Führungsstab aus dem Kreisgebiet setzt nach Katastrophe rund 4.300 Helfer in Marsch

Simulationsübung an der Bundesakademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler  (11.06.12-15.06.12)

P1030545Kommt es zu einer Naturkatastrophe oder einem Unfall mit vielen Verletzten, kann der Landrat das Großschadensereignis ausrufen. In einem solchen Fall tritt der Führungsstab der Feuerwehr zusammen. Er arbeitet mit den übrigen Hilfsorganisationen und der Polizei eng zusammen. Die „Kreiseinsatzleitung“ aus der Heimat führte erst jüngst eine Schulung an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Rheinland-Pfalz durch. Den Wehrleuten wurde dabei eine anspruchsvolle Simulationsübung „präsentiert“: Sie mussten das Elbehochwasser „abarbeiten“, das vor einigen Jahren in Sachsen wütete. Die Leitung hatte der stellvertretende Kreisbrandmeister Bernd Kröger.

Die AKNZ in Bad Neuenahr-Ahrweiler ist eine Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die zum Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gehört. „Führungskräfte des Zivil- und Katastrophenschutzes werden hier geschult“, erläutert Bernd Kröger. Die Bewältigung von Großschadenslagen setze schließlich eine Führungsorganisation voraus, die in der Lage sei, die richtigen Einsatzkräfte zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben und deren Arbeit sinnvoll zu koordinieren. Die Aufgaben innerhalb des Führungsstabes sind genau festgelegt. Während beispielsweise das Sachgebiet 1 für das Personal, also die Bereitstellung der benötigten Einsatzkräfte zuständig ist, kümmern sich die übrigen Sachgebiete um die Lagefeststellung und Einsatzbeurteilung, die Versorgung, Kommunikation und Medienarbeit. Hinzu kommen weitere Fachberater, beispielsweise vom Technischen Hilfswerk oder der Bundeswehr, die an der Simulationsübung in Bad Neuenahr-Ahrweiler ebenfalls teilnahmen.

Torge Brüning, stellvertretender Leiter des Löschzugs Hiddenhausen Schweicheln-Bermbeck, ist erstmals mit dabei. Er gehört zum Sachgebiet 2 (Lage) von Bernhard Rose (Bünde) und muss die Lagekarte führen.  „Ausgangssituation der Simulation ist das Elbehochwasser, das sich im August 2002 in Sachsen ereignete“, sagt Brüning. Damals lösten starke Regenfälle im Erz- und Riesengebirge schwere Überschwemmungen und verheerende Schlammlawinen aus. In Deutschland waren vor allem das mittlere und östliche Erzgebirge betroffen. Schuld war das sommerliche Tiefdruckgebiet „Ilse“. 21 Menschen verloren damals in Sachsen ihr Leben. Allein an der Dresdner Semperoper entstanden Schäden von 27 Millionen Euro. Torge Brüning beschreibt die Situation für den Führungsstab wie folgt:  „Im Weißeritzkreis sind seit einigen Tagen schwere Regenfälle niedergegangen. Die Meteorologen warnen vor bis zu 300 Liter pro Quadratmeter in der Stunde. Alle Flusspegel steigen dramatisch an. In dem Gebiet sind drei Talsperren vorhanden. Sie drohen nun überzulaufen. Straßenverbindungen sind unterbrochen: Das Unwetter hat Brücken weggerissen und Straßen unterspült. Bei einem weiteren Anstieg der Pegelstände, so wird befürchtet, könnten Krankenhäuser und Altenheime von Überflutungen betroffen sein. In Teilen des Kreises kommt es zum Stromausfall. Telefonverbindungen sind gestört. Das Einsatzgeschehen wird noch weiter dramatisiert: So ist in Freital bei Dresden eine Open-Air-Veranstaltung mit bis zu 5.000 Personen im Gange.“

Nach einer Einweisung in das Übungsgeschehen gehen Bernd Kröger und seine Führungsmannschaft an die Arbeit. Sie verschaffen sich einen Überblick  und versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen. Doch die „Schreckensmeldungen“ reißen nicht ab. Während der laufenden Übung werden nämlich weitere Szenarien eingespielt. So muss „ganz nebenbei“ noch ein Gefahrgutunfall abgearbeitet werden. Und auch auf dem Festivalgelände in Freital spitzt sich die Lage plötzlich zu. Hier ist es zu einem Blitzeinschlag mit 500 Verletzten gekommen. 3.500 Menschen könnten betroffen sein. Außerdem steigt das Hochwasser der Elbe und ihrer Nebenflüsse weiter an. Die Evakuierung eines Krankenhauses erscheint unvermeidbar. Sie wird am darauf folgenden Tag eingeleitet. Ein Verkehrskonzept muss erstellt werden, da viele Straßen nicht mehr passierbar sind. Der Führungsstab wird vor immer neue Herausforderungen gestellt. So laufen die Talsperren mittlerweile über. Außerdem stellen Experten vor Ort die Verschiebung einer Staumauer fest. Die Mitarbeiter im Stab veranlassen weitere Evakuierungen. Kurz vor Ende der Übung kommt es schließlich noch zu einem Unfall zwischen zwei Reisebussen. Von den 120 Passagieren, meist Jugendliche aus England, werden über 50 verletzt. Nachdem auch dieser Schadensfall mit Einsatzkräften versorgt ist, endet die Übung am Donnerstagnachmittag.

Eine Woche lang war der Führungsstab aus dem Kreis Herford an der Bundesakademie in Bad Neuenahr-Ahrweiler „im Einsatz“. Torge Brüning zeigte sich vom Umfang der Stabsübung überrascht. „Ich hatte wirklich alle Hände voll zu tun, um die Lagekarte auf dem Laufenden zu halten“, so der Brandinspektor. Insgesamt kamen während des „Höllenszenarios“ rund 4.300 fiktive Helfer zum Einsatz. Am Ende fiel das Fazit der Seminarteilnehmer durchweg positiv aus. Die Zusammenarbeit der Sachgebiete und die Einbeziehung der Fachberater hätte gut geklappt, lautete die einhellige Meinung.

Die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz ist heute die zentrale Aus- und Fortbildungseinrichtung des Bundes im Bereich des Bevölkerungsschutzes. Die Einrichtung unterstützt dabei gleichzeitig die Länder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, die sich aus dem Katastrophenschutz ergeben. Im Bereich Ausbildung liegt das Angebot derzeit bei jährlich etwa 500 Seminaren mit rund 12.000 Teilnehmern.

Zurzeit wird in Hiddenhausen-Eilshausen die neue Feuerwehrleitstelle des Kreises Herford errichtet. Im Erdgeschoss des Gebäudes wird eine separate Abteilung für die Stabsarbeit entstehen, die mit modernster Technik ausgestattet werden soll. „Die Schulung in Ahrweiler war deshalb eine gute Vorbereitung für die Arbeit im eigenen Stabsraum“, sagt Bernd Kröger. Im kommenden Jahr soll noch weiteres Führungspersonal an der Akademie in Rheinland-Pfalz geschult werden. Zuletzt waren Mitglieder des Führungsstabes im Dezember 2011 im Realeinsatz. Sie unterstützten die örtliche Einsatzleitung in Rödinghausen nach einer Hausexplosion.

Von Jens Vogelsang
Mitarbeit: Torge Brüning (LZ Schweicheln-B.)
 

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Vor der Abfahrt an der Kreisfeuerwehrzentrale (Foto: T. Brüning)

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Das Elbehochwasser führte im Jahr 2002 im heutigen Landkreis Sächsische
Schweiz-Osterzgebirge zu chaotischen Zuständen. (Foto: © Hawedi)

 

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Die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
(Foto: © A. Berger, Johanniter Auslandshilfe Berlin/Brandenburg)

 

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Blick in den Stabsraum. (Foto: T. Brüning)

 

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Der Führungsstab wird vor immer neue Herausforderungen gestellt. (Foto: T. Brüning)

 

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Stellv. KBM Bernd Kröger (l) im Gespräch mit seinen Mitarbeitern. (Foto: T. Brüning)

 

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Obligatorisches Gruppenfoto zum Abschluss (Foto: T. Brüning)