Soziale Kontakte herunterfahren und nach Möglichkeit zuhause bleiben!

Kreisbrandmeister Bernd Kröger im Interview

Kreis Herford. Das öffentliche Leben ist zum Erliegen gekommen. An vielen Stellen steht die Produktion still. So etwas hat es in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr gegeben. Das Corona-Virus verbreitet Angst und Unsicherheit. Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger arbeiten in diesen Tagen an vorderster Front. Sie verdienen deshalb größten Respekt. Aber auch der Lebensmitteleinzelhandel, Drogerien und Apotheken, Polizei und Feuerwehr werden gebraucht, um die Daseinsvorsorge und Sicherheit in dieser schweren Zeit sicherzustellen. Redaktion: kfv-herford.de sprach mit Kreisbrandmeister Bernd Kröger über die derzeitige Situation im Kreis Herford.

 

Frage Redaktion: Bernd, wie schätzt Du die momentane Lage im Kreisgebiet ein?

Bernd Kröger: Das Kreisgesundheitsamt hat am 6. März 2020 die ersten beiden bestätigten Corona-Fälle gemeldet. Nun, also gut zwei Wochen später, gibt es 102 Infektionen (Hinweis: Stand 24.03.2020). Zwei Personen, die sich von der Covid-19-Erkrankung wieder erholt haben, werden nicht mehr mitgerechnet. Die Zahl der Neuinfektionen ist in einem relativ kurzen Zeitraum deutlich gestiegen und das bereitet mir Sorge. Ein Erkrankter infiziert unter Umständen viele andere, und dann steigt die Kurve der Fallzahlen zu Beginn extrem steil an, was die Krankenhäuser überlasten könnte. Wir müssen deshalb alles dafür tun, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und damit einen gleichmäßigen Verlauf der Kurve erreichen. Das kann nur gelingen, wenn sich jeder an die Hygienevorgaben hält, mindestens zwei Meter Abstand hält und seine sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert. Mit anderen Worten: Bleibt bitte zuhause, sofern die Möglichkeit dazu besteht!

 

Frage Redaktion: Unter den Infizierten befinden sich auch zwei Feuerwehrleute. Kannst Du näheres sagen. Befinden sich die Kameraden auf dem Weg der Besserung?

Bernd Kröger: Meines Wissens geht es den Kollegen den Umständen entsprechend gut.

 

Frage Redaktion: Du stehst sicherlich in engem Kontakt zu den anderen Feuerwehrchefs in OWL. Ist die Lage dort ähnlich?

Bernd Kröger: Ja, wir tauschen uns regelmäßig über die Situation in den Kreisen und das weitere Vorgehen aus. Im Grunde ist die Situation bei allen ähnlich. Die Kreise Gütersloh, Lippe und Minden haben aber bereits deutlich höhere Fallzahlen, als wir im Kreis Herford.


Frage Redaktion: Manche Menschen glauben noch immer, Covid-19 sei mit einer„normalen“ Grippe vergleichbar. Was sagst Du denen?

Bernd Kröger: Also ich bin kein Mediziner und Zuversicht ist immer gut. Aber zwischenzeitlich sollte jedem klar sein, dass Covid-19 sehr gefährlich ist. Die meisten Menschen leiden zwar unter Grippe-Symptomen und sind nach ein paar Tagen wieder auf den Beinen. Aber das SARS-CoV-2-Virus ist neu und die Bevölkerung ist nicht immun dagegen. Deshalb kommt es zu so vielen Neuansteckungen. Ältere und Vorerkrankte sind besonders gefährdet.

 

Redaktion: kfv-herford.de sprach mit Kreisbrandmeister Bernd Kröger über die Corona-Krise.
(Foto: Archiv Redaktion: kfv-herford.de)

 

Frage Redaktion: Covid-19 kann zu Lungenentzündungen und schweren Atembeschwerden führen. Die Krankenhäuser rüsten sich für einen Anstieg schwer erkrankter Corona-Patienten und sind dabei zusätzliche Beatmungsplätze einzurichten. Die Kreisleitstelle führt für die Krankenhäuser in Herford und Bünde den zentralen Bettennachweis. Wie viele Intensivbetten und Beatmungsplätze werden im Kreisgebiet derzeit freigehalten und kann die Kapazität im Notfall noch weiter aufgestockt werden?

Bernd Kröger: Also zunächst einmal versucht man die bestehenden Kapazitäten durch Verschiebung von geplanten Operationen frei zu halten. Die Belegung der Intensivstationen hängt allerdings auch von dem übrigen Geschehen an Erkrankungen, Unfällen und unaufschiebbaren, notwendigen Operationen im Kreisgebiet ab. Die Leitstelle hat ständig einen aktuellen „Status“ über die Belegungen der Stationen. Eine generelle Aussage kann man daher nur schwer treffen und ist letztendlich immer auch nur eine Momentaufnahme. Derzeit gibt es noch keine Corona-Patienten, die intensivpflichtig sind. Richtig ist aber auch, dass die Krankenhäuser angehalten sind, ihre Kapazitäten insbesondere an Beatmungsplätzen um 20 Prozent zusätzlich auszuweiten und noch auszubauen. Dies erfordert aber zwingend auch zusätzliche personelle und materielle Ressourcen; insofern stehen die Krankenhäuser im Moment vor einer schwierigen Aufgabe. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir im Kreis Herford in den nächsten Tagen zu einer guten Lösung kommen werden.

 

Frage Redaktion: Es ist immer noch die Rede davon, dass Ärzten und Pflegepersonal Schutzkleidung und Desinfektionsmittel fehle. Gibt es im Kreisgebiet zurzeit ebenfalls einen Material-Engpass?

Bernd Kröger: Im Bereich der Krankenhäuser und beim Rettungsdienst haben wir im Moment noch keine akuten Probleme. Die Nachfrage nach Schutzkleidung und Desinfektionsmittel ist aber enorm, sodass auf dem freien Markt nur sehr schwer Nachschub zu bekommen ist. Es ist deshalb umso wichtiger, mit den vorhandenen Beständen verantwortungsvoll und sparsam umzugehen. Die Planungen für ein zentrales Lager für Verbrauchsmittel im Kreis Herford laufen zurzeit. Da wir eine solche Situation bisher so noch nie hatten, kann momentan niemand mit Sicherheit sagen, wie groß der Bedarf tatsächlich sein wird.

 

Frage Redaktion: Der Rettungsdienst hat in den letzten Jahren vermehrt die Feuerwehr zur Tragehilfe gebraucht. Verfügen die Wehrleute ebenfalls über ausreichende Schutzanzüge und Atemmasken, sofern ihre Hilfe für den Transport von Corona-Patienten erforderlich ist?

Bernd Kröger: Sofern für den Transport eines infizierten Patienten oder eines konkreten Verdachtsfalls die Unterstützung der Feuerwehr erforderlich sein sollte, stellt der Rettungsdienst die dafür notwendige Schutzkleidung. Es werden also keine Vorräte in den Gerätehäusern angelegt. Diese Vorgehensweise ist so mit den für den Rettungsdienst Verantwortlichen abgestimmt und dient der Schonung von Ressourcen.

 

Frage Redaktion: Zurzeit finden keine Feuerwehr-Übungsdienste statt. Sämtliche Versammlungen wurden abgesagt. Mit dieser Maßnahme soll die Gefahr, dass eine ganze Feuerwehreinheit unter Quarantäne gestellt werden muss, minimiert werden. Ist diese Strategie bisher aufgegangen, oder gibt es bereits nennenswerte Ausfälle zu verzeichnen?

Bernd Kröger: Im Kreisgebiet gibt es 43 Löschzüge- bzw. -gruppen und drei hauptamtliche Wachen. Alle Einheiten sind weiterhin voll einsatzfähig. Wir haben allerdings einige Mitglieder, die unter häuslicher Beobachtung stehen und natürlich auch „normal“ Erkrankte. Insgesamt beträgt der Krankenstand auf Kreisebene noch weit unter zehn Prozent. Ich glaube, wir haben gut daran getan, schnell zu handeln; so konnten wir die weitere Ausbreitung der Infektion innerhalb der Feuerwehren bisher unterbinden. Es gibt außerdem weitere Schutzempfehlungen für die Mannschaften. So sollen nur so viel Einsatzkräfte ausrücken, wie vor Ort wirklich gebraucht werden. Von Einsatznachbesprechungen in großer Runde wird abgeraten. Die Aktiven sollen stattdessen nach Beendigung des Einsatzes sofort wieder nach Hause fahren.

 

Frage Redaktion: Werden in den kommenden Wochen im Zusammenhang mit der Corona-Krise weitere Aufgaben auf die Feuerwehren zukommen und welche könnten das sein? Rechnest Du beispielsweise damit, dass die Warneinheiten ausrücken müssen?

Bernd Kröger: Für die Feuerwehren geht es in erster Linie darum, den Brandschutz und die Technische Hilfe unter diesen schwierigen Bedingungen weiterhin sicherzustellen. Natürlich könnten weitere Aufgaben auf die Feuerwehren zukommen, falls sich die Lage weiter zuspitzt. Denkbar wäre die technische Unterstützung beim Aufbau eines Behandlungszentrums, logistische Unterstützung bei der Verteilung von Schutzausrüstung oder die konkrete Warnung der Bevölkerung durch Lautsprecherdurchsagen. Das Ganze steht natürlich unter dem Vorbehalt, die eigene Einsatzfähigkeit nicht zu gefährden.

 

Frage Redaktion: Aufgrund der Corona-Krise wurden bereits die Schulen und Kindergärten geschlossen. In den letzten Tagen gab es vermehrt Anfragen zur Kinderbetreuung. Haben auch Freiwillige Feuerwehrleute Anspruch darauf?

Bernd Kröger: Ja, es gibt jetzt vermehrt Anfragen von Feuerwehrleuten, die von dieser Regelung Gebrauch machen möchten. Und der entsprechende Erlass des NRW-Innenministeriums macht das auch möglich. Er schließt alle ehrenamtlichen aktiven Feuerwehrleute mit ein, da sie ebenfalls für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit benötigt werden. Bei Eheleuten reicht es mittlerweile aus, wenn diese Voraussetzung auf einen Ehegatten zutrifft. Es soll dadurch verhindert werden, dass Aktive nicht zum Einsatz kommen, weil sie zuhause ihre Kinder betreuen müssen. Im Kreisgebiet ist der Bedarf an Notbetreuungsplätzen in Kindertagesstätten und Offenen Ganztagsschulen bisher allerdings sehr überschaubar.


Frage Redaktion: Sofort nach Ausbruch der Erkrankung im Kreis Herford ist der Krisenstab im Kreishaus zusammengetreten. Kannst Du kurz erläutern, wer alles dazu gehört, welche Aufgaben der Stab übernimmt und in welchen Abständen die Lagebesprechungen stattfinden?

Bernd Kröger: Das mach ich doch gerne. Im Krisenstab treten die Amtsleitungen der verschiedenen Ämter des Kreises unter Leitung des Dezernenten Norbert Burmann regelmäßig alle zwei Tage zusammen. Aufgrund der derzeitigen Pandemie-Lage liegt die Federführung beim Gesundheits- und Ordnungsamt. Daneben sind Vertreter von Feuerwehr und Polizei und natürlich die Abteilungsleitung für Rettungsdienst und Leitstelle vertreten. Ähnlich wie wir es von der Stabsarbeit kennen, erfolgen zunächst ein Lagevortrag und eine Einschätzung der weiteren Entwicklung. Danach werden die nächsten anstehenden Aufgaben festgelegt und deren Schnittstellen zwischen den Ämtern definiert. Die eigentliche Sacharbeit findet danach aber wieder in den einzelnen Ämtern statt. Das ist der größte Unterschied zum Feuerwehreinsatzstab, der ja quasi rund um die Uhr als „Gremium“ tagt und die Aufgaben aus dem Stab heraus erledigt. Daneben kommt der Koordinierungsgruppe Krisenstab (KGS) eine besondere Bedeutung zu. Hier wird die laufende Arbeit dokumentiert, die Verbindung zur Bezirksregierung gehalten und die Informationsweitergabe zentral gesteuert. Die Kolleginnen und Kollegen in der KGS sind tagsüber, auch am Samstag und Sonntag, durchgehend im Dienst und arbeiten mit hoher Motivation und sehr professionell. Nach meinem Eindruck funktioniert die Arbeit der gesamten Kreisverwaltung in diesem „Krisenmodus“ bisher gut.

 

Frage Redaktion: Zur Corona-Verdachtsabklärung wurde am Freizeitbad H2O eine Zentrale-Abstrichstelle eingerichtet. Dort haben sich bereits am ersten Tag rund 180 Menschen testen lassen. Ist der Andrang immer noch so groß und wo werden die Proben untersucht?

Bernd Kröger: An der Wiesestraße gibt es weiterhin viel zu tun. Am Freitag (Anmerk.: 20.03.2020) sind 115 Personen erschienen, um eine mögliche Covid-19-Erkrankung abzuklären. Ich möchte an dieser Stelle nochmal den Hinweis der Kreisverwaltung weitergeben: Es werden nur Abstriche von Personen vorgenommen, die durch ihren Hausarzt, eine Notfallpraxis oder den hausärztlichen Notdienst an die Behelfseinrichtung verwiesen worden sind. Die Proben werden mit einem Tupfer aus Rachen- und Nasenbereich entnommen und anschließend vom Medizinischen Versorgungszentrum Labor Krone in Bad Salzuflen untersucht. Dort gehen die Abstriche aus der gesamten Region ein. Das Labor hat mittlerweile einen Sonntagsdienst eingerichtet, weil die Abstrich-Zentren ebenfalls sonntags arbeiten und der Bedarf so groß ist.

 

Frage Redaktion: Geht es um die Anordnung von Schutzmaßnahmen, dann glich Deutschland bis vor kurzem noch einem „Flickenteppich“. Manche Bundesländer sind „vorgeprescht“, andere verhielten sich eher zögerlich. Einige Großstädte haben sogar eigene Verbote verhängt, was sie auch dürfen. Mittlerweile hat man sich auf ein „Kontaktverbot“ geeinigt, das bundesweit gilt. Hätte der Bund nicht viel eher einheitliche Maßnahmen für alle Bundesländer anordnen sollen?

Bernd Kröger: Die gesetzlichen Pflichten zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten sind im Infektionsschutzgesetz geregelt. Hier wird es mit Sicherheit Änderungen geben. Ich halte aber nichts davon, jetzt vorschnell Fakten zu schaffen, sondern das Ganze im Nachgang kritisch zu bewerten und dann in Ruhe notwendige Änderungen zu beschließen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass einzelne Bundesländer darum wetteifern, wer die nächsten einschneidenden Maßnahmen als erstes beschließt. Ich glaube, wir tun gut daran, ähnlich wie wir es aus dem Führungsvorgang der Feuerwehren kennen, Entscheidungen zunächst abzuwägen, dann einen Entschluss zu fassen und die Umsetzung dieser Maßnahme danach erst zu bewerten. Manche Entscheidungen brauchen zu ihrer Umsetzung auch einen gewissen Vorlauf.

Ich halte unser föderales System aber nach wie vor für gut. Die Strukturen der Bundesländer sind unterschiedlich; und deshalb braucht es teilweise auch unterschiedliche Vorgehensweisen. Wer glaubt, alles alleine zentral regeln und entscheiden zu können, wird scheitern. Die Feuerwehr kennt den Begriff der Führungsverantwortung in unterschiedlichen Stufen auf allen Ebenen. Die Bürger brauchen immer einen Ansprechpartner vor Ort. Während der derzeitigen Pandemie hat die Kreisverwaltung alle wichtigen Maßnahmen eingeleitet und unter der Telefonnummer 05221/131500 ein Bürgertelefon eingerichtet.

 

Frage Redaktion: Stichwort Versorgung: Die Supermärkte sind weiterhin geöffnet, um die Lebensmittelversorgung sicherzustellen. Aber mittlerweile gibt es auch hierzulande Einlasskontrollen, damit sich nur eine bestimmte Anzahl von Personen im Geschäft aufhält. Außerdem werden nur Einzelpersonen oder Eltern mit Kindern hereingelassen. Ein notwendiger Schritt?

Bernd Kröger: Die Supermärkte sind momentan so ziemlich die einzigen öffentlichen Orte, wo sich noch viele Menschen aufhalten. Auch hier muss alles getan werden, damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet. Ich glaube, alle Kunden haben viel Verständnis für die vorübergehenden Einschränkungen. Die Maßnahmen dienen zu ihrem eigenen Schutz und vor allem auch zum Schutz des Personals, das in dieser unsicheren Zeit weiter für uns da ist.

 

Frage Redaktion: Trotzdem hamstern manche Verbraucher bestimmten Artikeln. Nudeln, Mehl und vor allem Klopapier sind zurzeit Mangelware, weil die Menschen davon viel mehr kaufen, als sie eigentlich brauchen. Hast Du eine Erklärung dafür?

Bernd Kröger: Gute Frage. Also das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) rät bereits seit Jahren dazu, dass jeder Haushalt für den Notfall einen Vorrat an Lebensmitteln und Getränken für ein bis zwei Wochen anlegen soll. Das gilt allerdings in erster Linie für eine Hochwasserlage, bei der die Menschen von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten sind. Lebensmittel und Hygieneartikel für eine Pandemie zu horten macht also meines Erachtens keinen Sinn. Es gibt den Menschen aber offenbar ein Gefühl der Sicherheit. Das sagt zumindest ein Wissenschaftler, der das Phänomen untersucht hat.

 

 

Bernd, vielen Dank für das Gespräch.

 

Ich danke auch. Und bleibt bitte alle gesund!


-Vo-