Grillvergnügen kann brandgefährlich werden

LNA Dr. Marco Kauling: „Bei einer schweren Verbrennung sofort die 112 rufen!“
 
Stichflamme VOEVKreis Herford. Die Grillsaison 2016 ist trotz Sonne-Wolken-Mix, mäßigen Temperaturen und  gelegentlichen Schauern in vollem Gange.  Doch Vorsicht: Nach den Angaben der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin ereignen sich hierzulande Jahr für Jahr durchschnittlich 4.000 Grillunfälle mit  500 Schwerverletzten. „Leider hantieren noch immer viele Grillfreunde mit Spiritus oder gar Benzin“,  mahnt  Kreisbrandmeister Wolfgang Hackländer.  Dabei ist Grillen ein relativ sicheres Familienvergnügen, wenn ein paar grundlegende Verhaltungsregeln eingehalten werden.

In Rahden (Kreis Minden-Lübbecke) ereignete sich erst kürzlich ein schlimmer Grillunfall. Dabei wurde ein achtjähriges Kind schwer verletzt. Der Junge spielte in der Nähe des Grills, als ein 45 Jahre alter Mann Spiritus in die glühende Holzkohle spritzte. Dabei kam es zu einer Verpuffung und einer etwa zwei Meter hohen Stichflamme. Das T-Shirt des Achtjährigen fing Feuer.  Der Mann zog ihm das   brennende Kleidungsstück sofort aus.  Der Junge erlitt schwere Verbrennungen an den Armen und im Gesicht. Er wurde in eine Spezialklinik nach Hamm geflogen.
 
Explosive Glocke

Der schwere Unfall des kleinen Jungen zeigt  erneut auf eindringliche Weise, Brandbeschleuniger, wie Spiritus, Benzin oder andere hochgefährliche Brennstoffe  dürfen beim Entzünden der Kohle niemals verwendet werden. Ihre Dämpfe, die schwerer als die Umgebungsluft sind, sammeln sich  mit einem Durchmesser von bis zu drei Metern quasi glockenförmig um den Grill. „Ein Funke reicht, um eine Explosion mit einer mehr als 1.000 Grad heißen Stichflamme auszulösen“, sagt Wolfgang Hackländer. Wer in diesem Moment in der Nähe des Grills steht, hat keine Chance. Verbrannt wird, was nicht von der Kleidung geschützt ist: Gesicht, Dekolleté, Arme und Beine. Das sind Körperbereiche, die auch mit aufwendigen Operationen nur schwer wiederherzustellen sind.

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Brandbeschleuniger sind die Hauptursache von Grillunfällen. Sie dürfen niemals verwendet werden;
sonst besteht akute Lebensgefahr. (Foto: Verband öffentlicher Versicherer)

Anzündkamin ist sicher und simpel

Harmlose Anzündhilfen für den Grill, wie Pasten und Zündwürfel, reduzieren das Unfallrisiko deutlich. Sie tragen das Prüfzeichen DIN EN 1860-3 sowie eine Registriernummer der Zertifizierungsorganisation des Deutschen Instituts für Normung (DIN CERTCO).  Die geprüften Anzündhilfen bieten noch einen weiteren Vorteil.  Sie müssen innerhalb von maximal 25 Minuten rückstandsfrei verbrennen. „Schließlich soll das Grillgut ja nach Fleisch, Fisch oder Gemüse schmecken und nicht nach Anzündhilfe“, meint Hackländer.  Um die Holzkohle sicher zum glühen zu bringen, rät er als Alternative zum Anzündkamin. „Der besteht im Grunde genommen nur aus einem Stahlrohr mit Griff und einer gelochten Platte im unteren Teil!“ Darin wird die Kohle mit Papier entzündet, glüht durch den „Kamineffekt“ schnell durch und kann dann auf den Grill geschüttet werden. Elektrische Grillanzünder gelten ebenfalls als sicher. Die Heizspirale wird unter der Kohle oder den Briketts positioniert und sorgt in kurzer Zeit für eine gleichmäßige Glut.

Kippsicher, ohne scharfe Ecken und Kanten

Gas-Grills sind technisch komplexer und bergen besondere Gefahren. „Die Anschlüsse und Schläuche sollten vor jedem Gebrauch auf ihre Dichtigkeit kontrolliert werden“, so Wolfgang Hackländer. Einfach prüfen lasse sich das, indem man sie mit Seifenwasser bestreiche. Bei Undichtigkeit entstehen kleine Blasen.
Sichere Grillgeräte sind ebenfalls am DIN-Prüfzeichen und der CERTCO-Registriernummer zu erkennen. Sie stehen kippsicher und sind frei von scharfen Kanten und spitzen Ecken.  Und noch ein Gesundheitstipp des Kreisbrandmeisters: „Wer auf den typischen Holzkohle-Grillgeschmack nicht verzichten möchte,  sollte zu einem Vertikal-Holzkohlegrill mit seitlicher Feuerstelle greifen!“ Hier „steht“ die Holzkohle in einer senkrechten Glutbox und das Grillgut hängt in Körben davor. Anders als bei herkömmlichen Grills können dadurch Fleischsaft, Fett oder Marinade nicht in die Glut tropfen. Der dadurch entstehende bläuliche Dampf gilt als krebserregend.

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Anzündhilfen mit DIN-Prüfzeichen und Registriernummer garantieren ein sicheres Grillvergnügen. (Foto: TÜV Rheinland)

Der KFV rät:

  1. Niemals Brennspiritus oder Benzin benutzten. Es besteht LEBENSGEFAHR!
  2. Stattdessen mit geprüften Zündhilfen arbeiten!
  3. Kinder über die Gefahren aufklären und am Grill niemals unbeaufsichtigt lassen!
  4. Als Standort einen feuerfesten Untergrund im Freien wählen und ein geprüftes, standsicheres Gerät verwenden!
  5. Ausreichenden Sicherheitsabstand zu allen brennbaren Stoffen einhalten, auf die Windrichtung achten (Funkenflug!) und Löschmittel bereithalten!
  6. Grillhandschuhe ohne Kunstfasern und lange Grillzange benutzen!
  7. Glutreste sorgfältig ablöschen und erst nach vollständiger Abkühlung entsorgen!

Klingt paradox: Bei einer Verbrennung droht Unterkühlung!  

Statistisch gesehen endet jeder achte Grillunfall mit schweren Verbrennungen. Im Notfall muss unverzüglich gehandelt werden: Der Verunglückte ist sofort aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Noch brennende oder glühende Kleiderreste müssen so schnell wie möglich entfernt werden. „Kühlen, kühlen, kühlen“, diese Empfehlung galt lange Zeit bei Verbrennungen.  Dr. Marco Kauling, Leitender Notarzt (LNA) am Klinikum Herford, rät allerdings von der Kühlung großflächiger Verbrennungen ab. Es klingt paradox sagt er: „Wenn man zu kaltes Wasser zu lange über die betroffenen Hauptpartien laufen lässt oder gar Eis verwendet, besteht die Gefahr einer Unterkühlung!“ Eine anhaltende Kühlung mit Leitungswasser, dessen Temperatur bei etwa 20 Grad liegt, soll nach den Erfahrungen des Mediziners nur bei kleinflächigen Brandverletzungen bis etwa fünf Prozent der verbrannten Körperoberfläche erfolgen. Einen guten Anhaltspunkt bietet die Handinnenfläche des Betroffenen, die etwa ein Prozent seiner Hautfläche ausmacht. Die Kühltherapie hilft bei der Schmerzlinderung. Für die verbreitete Ansicht, dass dadurch auch eine Hitzeableitung aus dem Gewebe erreicht wird, gibt es nach Auskunft der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin keinen ausreichenden Nachweis. „Wenn kein schmerzlindernder Effekt mehr da ist, soll deshalb nicht weiter gekühlt werden, um die Gefahr einer Unterkühlung zu vermeiden“, sagt Kauling. Bei bewusstlosen Personen dürfe die Erstmaßnahme aus diesem Grund gar nicht erst durchgeführt werden. Er warnt außerdem davor, Hausmittel, wie Salben oder Gels, aufzutragen. Ein Spezialverband sei ebenfalls nicht erforderlich. „Brandwunden oder Verätzungen können allenfalls großflächig mit einem Brandwunden-Verbandtuch abgedeckt werden!“ Im Einsatzalltag sieht der Notfallmediziner immer wieder Brandverletzte, die von Angehörigen ohne adäquate Erstversorgung direkt in die Notaufnahme gebracht werden. Marco Kauling ist deshalb noch ein weiterer Hinweis besonders wichtig: „Eine schwere Verbrennung ist ein Notfall. Deshalb sollte sofort der Rettungsdienst unter der 112 verständigt werden!“  (Redaktion: kfv-herford.de)

-Vo-

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Einsatz für den Notarzt: 4.000 Grillunfälle ereignen sich Jahr für Jahr.
Etwa 500 Menschen ziehen sich dabei schwere Brandverletzungen zu. (Foto: Archiv KFV Herford)


Die wichtigsten Erste-Hilfe-Maßnahmen noch einmal in Kürze:

  1. Es ist stets auf die Eigensicherung zu achten! Das gilt besonders bei Verbrennungsunfällen mit elektrischem Strom.
  2. Brennende Personen sind mit Wasser oder einem Feuerlöscher abzulöschen. Ist dies nicht möglich, sind die Flammen mit einer Decke oder durch Ausrollen der Person zu ersticken.  
  3. Betroffene Kleidungsstücke und Schmuck müssen unverzüglich entfernt werden. (Verhinderung eines weiteren „thermischen Schadens“). Fest „verbackene“ Kleidungsteile sind zu umschneiden.
  4. Zur Schmerzlinderung kann eine Kühlung mit Leitungswasser, dessen Temperatur bei etwa 20 Grad liegt, erfolgen.
    1. Die Maßnahme ist nur durchzuführen, wenn der Patient über deutliche Schmerzen klagt. Deshalb ist sie bei Bewusstlosigkeit zu unterlassen.
    2. Eine anhaltende Kühlung mit Leitungswasser, etwa bei verzögertem Eintreffen des Rettungsdienstes, soll nur bei kleinflächigen Brandverletzungen (bis etwa fünf Prozent der verbrannten Körperoberfläche) erfolgen. Dies entspricht bei einem Erwachsenen etwa der Fläche des Unterarms.
    3. Die anhaltende Kühlung großflächiger Brandverletzungen ist wegen der Gefahr der Auskühlung zu unterlassen.
    4. Kinder sind besonders schnell von einer Unterkühlung betroffen. Deshalb sollten bei ihnen nur Kühlmaßnahmen im Bereich der Arme und Beine erfolgen.
  5. Jedwede lokale Wundbehandlungen (etwa mit Salben, Gels oder dgl.) sind zu unterlassen.
  6. Brandwunden (oder Verätzungen) können großflächig mit einem sterilen metallbeschichteten Brandwunden-Verbandtuch abgedeckt werden, das locker fixiert wird.  

-Vo-
(Quelle: Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin)

Eine schwere Verbrennung ist ein Notfall. Deshalb sollte sofort der Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 verständigt werden.

Die telefonische Abfrage richtet sich nach den fünf „W-Fragen“:

  1. Wo ist der Unfall passiert?
    Eine genaue Ortsangabe (Ort, Straße, Hausnummer) erspart den Rettungskräften unnötiges Suchen.
  2. Was ist passiert?
    Beschreiben Sie den Notfall in Kurzform. Der Disponent in der Notrufzentrale kann daraus erkennen, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.
  3. Wie viele Verletzte gibt es?
    Die Anzahl der Verletzten ist für die Organisation der Rettungsmittel wichtig.
  4. Welche Arten von Verletzungen liegen vor?
    Weisen Sie auf lebensbedrohliche Situationen besonders hin, damit ein Notarzt zur Unglücksstelle entsandt wird.
  5. Warten auf Rückfragen?
    Legen Sie nicht auf, damit der Disponent in der Notrufzentrale weitere Einzelheiten erfragen kann.

-Vo-