“ zum Einsatz kommen und mit ihrer Hilfe Hochhausbrände gelöscht werden. Erste Versuche mit einer Schwerlastdrohne sind im österreichischen Treffling vielversprechend verlaufen.

Die schrecklichen Bilder des Grenfell Towers, der im Juni 2017 wie eine gewaltige brennende Fackel in den Londoner Nachthimmel ragte, gingen um die Welt. Das Feuer hatte sich innerhalb kürzester Zeit über die Dämmung der Außenfassade ausgebreitet. 71 Menschen starben in den Flammen. Viele der Opfer hatten in den oberen Stockwerken verzweifelt auf Hilfe gewartet. Doch die London Fire Brigade, die mit 200 Einsatzkräften vor Ort war, konnte ihnen trotz aller Bemühungen nicht helfen. Der 24-stöckige Sozialbau aus den 70er Jahren ist rund 70 Meter hoch, während der größte Teleskopgelenkmast des Landes, der aus Leatherhead (Grafschaft Surrey) angerückt war, eine Länge von „nur“ 42 Metern misst. Die Tragödie in London-Kensington hat gezeigt, vor welchen gewaltigen Herausforderungen die Feuerwehr bei einem Hochhausbrand stehen kann. In den Entwicklungsabteilungen der Industrie wird bereits an Lösungen gearbeitet, um die besonderen Gefahren besser bezwingen zu können. Die Experten sind unter anderem dabei, Drohnen für den Löscheinsatz aus der Luft zu modifizieren.

Cargo-Drohne mit 16 Rotoren löscht in 85 Metern Höhe

Feuerwehrausrüster Rosenbauer testete erst jüngst ein „fliegendes Strahlrohr“. Die Österreicher nahmen den Schwerlast-Multicopter des lettischen Startup-Unternehmen Aerones auf den Prüfstand. Die Cargo-Drohne misst einen Durchmesser von drei Metern und bringt 70 Kilogramm auf die Waage. 16 Rotoren sorgen für einen beachtlichen Auftrieb, sodass eine Last von mehr als 100 Kilogramm(!) angehängt werden kann. Außerdem verfügt sie über vier Schwimmkörper, um im Wasser starten und landen zu können.
Der Versuch fand in Treffling bei Linz (Oberösterreich) statt. Die Ingenieure hatten die Aerones-Drohne zuvor mit einem Hochdruckstrahlrohr Typ Nepiro aus dem Rosenbauer-Sortiment ausgerüstet und über eine Schlauchleitung mit einem Löschfahrzeug verbunden. Anschließend ließ ein erfahrener Drohnen-Pilot das Gerät aufsteigen. Das Experiment beeindruckte: „In einer Flughöhe von 85 Metern wurde noch eine Ausstoßleistung von rund 100 Litern Wasser in der Minute erreicht“, erläuterte Georg Pilsner, Innovativmanager beim Unternehmen Rosenbauer. Die Hochdruckstufe der kombinierter Normal- und Hochdruckpumpe im Löschfahrzeug sorgte für den nötigen Druck. „Sie schafft eine Normleistung von 400 Litern pro Minute bei 40 Bar!“ Trotz des beträchtlichen Wasserausstoßes und des damit verbundenen Rückstoßes gelang es dem Piloten, die surrende Löschdrohne per Fernsteuerung in einer stabilen Position zu halten und das Löschwasser zielgenau abzugeben. Währenddessen erfolgte die Energieversorgung des Fluggerätes über eine parallel zum Hochdruckschlauch geführte Stromleitung, sodass der Test unabhängig von Akku-Laufzeiten ablief.
Pilsner zeigte sich optimistisch: „Fliegende Strahlrohre“ seien ein durchaus vorstellbares Zukunftsszenario. „Bis die Feuerwehren allerdings tatsächlich damit arbeiten werden, ist noch einiges an Entwicklungsarbeit erforderlich!“ So ließe sich beispielsweise die Förderhöhe noch deutlich steigern, wenn Druckluftschaum als Löschmittel verwendet würde, der deutlich leichter als Wasser sei. „Rosenbauer ist es bereits gelungen“, so Pilsner, „den Schaum auf bis zu 400 Meter Höhe zu pumpen.“
Zum Vergleich: Die Standarddrehleiter der deutschen Wehren erreicht eine Einsatzhöhe von 23 Metern, was in etwa dem siebten Obergeschoss entspricht. Einige Berufs- und Werkfeuerwehren verfügen über höhere Rettungsgeräte. Als derzeit höchste Drehleiter der Welt gilt die Magirus M68L, deren siebenteiliger Leitersatz bis in eine Höhe von 68 Metern reicht. Bronto Skylift, finnischer Hersteller von Hubrettungsbühnen, baut in der Modellreihe HLA (High-Level-Articulated) sogar Gelenkmasten auf Lastwagenfahrgestellen mit einer Rettungshöhe bis 112 Metern(!).

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Rosenbauer testet eine Aerones-Schwerlastdrohne als Löschroboter. Sie erreicht in einer Flughöhe von 85 Metern noch
eine Wasserausstoßrate von 100 Litern pro Minute. (Foto: Rosenbauer International AG, Leonding)

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So stellen sich die Entwickler des lettischen Unternehmens Aerones die Zukunft vor: Der Multicopter startet vom Dach des Löschfahrzeugs.
Er führt Schlauch- und Stromleitung mit sich und … (Animation: Aerones SIA, Riga, Lettland)

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.. löscht den Hochhausbrand aus der Luft. (Animation: Aerones SIA, Riga, Lettland)

Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten

Schon heute sind Drohnen vielerorts im Feuerwehreinsatz. Die unbemannten Luftfahrzeuge - kurz UAV (Unmanned Aerial Vehicles) genannt - starten, um mit Kameraaugen und Infrarottechnik die Lage aus der Luft zu erkunden, Brandnester zu lokalisieren, Waldgebiete zu überwachen oder vermisste Personen aufzuspüren. Die Feuerwehr Dortmund führt nach Bränden oder Unfällen sogar Schadstoffmessungen per Drohne durch. Dadurch gelingt es, dem „Luft-Pfad“ der „Giftwolke“ zu folgen und präzise Daten zu ihrer Konzentration und Ausbreitungstendenz zu liefern. Die Dortmunder Wehr nimmt damit am Programm „Forschung für die zivile Sicherheit“ teil, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.
Der Markt für unbemannte Luftfahrzeuge boomt. Experten schätzen, dass in Deutschland die Zahl der gewerblich und privat genutzten Drohnen bis zum Jahr 2020 auf 1,2 Millionen steigen wird. Für den Feuerwehreinsatz hat Feuerwehrausrüster Ziegler den Quadrocopter „Inspire 1“ des chinesischen Herstellers DJI Technology im Programm. Er ist mit einer 4K-Videokamera ausgerüstet, die um 360 Grad drehbar ist und ihre Bilder in HD-Qualität direkt auf den Computerbildschirm im Einsatzleitwagen sendet. Die etwa drei Kilo schwere DJI-Drohne verfügt über Flugdatenschreiber, Rückkehrfunktion (Return-to-Home) und erreicht eine Flugzeit von bis zu 18 Minuten. Das Fluggerät kann über separate Fernsteuerungen wechselweise von zwei Piloten navigiert werden.

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Schon heute sind Drohnen vielerorts im Einsatz. Ihre Kameraaugen sind um 360 Grad drehbar und liefern die Bilder …
(Foto: Albert Ziegler GmbH)

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… aus der Luft zur Lagebeurteilung direkt in den Einsatzleitwagen. (Foto: Sebastian Pörtner, Feuerwehr Löhne)

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Die Luftaufnahmen entstanden während der Übung der Bezirksreserve im Hiller-Moor.
(Foto:
Sebastian Pörtner, Feuerwehr Löhne)

Drohnen-Verordnung schafft Rechtssicherheit

Währenddessen hat der deutsche Gesetzgeber Klarheit geschaffen und im Frühjahr 2017 die „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten“ verabschiedet. Darin wird der Einsatz der Drohnen verbindlich geregelt. Für den Betrieb von unbemannten Fluggeräten ab einem Gewicht von zwei Kilogramm wird nun ein Kenntnisnachweis gefordert. Die Feuerwehr ist allerdings als Organisation mit Sicherheitsaufgaben von der Nachweis- und Erlaubnispflicht ausgenommen, sofern der Drohneneinsatz im Zusammenhang mit Not- und Unglücksfällen bzw. Katastrophen stattfindet. Das gilt auch für präventive Einsätze - wie etwa zur Lageerkundung bei Großveranstaltungen - sowie für Ausbildungs- und Übungsflüge. Die neue Verordnung regelt auch, dass Privatpersonen ihre unbemannten Luftfahrzeuge nicht mehr über Unglücksorte und Katastrophengebiete steuern dürfen. „Dies ermöglicht zum einen, den Luftraum für die Einsatzerkundung freizuhalten, zum anderen wird das Gaffen aus der Luft untersagt“, so DFV-Vize Lars Oschmann. Außerdem darf ein Privatpilot sein Fluggerät nicht außerhalb der Sichtweite steuern. Auch hiervon ist die Feuerwehr ausgenommen. Sie darf deshalb das Fluggerät zur Lageerkundung auch hinter einer Rauchsäule oder im verqualmten Bereich einsetzen. (Redaktion: kfv-herford.de)

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