72. DFV-Delegiertenversammlung in Quedlinburg
Quedlinburg/Berlin. Der Zivil- und Katastrophenschutz gewinnt in Anbetracht des Kriegs in der Ukraine und der Veränderungen durch den Klimawandel zunehmend an Bedeutung. Ziel ist es, die Bevölkerung besser vor Katastrophen zu schützen und auf einen möglichen Verteidigungs- oder Spannungsfall vorzubereiten. Die Neuausrichtung des Zivil- und Katastrophenschutzes in Zeiten einer verschärften Sicherheitslage zählte zu den Kernthemen der 72. Delegiertenversammlung des Deutschen Feuerwehrverbandes, die am Wochenende (8.11.2025) in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) stattfand. Am Ende waren sich die Funktionäre aus dem In- und Ausland einig, dass der Bevölkerungsschutz nur gemeinsam gelingen kann. Grenzübergreifend könne man viel voneinander lernen.
154 Delegierte aus dem gesamten Bundesgebiet, Abordnungen aus Frankreich, Österreich und Kroatien, Honoratioren des Weltfeuerwehrverbandes (CTIF) sowie Gäste aus Politik und Wirtschaft hatten sich in der Welterbestadt Quedlinburg (Landkreis Harz) zusammengefunden. Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), kam in seiner Rede auf die gestiegene Gefährdungslage zu sprechen. Er bekräftigte die Position des DFV zum Zivil- und Katastrophenschutz, die unter anderem die Förderung des Selbstschutzes vorsieht. „Jeder ist ein Stückweit selbst verpflichtet, sich zu schützen“, sagte Banse. Er unterstützte erneut die Forderung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, Selbsthilfe bereits in der Schule zu lehren. Hier seien die Feuerwehren mit der Brandschutzerziehung seit Jahren gut vernetzt. „Wird stehen dafür ein, dass Sicherheit, Bildung und gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit Hand in Hand gehen!“
Der Zivil- und Katastrophenschutz steht im Mittelpunkt der 72. Delegiertenversammlung des DFV,
die in Quedlinburg/Sachsen-Anhalt stattfindet.
(Foto: DFV)
DFV-Präsident Karl-Heinz Banse begrüßt die Delegierten und Gäste aus dem In- und Ausland.
(Foto: DFV)
Verteidigung ist eine militärische und zivile Aufgabe
Dr. Tamara Zieschang, Ministerin für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt, geht davon aus, dass die Einsatzzahlen durch Extremwetterereignisse künftig weiter steigen werden. „Im Bereich des Bevölkerungsschutzes sind auf Ebene der Landkreise in den nächsten Jahren viele Investitionen geplant“, erklärte sie. Zur Frage des Einsatzes der Feuerwehren im Zivilschutz, also im Verteidigungs- oder Spannungsfall, forderte sie mehr Klarheit zu Aufgabenumfang und Personalfragen - wie etwa der Mehrfachverwendung. „Die Innenministerien sind bei den großen Herausforderungen, die anstehen, auf kluge Ratgeber des Deutschen Feuerwehrverbandes und der Landesfeuerwehrverbände angewiesen“, erklärte die Ministerin weiter.
Durch die veränderte Lage in der Welt rücke der Zivilschutz weiter ins Blickfeld, sagte Dr. Christoph Hübner, stellvertretender Leiter der Abteilung Krisenmanagement im Bundesinnenministerium. Verteidigung sei nicht nur eine militärische, sondern auch eine zivile Aufgabe – und da seien große Aufgaben viele Jahre lang liegengeblieben. „Das ist mittlerweile angekommen!“, sagte Hübner. Er gab zu bedenken, dass die Feuerwehren von den final verfünffachten Haushaltsmitteln des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) profitieren würden. „Das ist ein Pakt für den Bevölkerungsschutz“, so Hübner.
Die Bundeswehr setzt im Verteidigungs- oder Spannungsfall auf „maximale zivile Unterstützung“ durch die „Blaulichtorganisationen“ und die Wirtschaft. Verfahren, Abläufe und Zuständigkeiten sind im 1000-seitigen Operationsplan Deutschland (OPLAN DEU) festgehalten. Dessen Inhalt ist allerdings geheim, da er sicherheitsrelevante Details, wie die genaue Planung und Koordination militärischer und ziviler Maßnahmen im Verteidigungs- oder Spannungsfall, enthält.
Die Feuerwehren müssten sich ihrer besonderen Rolle gegenüber dem Staat und der Bevölkerung bewusst sein, meinte DFV-Präsident Banse mit Blick auf den OPLAN DEU. Ohne kommunale Feuerwehren seien Bundesaufgaben, wie der Zivilschutz und die zivile Verteidigung, nicht zu schaffen. Er regte daher auch vor dem Hintergrund der angespannten finanziellen Situation an, 0,1 Prozent des Aufkommens der Feuerschutzsteuer für die Feuerwehren in Deutschland zur Verfügung zu stellen, um den durch das föderale System zu bewältigenden Aufgaben Rechnung zu tragen. „Wir haben hier auch eine Erwartungshaltung an den Bund.“ Die Feuerschutzsteuer ist eine Steuer, die auf Versicherungsprämien für Feuerversicherungen erhoben wird.
Dr. Alexander Beck, DFV-Experte für Cybersicherheit, gab im weiteren Verlauf der Delegiertenversammlung einen beeindruckenden Einblick in die hybriden Gefahrenlagen. Die Auswirkungen solcher Angriffe reichten von finanziellen Schäden bis hin zum Vertrauensverlust in die Sicherheitsarchitektur. „Die Cybersicherheit bei den Feuerwehren ist bundesweit unstrukturiert, während sich die Bedrohungen weiterentwickeln“, warnte der Experte.
Delegation aus NRW. (Foto: DFV)
Auf europäischer Ebene Stärke zeigen.
Das EU-Katastrophenschutzverfahren RescEU ist eine Initiative der Europäischen Union zur Stärkung des gemeinsamen Katastrophenschutzes in Europa. So hatte Spanien im August 2025 wegen verheerender Waldbrände um EU-Hilfe im Rahmen des RescEU-Programms gebeten. „Wenn sich die Folgen des Klimawandels weiter fortsetzen, ist die europäische Zusammenarbeit wichtiger denn je“, erklärte Karl-Heinz Banse. Der DFV-Präsident hob in diesem Zusammenhang die Bedeutung des neu gegründeten Verbandes der Feuerwehren in der Europäischen Union hervor (Redaktion: kfv-herford.de berichtete). Das starke, grenzübergreifende Netzwerk der Feuerwehren und ihrer Verbände zeigte sich in Quedlinburg: Milan Dubravac, Präsident des Weltfeuerwehrverbandes CTIF, bekräftigte den Ansatz, geopolitische Herausforderungen im Bereich des Zivilschutzes und der zivilen Verteidigung gemeinsam anzugehen. „Die engen deutsch-französischen Beziehungen waren die Keimzelle des Verbandes der Feuerwehren in der Europäischen Union“, erinnerte Armand Jung, Vertreter des Französischen Feuerwehrverbandes. Er untermauerte, dass mit einem gemeinsamen Ausbildungskonzept internationale Kräfte bei großen Katastrophen effektiver eingesetzt werden könnten.
Quedlinburgs Oberbürgermeister, Frank Ruch, richtete seinen Blick auf den Feuerwehrnachwuchs. „Tugenden, die schon Kinder und Jugendliche vermittelt bekommen, tragen die Gesellschaft.“ Im Vorfeld der Delegiertenversammlung fand ein ökumenischer Gottesdienst in der Marktkirche St. Benedikti Quedlinburg statt. Dr. Frank Conrads, Pastor und DFV-Bundesbeauftragter für Feuerwehrseelsorge, gestaltete den Gottesdienst. „Bei aller Verschiedenheit und auch, wenn wir uns nicht immer in allem einig sind: Unser Dienst ist ein Zeichen der Hoffnung und der Menschenwürde“, sagte der Seelsorger. Bereits am Freitag waren die Delegierten auf Einladung des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen-Anhalt zu einem Länderabend auf Schloss Blankenburg (Landkreis Harz) zusammengekommen. (DFV, Redaktion: kfv-herford.de)
-Vo-