Nach 34 Jahren ein neues Gerät.

DLK 23/12 aus Ulm in Hiddenhausen eingetroffen

Hiddenhausen. Auf diesen Moment haben die Feuerwehrleute aus Hiddenhausen lange warten müssen. Am vergangenen Freitag (20.11.2015) war es endlich soweit. Die neue Drehleiter der Wehr rollte aus Ulm (Donau), dort wo das Traditionsunternehmen Magirus seinen Sitz hat, in die Großgemeinde.  Rund 500.000 Euro wurden für das moderne Rettungsgerät investiert.  Die alte Leiter, die mit über 30 Jahren ein biblisches Einsatzalter erreicht hat, kann nun ausgemustert werden.

 

 
Die neue Drehleiter der Feuerwehr Hiddenhausen ist eine DLK 23/12. Sie wurde von
     Magirus in neuem Design ausgeliefert. Augenfällig ist der hochgezogene Geräteraum
     1/2, direkt hinter der Fahrerkabine. … (Foto: Mario Daume, FW Hiddenhausen)

 
… Er bietet ausreichend Platz für die Schleifkorbtrage (links oben) und
     Aufnahmevorrichtung für die Krankentrage (links unten).


Hiddenhausens Wehrführer Mario Daume hat sein Urteil bereits gefällt. „Schon nach 15 Minuten habe ich gemerkt, wie angenehm sich die moderne Technik bedienen lässt“, schildert er seine ersten Erfahrungen mit der neuen Leiter. Die DLK 23/12, so die offizielle Typbezeichnung des Einsatzfahrzeugs, ist das Drehleiter-Standardmodell bei der Feuerwehr.  Sie kann zur Menschenrettung und Brandbekämpfung bis zu einer Höhe von 23 Metern eingesetzt werden. Das entspricht in etwa dem siebten Stockwerk eines Gebäudes.  Das neue Hightech-Gerät der Hiddenhausener Wehr basiert auf einem Atego-Fahrgestell von Mercedes-Benz mit 290 PS („Blue Tec 5“). Magirus hat den 15-Tonner als eines der ersten Fahrzeuge im neuen Drehleiter-Design ins Wittekindsland ausgeliefert.  Das betrifft vor allem die optimierten Geräteräume, ergonomisch gestalteten Aufstiegstreppen auf das Podest mit dem Drehgestell sowie das Fahrzeugheck,  wo Funktions- und Warnelemente in „neuem Look“ vereint wurden.


Geht es um die Rettung von Menschen, ist die Drehleitertechnik von entscheidender Bedeutung. Und die kann bei der neuen Magirus-Leiter überzeugen.  Wurde das alte Gerät der Feuerwehr Hiddenhausen noch elektromagnetisch per Relais gesteuert,  läuft beim neuen Modell alles elektronisch per Computer.  Auftretende Schwingungen des ausgefahrenen Leiterparks, wie sie beispielsweise durch Windböen vorkommen können,   erkennt der Rechner schon im Ansatz. Sie werden in Sekundenbruchteilen  durch hydraulisches Gegensteuern gedämpft.  Das Abstützsystem der DLK 23/12 arbeitet ebenfalls mit Computerunterstützung. Können die vier Abstützungen einsatzbedingt nur in unterschiedlicher Breite ausgefahren werden, ermittelt das Programm automatisch die höchstmögliche Ausladung für den Leiterpark. Das Abstützsystem hält den 14-Tonner auch auf schwierigem Gelände in der Waagerechten. Niveauunterschiede bis zu 70 Zentimetern können durch die ausgefeilte Elektronik ausgeglichen werden.  


Das Fahrzeug basiert auf einem Atego 1529 von Mercedes-Benz.


Die Steuerung der Drehleiter erfolgt vom Hauptbedienstand aus, der sich am Drehkranz befindet. Hier hat an diesem Abend Marco Ruschhaupt Platz genommen. Der Brandmeister scheint von der neuen Technik fasziniert zu sein. Mit zwei Joysticks steuert er die Leiterbewegungen. Eine   Seilwinde fährt den lasergeschweißten Leitersatz auf 23 Meter aus.  Auf einem schwenkbaren Display behält Ruschhaupt alle Funktionen im Blick. Per Gegensprechanlage hält er Kontakt zur Mannschaft im Rettungskorb an der Leiterspitze.  Den Platz des Drehleitermaschinisten hat Magirus weiter verbessert. Der Sitz verfügt jetzt über eine Heizung und neigt sich abhängig vom Aufrichte-Winkel der Leiter auf bis zu 20 Grad nach hinten.  Der Fußschalter für den Öldruck, mit dem das Drehgetriebe in Betrieb gesetzt wird, ist mit der Sitzplattform verbunden und folgt ebenfalls der Leiterbewegung.


Das neue Prunkstück der Feuerwehr Hiddenhausen ist mit dem Vier-Personen-Rettungskorb RC 400 von Magirus ausgerüstet. Der hat eine maximale Nutzlast von 400 Kilogramm,  verfügt über einen Bedienstand in der Korbmitte,  seitlich wegklappbare Falttüren und einen doppelten Boden. In der „Zwischendecke“ befindet sich die Zuleitung für den Wasserwerfer, der auf eine der beiden   Multifunktionssäulen aufgesteckt wird.  Bis zu 2.500 Litern pro Minute können auf diese Weise aus dem Korb der Drehleiter abgegeben werden. Auf die gleiche Weise lassen sich weitere Bauteile bzw. Einsatzmittel am Korb befestigen. In Hiddenhausen zählen dazu unter anderem die Aufnahmevorrichtung für die Krankentrage mit einer Lastaufnahme von bis zu 270 Kilogramm,  die Aufnahmeplattform für den elektrischen Lüfter und das Magirus Safety-Peak, das für Rettungsaktionen aus der Luft mit der Schleifkorbtrage konzipiert wurde.  Die Energieversorgung wird über einen Stromerzeuger mit einer Leistung von 13 kVA sichergestellt, der am Drehgestell fest installiert ist. Er lässt sich sowohl vom Hauptbedienstand als auch vom Rettungskorb aus starten.  

 


Marco Ruschhaupt steuert die Drehleiter vom Hauptbedienstand aus mit zwei Joysticks.


 … Auf einem ausschwenkbaren Display überwacht er die Funktionen.


Die Magirus-Leiter verfügt über ein ausgefeiltes Beleuchtungssystem, das  in erster Linie der Sicherheit dient.  Die Heckwarnanlage zur rückwärtigen Absicherung besteht aus einem LED-Lichtband, das mit sechs orangefarbenen und zwei äußeren blauen Blitzlichtern über die volle Breite verläuft.  Das gesamte Podest und die Aufstiegsleitern sind ebenfalls an den Rändern mit LED-Lichtbändern versehen.  Die leistungsstarken und blendfreien Lichteinheiten sorgen außerdem in den sechs Gerätefächern dafür, dass die Ausrüstung sicher entnommen werden kann. In der Front des Rettungskorbs sind LED-Strahler integriert. Außerdem gibt es zwei weitere Xenon-Scheinwerfer, die seitlich daran montiert sind.   
In Ulm seien fünf Maschinisten auf der neuen Drehleiter geschult worden, berichtet Bernd Gante, Leiter des Löschzugs Eilshausen. Sie geben ihr Wissen nun während der kommenden Dienstabende an die übrigen Kameraden weiter. Gante schätzt, dass die Schulungen Ende Januar abgeschlossen sein werden. Bis dahin rückt die Wehr noch mit ihrer alten, 34 Jahre alten Leiter aus, die noch aus dem Bestand der Kreisfeuerwehrzentrale stammt. Sie wurde im Jahr 2005 noch einmal einer Generalüberholung unterzogen und mit einem klappbaren Rettungskorb ausgerüstet. Doch in letzter Zeit häuften sich die Reparaturen.

 


Der Sitzplatz für den Drehleitermaschinisten passt sich dem Aufrichte-Winkel des Leiterparks an.


Kreisbrandmeister Wolfgang Hackländer und Gemeindebrandmeister a.D. Werner Lohmeyer sind am Freitagabend ebenfalls gekommen. Hackländer lobt in einem Gespräch am Rande die gute Ausrüstung der Feuerwehren im Kreis Herford. In Bünde, Enger, Hiddenhausen, Löhne und Vlotho sind Drehleitern stationiert. In der Hansestadt gibt es einen Teleskopgelenkmast.    Ein älterer Feuerwehrmann wirkt nachdenklich. „Geht die Geschichte der alten DLK 23/12 jetzt zu Ende?“, fragt er. Bernd Gante beruhigt. Eine Werkfeuerwehr habe bereits ihr Interesse an dem betagten Fahrzeug bekundet. Über die Anzahl der Menschen, denen damit in den letzten 34 Jahren das Leben gerettet werden konnte, hat wohl niemand genau Buch geführt.


Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)





Rettungskorb RC 400 an der Leiterspitze: Er ist für eine Nutzlast von 400 Kilogramm
     ausgelegt und verfügt über zwei Multifunktionssäulen. Sie dienen zum Befestigen der
     Krankentrage-Aufnahmevorrichtung und des Monitors für die Brandbekämpfung. …

 


Das Löschwasser wird durch eine Rohrleitung im Korbboden und dann von
     außen über einen formstabilen Schlauch (auf dem Foto nicht angeschlossen) zum
     aufgesteckten Werfer geleitet.

 


Mario Daume erläutert, dass auch die Gerätekiste mit der Motorsäge und …

 


   … das Magirus Safety-Peak für Abseilaktionen mit der Schleifkorbtrage (links im Bild)
     auf den Multifunktionssäulen festen Halt finden.


Der Bedienstand im Korb ist mittig angeordnet.


Der Windmesser (links) warnt den Drehleitermaschinisten am Hauptbedienstand
     vor gefährlichen Wettersituationen. Zeigt die Ampel (rechts) rot, ist die Leiter in Betrieb
     und die Sprossen dürfen nicht betreten werden.  


Fest angebauter Stromerzeuger (13 kVA) und elektrischer Lüfter am Drehgestell.


 Bernd Gante demonstriert das Abstützsystem, das am Heck von zwei Bedienpulten
     aus (für die rechte und linke Seite) gesteuert wird.



Die Heckwarnanlage besteht aus einem LED-Lichtband, das über die gesamte
     Fahrzeugbreite verläuft. Die reflektierende Folien-Beklebung bietet zusätzlichen Schutz.  


LED-Lichtbänder sorgen am Podest und den Aufstiegsleitern für Sicherheit. …

 


 … Genauso wie die Umfeld- u. Geräteraumbeleuchtung. (Das Foto zeigt B-Schläuche
     im Geräteraum 4, die vom Leiterpark beim Ausfahren mit nach oben gezogen werden.)



Da die Blaulichter auf dem Dach von vorne schlecht zu sehen sind, gibt es ein
     zusätzliches LED-Blaulicht im Boden des abgeklappten Rettungskorbs und Front-Blitzer
     im Kühlergrill. (Foto: Nicholas Jost, FW Hiddenhausen)


Die M 32 L mit Folien-Beklebung im „Design Hiddenhausen“ bei der Endabnahme im
     Magirus-Kundenzentrum Ulm (Donau). (Foto: Nicholas Jost, FW Hiddenhausen)


Vor der Abfahrt in die Heimat müssen die Wehrleute noch ein umfangreiches
     Schulungsprogramm absolvieren. (Foto: Nicholas Jost, FW Hiddenhausen)


 Demonstration im Notbetrieb: Die moderne Technik der Leiter könnte notfalls
     beträchtliche Geländeunebenheiten ausgleichen.
(Foto: Mario Daume, FW Hiddenhausen)
 


Die Feuerwehrleute aus Hiddenhausen freuen sich über „ihre“ neue Drehleiter, ...


... die das Vorgängermodell nach 34 Jahren ablöst.
(Foto: M.Ruschhaupt, Fw Hiddenhausen)
       

 


Stichwort: Magirus
Im Jahr 1872 entwickelte Conrad Dietrich Magirus, damals 48 Jahre alt, erfolgreicher Unternehmer und aktiver Feuerwehrmann, die erste freistehende und fahrbare Feuerwehrleiter (Zweirad-Schiebleiter) der Welt. Er revolutionierte damit das Feuerlöschwesen. Aus dem Unternehmen Magirus ging in der Nachkriegszeit die Marke Magirus-Deutz hervor. Heute gehört die Magirus Group zu CNH Industrial mit 71.200 Beschäftigten weltweit. In Ulm, wo sich das „Kompetenzzentrum für Brandschutz“ befindet, konstruieren und fertigen mehr als 1.000 Mitarbeiter das gesamte Spektrum an Feuerwehrfahrzeugen. Viele Produktionsabläufe wurden im Verlaufe der letzten Jahre standardisiert. In der „Drehleitermanufaktur“ werden die   High-Tech-Fahrzeuge allerdings größtenteils noch in „meisterlicher Handarbeit“ gefertigt. Auf der Interschutz 2015 in Hannover präsentierte Magirus erst jüngst die höchste Drehleiter der Welt. Die M68L (Arbeitshöhe 68 Meter) ist das neue Flaggschiff der Ulmer. Sie verfügt über ein Höchstmaß an Stabilität. Möglich wird dies durch die vollständig neu ausgelegte Vario-Abstützung mit einer Abstützbreite von sechs Metern. Erstmals kommt ein siebenteiliger Leitersatz zum Einsatz. Um die Personenrettung aus so großer Höhe zu beschleunigen, stattet Magirus die M68L mit einem Fahrstuhl aus.

-Vo-