Arbeitsgemeinschaft sieht Handlungsbedarf bei Euro-6-Norm
Düsseldorf/Kreis Herford. Die Abgasnorm Euro 6 bereitet der Feuerwehr weiterhin Probleme. Experten meinen, dass die Kilometerleistung der meisten Einsatzfahrzeuge viel zu gering sei, damit die Nachbehandlung der Abgase sicher funktioniere. Sie haben daher Zweifel am ökologischen Nutzen der Technik bei Blaulichtfahrten. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW hat am 17. Juli 2015 mit einer Stellungnahme reagiert. Darin fordert sie vom Landesverkehrsministerium, dass die Ausschreibung von Löschwagen weiterhin nach der alten Abgasnorm Euro 5 erfolgen darf. Christoph Schöneborn, Geschäftsführer des Verbandes der Feuerwehren NRW (VdF NRW), begrüßt die Initiative ausdrücklich.
Alarm für den Löschzug: Die kalten Motoren der Autos laufen für wenige Minuten auf Höchstleistung. Solche extremen Kurzstreckenfahrten sind nach Meinung von Fachleuten
„Gift“ für das Euro-6-Abgasreinigungssystem. Das NRW-Verkehrsministerium soll daher die Ausschreibung von neuen Feuerwehrwagen nach der alten Euro-5-Norm generell weiterhin zulassen. (Foto: VdF NRW)
Eigentlich müssen alle neu entwickelten LKW-Modelle, die von den Herstellern ab 2013 auf den Markt gebracht und seit Januar 2014 im Straßenverkehr zugelassen wurden, die Euro-6-Abgasnorm erfüllen. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW, Vertreter des Städtetags, Landkreistags und Städte- und Gemeindebundes sind darin vertreten, hält die neue Norm grundsätzlich für einen wertvollen Beitrag zur Luftreinhaltung. Mit Euro 6 werden die Grenzwerte für LKW bei Partikeln um etwa 67 Prozent und bei Stickstoffoxiden sogar um 80 Prozent gegenüber Euro 5 gesenkt. Doch die Wirkungsweise der neuen Technik, die Mehrkosten von etwa 10.000 Euro verursacht, ist bei den Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr umstritten.
Normalerweise erfolgt die regelmäßig notwendige Regeneration der Partikelfilter des Euro-6-Systems automatisch während der Fahrt. Dazu müssen Motor und Abgasreinigungsanlage aber zunächst ihre Betriebstemperatur erreichen, und das ist regelmäßig erst nach einer längeren Fahrtstrecke der Fall. Während des Regenerationsprozesses selbst müssen ebenfalls bestimmte Last- und damit Temperaturbedingungen erhalten bleiben. Im Güterverkehr funktioniert dieses System offensichtlich problemlos und soll sogar Diesel sparen. „Betrachtet man die Gesamtkosten für Kraftstoffverbrauch und Maut, fährt das Euro-6-Fahrzeug pro Jahr um rund 5.600 Euro günstiger. Durch die Einsparungen haben sich die höheren Anschaffungskosten bereits innerhalb der ersten zwei Jahre amortisiert“, sagt ein Sachverständiger der Dekra, der eine Jahresfahrleistung von 140.000 Kilometern zugrunde legt.
Die Betriebsbedingungen von Feuerwehrautos sind damit allerdings nicht vergleichbar. Im Einsatzfall müssen die Wehrleute innerhalb weniger Minuten vor Ort sein. Kurzstreckenfahrten unter Volllast mit kaltem Motor bestimmen den harten Alltag eines Lösch-Trucks. Bei vielen kleineren freiwilligen Feuerwehren kommen auf diese Weise im Verlaufe eines Jahres nicht einmal 1.000 Kilometer zusammen. Die Nutzfahrzeughersteller halten sich bedeckt, wie schnell dies zu Problemen bei der Euro-6-Abgasreinigung führen kann. Experten befürchten allerdings, dass das System durch die extremen Kurzstreckenfahrten schon nach kurzer Zeit verstopfen könnte. Dann müssten die Wehrleute unter Umständen ziellos durch die Gegend fahren, um den Fahrzyklus zur automatischen Abgasregeneration zu erreichen und die Anlage „frei zu pusten“. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände weist in ihrem Schreiben an das Ministerium darauf hin, dass im schlechtesten Fall alle 400 Kilometer eine Regeneration durch Ausbrennen der Abgasanlage im Stand über circa 45 Minuten bei 1.600 Umdrehungen und entsprechendem Kraftstoffverbrauch nötig sei.
Bisher sieht ein Runderlass des NRW-Verkehrsministeriums, der aus Juni 2013 datiert, Ausnahmegenehmigungen von der Euro-6-Norm bei Spezialfahrzeugen bis zum Zulassungsdatum 31. Dezember 2016 vor. Allerdings nur, wenn in jedem Einzelfall der Beweis geführt wird, dass die Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Die Arbeitsgemeinschaft fordert vor diesem Hintergrund eine ökologisch sinnvolle und pragmatische Lösung. Entscheidend dafür wäre, wenn die „Beweisführungspflicht“ entfalle und Ausschreibungen von neuen Feuerwehrfahrzeugen bis auf weiteres wieder nach Euro 5 möglich wären. In anderen Bundesländern, wie beispielsweise Rheinland-Pfalz und Hessen, sei die Zulassung nach der alten Norm bereits generell weiterhin möglich – und zwar ohne dass dafür der Feuerwehr Einzelfallprüfungen zur Auflage gemacht würden, heißt es in dem Papier, das Redaktion: kfv-herford.de vorliegt.
Der Mehrpreis von rund 10.000 Euro für eine Euro-6-Abgasanlage ist durch die hohen Entwicklungskosten und die aufwendige „Hardware“ begründet. Im Fall des R 480 Euro 6 von Scania kommen dafür Turbolader mit variabler Geometrie, einstufige Abgasrückführung und Abgasnachbehandlungssystem mit Oxidationskatalysator, Partikelfilter, zwei SCR-Katalysatoren und zwei Ammoniak-Schlupfkatalysatoren zum Einsatz. Im Vergleich dazu beschränkt sich die Abgasreinigung des Euro-5-Motors auf nur wenige Bauteile: Ein variabler Lader und eine zweistufige Abgasrückführung. Die übrige Motortechnik der beiden Sechszylinder unterscheidet sich nur wenig. Die umfangreiche Euro-6-Technik und der Tank mit dem Adblue-Zusatzstoff, der für die Abgasnachbehandlung ebenfalls benötigt wird, zehren außerdem an der Nutzlast. Ein Zuschlag von 200 Kilogramm beim Leergewicht muss damit in Kauf genommen werden. Das hat für die Wehrleute einen zusätzlichen Nachteil: Sie dürfen weniger feuerwehrtechnische Beladung mit an Bord nehmen, damit das zulässige Gesamtgewicht nicht überschritten wird. (Redaktion: kfv-herford.de)
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