Von der Bleistiftskizze zum Welterfolg

75 Jahre VW Bulli

VW Bulli bHannover. Eine Auto-Ikone ist 75 Jahre alt geworden: Im März 1950 fuhr der erste VW-Transporter - kurz T1 genannt - in Wolfsburg vom Band. Schnell entwickelte sich der Bulli, wie das Auto liebevoll als Abkürzung für „Bus und Lieferwagen“ genannt wurde, zu einem Symbol des deutschen Wirtschaftswunders und zu einem Verkaufsschlager. Bis heute wurde der Transporter, der mittlerweile in der 7. Generation auf dem Markt ist, mehr als 12,5 Millionen Mal verkauft. Er ist damit das bis jetzt erfolgreichste europäische Nutzfahrzeug aller Zeiten. Handwerker, Dienstleister, Familien, Weltenbummler und die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst vertrauen nach wie vor auf die solide Technik des Bullis, die zu Beginn der Serienproduktion in den 1950er Jahren vom VW-Käfer stammte.

Wir schreiben das Jahr 1947. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Der niederländische Kaufmann Ben Pon trifft im ostwestfälischen Minden auf Colonel Charles Radclyffe von der „Trade and Industry Division“ der britischen Militärverwaltung. In der Nachkriegszeit mangelt es an Transportmöglichkeiten. Pon, der später den weltweit ersten VW-Importeur-Vertrag unterschreibt, wünscht sich deshalb für die Erweiterung seines Autohandels einen Kleintransporter, den das Volkswagenwerk („Wolfsburg Motor Works“) konstruieren soll. Er kritzelt die Skizze eines Kastenwagens in sein Notizbuch, den es in dieser Form noch nicht gibt. Der Fahrer sitzt über der Vorderachse, während der Motor im Heck unter dem Boden des Laderaums angeordnet ist. Die Zuladung soll 750 Kilogramm betragen, wie Pon am Rande seiner Zeichnung vermerkt. Doch der Colonel lehnt ab; denn in Wolfsburg fehlen zu jener Zeit die Produktionskapazitäten, um die Idee umzusetzen. Allerdings gerät der Entwurf des Niederländers nicht in Vergessenheit. Im Januar 1948 wird Heinrich Nordhoff zum neuen Generaldirektor des Volkswagenwerks ernannt. Der beauftragt schließlich seinen Entwicklungschef, Pons Konzept umzusetzen und einen entsprechenden Prototyp zu entwickeln. Die Ingenieure legen sich kräftig ins Zeug. Nach einer 51-wöchigen Entwicklungszeit ist es endlich so weit: Am 8. März 1950 beginnt im Wolfsburger VW-Werk die Serienproduktion des Kleintransporters T1, der zunächst als Kastenwagen mit 975 Kilogramm Leergewicht und einer möglichen Zuladung von 750 Kilo vom Band rollt.

VW Bulli aVolkswagen Transporter der ersten Generation. „Sofie“ (Foto) lief im August 1950 vom Band und gilt als einer der ältesten noch erhaltenen und fahrbereiten T1. (Foto: VW Nutzfahrzeuge)

VW Bulli bBlick in die Transporter-Produktion im Volkswagenwerk Wolfsburg Anfang der 1950er Jahre.
(Foto: VW Nutzfahrzeuge)

VW Bulli cViel mehr als ein Tacho ist auf dem Armaturenbrett des T1 nicht zu finden. (Foto: Kieft/ Wikipedia)

Einfach aber praktisch

Die geteilte Frontscheibe mit den geraden Fensterscheiben und das große VW-Emblem auf der bauchigen Frontpartie zählen zu den charakteristischen Designelementen des Bullis der ersten Generation. Die Technik des 4,15 Meter langen und 1,66 Meter breiten T1 stammt größtenteils vom VW Käfer. Im Heck der selbsttragenden Ganzstahl-Karosserie werkelt ein Boxermotor, der zunächst über 1,1 Liter Hubraum und 25 PS verfügt. Damit beschleunigt der Bulli bis auf Tempo 80. Das Käfer-Getriebe wird mit einer geänderten Übersetzung des zweiten Gangs übernommen und die Bremsanlage besteht aus hydraulischen Trommelbremsen. Fahrer- und Beifahrertür verfügen über Schiebefenster mit Knebelrasten. Zusätzlich gibt es auf beiden Seiten schmale Ausstellfenster, durch die der Fahrtwind in die Kabine strömt. Der Laderaum mit den zwei Flügeltüren an der Seite ist komplett fensterlos und das Armaturenbrett aus Blech ebenfalls spartanisch ausgerüstet. Viel mehr als Tacho und Lichtschalter gibt es nicht. Die Fahrtrichtung wird zunächst mit seitlich ausklappbaren Winkern angezeigt, bevor der Blinker Einzug hält. In der Anfangszeit ist der T1 nur in Taubenblau oder grundiert lieferbar. Mit 5.850 DM kostet das Auto nur wenig mehr, als ein voll ausgestatteter Käfer.

VW Bulli dIn den Wirtschaftswunderjahren zählen Tragkraftspritzenfahrzeuge auf Basis des VW Transporters zur Standardausrüstung der Feuerwehren auf dem Land.

VW Bulli eVW T1(Bj. 1967) als Mannschaftstransporter…

VW Bulli f… mit neun Sitzplätzen.

VW Bulli gDer Boxermotor im Heck leistet 44 PS.

TSF, DL 10 und TroLF 250 für die Feuerwehr

Nach der Währungsreform im Jahr 1948 wächst die Wirtschaft schnell, die Arbeitslosigkeit sinkt, und die Menschen erleben einen wachsenden Wohlstand. 1956 verlegt VW die T1-Produktion in das neue Volkswagenwerk in Hannover-Stöcken, heute Stammsitz der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN). Der Transporter wird seinerzeit bereits in zahlreichen Varianten gefertigt: Kastenwagen, Pritschenwagen, Pritschenwagen mit Doppelkabine, Kleinbus, Samba-Bus (mit 21 Fenstern und Faltschiebedach), Verkaufswagen, Campingbus und Einsatzfahrzeug für Polizei, Feuerwehr und den Sanitätsdienst. Die Deutsche Bundesbahn lässt den VW Bus sogar als Draisine auf Stahlrädern über Schienen rollen.
Mitte der 1950er-Jahre entsteht das Konzept für ein Tragkraftspritzenfahrzeug mit Truppbesatzung (TSF-T). Bis dahin gibt es in den ländlichen Regionen vor allem Tragkraftspritzenanhänger (TSA) aus den 1930er-Jahren, die von Pferden oder Traktoren gezogen werden. Der Bulli erweist sich einmal mehr als „Alleskönner“; denn der Kleintransporter eignet sich ideal für den Ausbau zum TSF-T. Zur Besatzung gehört ein Löschtrupp (1/2), der allerdings tatsächlich aus vier Wehrleuten besteht. Anders könnte die tragbare Pumpe - hier ist oftmals eine Tragkraftspritze 8/8 (TS 8/8) mit einem luftgekühlten VW-Industriemotor vorhanden – nicht sicher aus dem Auto entnommen werden. Der Sitzplatz für den vierten Mann befindet sich übrigens im Laderaum. Die weitere feuerwehrtechnische Ausrüstung ist für eine Gruppe (1/8) ausgelegt. Auf dem Dach des Fahrzeugs lagert eine 2-teilige Steckleiter.
Der Bulli kommt in weiteren Versionen als Feuerwehrfahrzeug zum Einsatz. So liefert beispielsweise Feuerwehrausrüster Meyer-Hagen (Hagen) 1963 eine handbetätigte Drehleiter 10 (DL 10) auf Basis des VW Pritschenwagens (Leiterlänge: 10 Meter). Das Fahrzeug mit 42 PS (Neupreis: 12.621 DM) erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 105 Stundenkilometern. Es zählt heute zum Oldtimerbestand von Volkswagen Nutzfahrzeuge in Hannover. 1965 beschafft das Pharmaunternehmen Boehringer Mannheim (heute Roche) ein Trocken-Löschfahrzeug (TroLF 250) für die Werkfeuerwehr im Werk Mannheim. Der Volkswagen T1 mit einem Ausbau von Total verfügt über eine Pulverlöschanlage mit 250 Kilogramm BC Pulver, einen fahrbaren Feuerlöscher P50 sowie sechs Feuerlöscher (P12).

VW Bulli hTragkraftspritzenfahrzeug (VW T2) der Betriebsfeuerwehr Arnold André, Zigarren/Zigarillos, Bünde (Bj. 1973). Das Auto zählt heute zum Fahrzeugbestand des Feuerwehrmuseums in Kirchlengern-Häver.

Sieben Generationen

Die zweite Bulli-Generation (1967 – 1979) ist gewachsen, hat große Fensterflächen und eine einteilige Windschutzscheibe. Neu sind beim T2 die komfortablere Fahrerkabine, eine verbesserte Hinterachse und stärkere Motoren mit bis zu 70 PS aus einem Zweiliter-Flachmotor. Der VW T3 (1979 – 1990) bringt mit kantigem Design und innovativer Technik frischen Wind in die Bulli-Welt. 1981 kommt der erste Transporter mit 1,6-Liter-Diesel-Triebwerk (50 PS) und Wasserkühlung auf den Markt. Verglichen mit den „trinkfesten“, luftgekühlten Boxermotoren sinkt der Treibstoffverbrauch um über ein Drittel. Der T4 (1990 – 2003) markiert den Beginn einer neuen Ära. Er ist der erste Bulli mit Frontmotor und –antrieb. Der T5 (2003 – 2015) bietet mit drei Dachhöhen und steileren Karosseriewänden mehr Ladevolumen als sein Vorgänger. Besonders beliebt sind der edle Multivan mit bis zu 235 PS und der California. Der T6 und der T6.1 (2015 – 2024) bauen auf dem bewährten Fundament des T5 auf und setzen in puncto Design neue Akzente.
Zum Start der Nutzfahrzeugmesse IAA Transportation, die im September 2024 in Hannover stattfindet, präsentiert Volkswagen die siebte Generation des Transporters. Der T7 („New Transporter“) ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen VW und Ford. Er wird gemeinsam mit dem Schwestermodell Transit im Ford-Transporterwerk in der Türkei gebaut. Anders als bisher gibt es nun drei parallele Bulli-Baureihen: Den edlen Multivan auf der vom Golf übernommenen PKW-Plattform, den vollelektrischen ID.Buzz, dessen Design sich am Aussehen seines legendären Urahnen anlehnt, und den zuletzt vorgestellten Transporter aus der Kooperation mit Ford. Bei Feuerwehr und Rettungsdienst wird der Bulli auch künftig zuverlässig seinen Dienst versehen: Als Kommandowagen, Mannschaftstransporter, Gerätewagen, Krankenwagen oder Notarzteinsatzfahrzeug.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

Bildunterschriften:

VW Bulli iDer vollelektrische ID.Buzz, hier in der Feuerwehr-Version, gilt als Hoffnungsträger des Volkswagen-Konzerns. Er wird, genauso wie der Multivan, im VW-Werk Hannover produziert.

VW Bulli jBulli-Familie: (v.l.) Multivan, Transporter und ID.Buzz. (Foto: VW Nutzfahrzeuge)