Früher Prachtbau, heute Brandruine

Mystische Gründerzeitvilla steht in Vlotho in Flammen; wird das Denkmal  jetzt abgerissen?

Großeinsatz für die Feuerwehr Vlotho Anfang April: Innerhalb von drei Tagen brannte die verfallene Schöningsche Villa am Amtshausberg gleich vier Mal. 60 Einsatzkräfte aus dem gesamten Stadtgebiet waren über Stunden mit den Löscharbeiten beschäftigt. Dennoch wurde das einstige Wahrzeichen der Weserstadt völlig zerstört. Nach ersten vorsichtigen Schätzungen dürfte ein Sachschaden von rund 250.000 Euro entstanden sein. Vermutlich wurden die Brände in dem seit Jahren leer stehenden Gebäude vorsätzlich gelegt.  
 

Am Mittwoch nahm die unheimliche Serie ihren Anfang. Da brannte es im Erdgeschoss der Gründerzeitvilla an der Weserstraße. Hier hatte ein Unbekannter Unrat angezündet. Die Feuerwehr hatte die Lage schnell im Griff. Gegen 22 Uhr drang dann erneut Rauch aus dem Gebäude.  Jetzt brannte ein Teil des Dachgeschosses im Hangbereich.  Der Löschzug Vlotho befand sich zum Zeitpunkt der Alarmierung auf dem Rückweg von einem Hilfeleistungseinsatz. Die Wehrleute waren dadurch schnell vor Ort und konnten wiederum schlimmeres verhindern.  Einsatz Nummer drei folgte einen Tag später. Da schwelte es an anderer Stelle in einer Zwischendecke. Die Blauröcke entfernten kurzerhand die Deckenverkleidung und löschten die Flammen.  Am Freitag ereignete sich schließlich der  folgenschwerste Brand.
 
 
Der erste Notruf erreichte die Kreisleitstelle um 8:15 Uhr. Innerhalb weniger Minuten folgten  dutzende weiterer Anrufe. Denn das Schieferdach der  Villa Schöning stand im vorderen Bereich in Flammen.  Brennende Teerpappe sorgte für eine schwarze Rauchsäule. Als die ersten Einheiten vom Löschzug Vlotho an der Weserstraße eintrafen, kam es wahrscheinlich zu einer Rauchgasdurchzündung. „Danach stand das gesamte Dachgeschoss im Vollbrand“, berichtete Torsten Sievering, Leiter der Feuerwehr Vlotho. Die Alarmstufen seien daher zweimal kurz hintereinander erhöht worden. Probleme bereitete den Einsatzkräften vor allem die extreme Hanglage der Einsatzstelle. So wurde die Residenz an der Ostseite des Amtshausbergs direkt oberhalb des Vlothoer Bahnhofs errichtet. „Der Höhenunterschied beträgt fast 30 Meter“, so Wehrführer Torsten Sievering - „und eine direkte Zufahrt gibt es nicht.“  Für die Wehrleute bedeutete das viel Arbeit. So wurde sofort eine 500 Meter lange Schlauchleitung zum nächsten Hydranten an der Weserstraße verlegt und das Löschgerät den Berg hinauf geschafft. Außerdem wurde ein Pendelverkehr mit Tanklöschfahrzeugen eingerichtet, um die Wasserversorgung sicherzustellen. 
 
 
Wenig später positionierten sich die ersten Trupps auf der Sonnenterrasse an der Gebäuderückseite. Von hier aus wurden mit B- und C-Rohren die ersten Löschmaßnahmen eingeleitet. Ein weiterer Einsatzabschnitt wurde an der linken Gebäudeseite  gebildet. Außerdem leistete die neue Drehleiter (DLK 23/12)  wertvolle Dienste. So konnte vom Leiterkorb aus mit dem Wenderohr  der vordere Dachbereich abgelöscht werden.  Ein Innenangriff war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich, da immer wieder Teile der Dach- und Deckenkonstruktionen herabstürzten. Aus diesem Grund war vorsorglich ein Rettungswagen zur Einsatzstelle beordert worden.  Torsten Sievering: „Die Kräfte mussten sich aufgrund der Einsturzgefahr weiter zurückziehen.“  Um 10:55 Uhr konnte der Einsatzleiter schließlich „Feuer unter Kontrolle“ melden. Die Nachlöscharbeiten dauerten jedoch noch den ganzen Tag hindurch. Letzte Brandnester wurden  mit Schaummittel abgedeckt. Erst am Abend kehrten die letzten Einheiten zu den  Standorten zurück. Sämtliche Decken des einst stattlichen Gebäudes sind durch das Feuer  einsturzgefährdet. Das Bauordnungsamt des Kreises sperrte daher den Bereich um die Brandruine weiträumig ab.
Jetzt wird ein Abriss des Gebäudes, das sich im Besitz einer Erbengemeinschaft befindet,  in Erwägung gezogen. Dazu müsste allerdings das Amt für Denkmalpflege in Westfalen, das in Münster seinen Sitz hat,  die Genehmigung erteilen.
 
 
Die Schöningsche Villa war einst ein herrschaftliches Anwesen. Zigarrenfabrikant Wilhelm Schöning ließ den Prachtbau im Jahr 1898 vom Herforder Architekten Wilhelm Köster errichten. Doch der Glanz vergangener Tage war schon vor der Brandserie verflogen.  In letzter Zeit hatte der mystische Bau mit seinen mächtigen Eingangssäulen, Türmchen und Dachgauben Okkultisten angezogen. Von Schwarzen Messen und ähnlichen pseudoreligiösen Feiern zur Mitternachtsstunde wird in der beschaulichen Kleinstadt berichtet. Im Juli 2009 war die „Geistervilla“ schon einmal in den Schlagzeilen. Damals stürzte ein 14-Jähriger vier Meter in die Tiefe, weil der marode Fußboden plötzlich nachgab. Ein „guter Geist“ beschützte damals den Jungen. Der hatte sich nämlich nur leicht verletzt und wurde von der Feuerwehr  gerettet.  

Eingesetzte Kräfte

Vlotho-Mitte (Zug):
Löschgruppenfahrzeug (LF 24), Tanklöschfahrzeug (TLF 24/50), Drehleiter (DLK 23/12), Rüstwagen (RW 1), Wechselladerfahrzeug (WLF), Mannschaftstransportwagen (MTW)
Bonneberg:
Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF-W), Mannschaftstransportwagen (MTW)
Steinbründorf:
Löschgruppenfahrzeug (LF 8/6), Mannschaftstransportwagen (MTW)
Uffeln:
Tanklöschfahrzeug (TLF 16/25), Staffellöschfahrzeug (StLF 10/10)
Wehrführung:
Einsatzleitwagen (ELW)
Rettungsdienst:
1 Rettungswagen (RTW)
Sonstige:
DRK Vlotho, Polizei Vlotho und Bünde, Ordnungsamt, Bauaufsicht



Von Jens Vogelsang
(Fotos: Vlothoer-Zeitung)