Übungstag der Feuerwehr Hiddenhausen am Institut der Feuerwehr in Münster
Münster/Handorf. Ein „Mann“ steht am Fenster der Wohnung im 2. Obergeschoss und ruft um Hilfe. Rauch und Flammenschein sind zu sehen. Im nächsten Moment ist auch schon die Feuerwehr vor Ort und beginnt mit den Rettungs- und Löscharbeiten. Solche Szenen spielen sich fast täglich in einer der modernsten Übungshallen in Deutschland ab, die am Institut der Feuerwehr in Münster steht. Die Feuerwehr Hiddenhausen hatte erst kürzlich die Möglichkeit, einen ganzen Tag lang darin zu trainieren.
Insgesamt 16 Ehrenamtliche vom Löschzug Schweicheln-Bermbeck nehmen an der Schulung teil. Viele von ihnen sind erst seit kurzem dabei. „Für sie geht es heute darum, Erfahrungen für den Einsatzalltag zu sammeln“, sagt Torge Brüning, der Leiter des Löschzugs. Mit dem Löschgruppenfahrzeug für den Katastrophenschutz, Gerätewagen-Logistik und Mannschaftstransporter machen sich die Wehrleute am Samstagmorgen auf den Weg ins 100 Kilometer entfernte Münster.
Multifunktionaler Gebäudekomplex
Das Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen (IdF NRW) ist mit 150 Mitarbeitern und 300 Internatsplätzen die größte Landesfeuerwehrschule in Deutschland. Für die praktische Ausbildung der Führungskräfte gibt es in Münster-Handorf ein etwa 2,5 Hektar großes Übungsaußengelände und eine riesige Übungshalle. Sie misst eine Grundfläche von 7.000 Quadratmetern und ist zum Teil 30 Meter hoch. In dem Gebäude, das vor zehn Jahren in Betrieb genommen wurde, können die unterschiedlichsten Einsatzlagen nachgestellt werden.
Christian Servos, Dozent am IdF, übernimmt das Training der Feuerwehrleute aus der Heimat. Bevor es los geht, erläutert der Brandrat den multifunktionalen Gebäudekomplex. Ein- und Mehrfamilienhaus, Arztpraxis, Bistro, Kraftfahrzeugwerkstatt, Abfüllstation für Chemikalien und Hochregellager wurden als Kulissen nachgestellt. Selbst ein Krankenhaustrakt mit Bettenzimmern und Laboren verschiedener Sicherheitsstufen sind zu Übungszwecken vorhanden. Herzstück der Anlage ist die computergesteuerte Simulationstechnik. Per Knopfdruck können eine Reihe von Übungspuppen „zum Leben erweckt“ werden. Die machen sich dann an den Fenstern „bemerkbar“, während Licht-, Rauch- und Geräuscheffekte für ein authentisches Einsatzszenario sorgen. „Alles ist auf dem Server der Übungshalle hinterlegt und wird drahtlos per WLAN ausgelöst“, schildert Servos.
Die Übungshalle am IdF in Münster misst eine Grundfläche von 7.050 Quadratmetern
und ist teilweise 30 Meter hoch.
Unter dem Hallendach befindet sich ein multifunktionaler Gebäudekomplex. Alle
erdenklichen Notfälle können darin nachgestellt werden.
Das gesamte Know-how des Teams genutzt!
Dann drückt der IdF-Trainer einige Tasten auf dem Bildschirm seines Tabletcomputers und die zentrale Nebelversorgung füllt die Kraftfahrzeugwerkstatt mit Rauch. „Ein Techniker, der die Steuerung für die Hebebühne kontrolliert hat“, wird vermisst, so lautet die Einsatzlage, die er anschließend vorgibt. Durch ein großes Tor fahren die Einsatzfahrzeuge auf die „Hallenstraße“. Die Feuerwehrleute bauen einen Löschangriff auf und der Angriffstrupp rettet den „Techniker“, der durch eine Dummy-Puppe dargestellt wird, unter Atemschutz. Servos ist noch nicht zufrieden: „Das muss viel zügiger gehen. Der Mann muss so schnell wie möglich da raus!“ Die Hiddenhauser beherzigen die Hinweise des Ausbilders, sodass sie beim folgenden Einsatz einen „vermissten Mitarbeiter“ bereits nach drei Minuten in Sicherheit bringen können. Der nächste Notfall fordert das Improvisationstalent der Einsatzkräfte heraus: Ein „Lagerarbeiter“, wiederum handelt es sich um eine Attrappe, ist mit den Händen unter einem 1.000-Liter-Behälter eingeklemmt, der in zwei Metern Höhe auf einem Schwerlastregal lagert. Dustin Diekmann (20) und Lukas Beckmann (19) stützen den 80 Kilogramm schweren „Mann“ ab - aber lange können sie sein Gewicht nicht halten. Die übrige Mannschaft richtet währenddessen eine Geräteablage ein. Alle Werkzeuge aus den Einsatzfahrzeugen werden bereitgelegt. Gruppenführer Drees Beckmann und seine Leute bekommen dadurch einen besseren Überblick, wie sie dem „Arbeiter“ helfen können. Sie bauen schließlich eine Rettungsplattform auf, sodass Patrick Flachmeier (25) und Fabian Grün (24) das schwere Gefäß, das auf einer Palette lagert, mit zwei großen Kanthölzern anheben und den „Mann“ befreien können. Ausbilder Servos ist auch dieses Mal zufrieden. In der Freiwilligen Feuerwehr sind die unterschiedlichsten Berufsgruppen vereint. „Dieses Know-how muss sich das Feuerwehrteam bei einem solchen Notfall zunutze machen!“ Der 1.000-Liter-Behälter ist, wie sich erst jetzt herausstellt, nur mit destilliertem Wasser gefüllt. „Die Patentlösung wäre wahrscheinlich gewesen, die Flüssigkeit einfach herauslaufen zu lassen“, sagt Servos. Aber dann hätte man den „verletzten Lagerarbeiter“ besonders schützen müssen. „Die Lösung, die bei einem solchen Einsatz unter großem Druck von den Einsatzkräften gefunden wird, ist in diesem Moment immer die beste!“
Kurz darauf ist die Sirene der Brandmeldeanlage zur hören. Der Löschzug eilt zur „Hallenstraße Nr. 12“, wo sich die Abfüllstation für Chemikalien befindet. Gruppenführer Magnus Mattern stellt schnell fest: „Die Anlage hat nicht wegen eines Feuers ausgelöst!“ Vielmehr ist bei diesem „Notfall“ eine chemische Substanz ausgetreten, sodass sich die Wehrleute auf einmal im ABC-Einsatz befinden (steht für atomare, biologische und chemische Gefahren). Sie gehen nach der GAMS-Regel vor: Nachdem die Gefahr erkannt ist, folgen zunächst weitläufige Absperrmaßnahmen, dann die Menschrettung und schließlich die Nachforderung von Spezialkräften. „Das war in dieser Situation genau die richtige Entscheidung!“, meint Servos.
Jasmin Zeidler (im Vordergrund) reicht Fabian Grün ein Kantholz. Mit vereinten
Kräften können die Feuerwehrleute einen „Lagerarbeiter“ befreien, der mit den Händen
unter einem Behälter eingeklemmt ist.
(v.l.) Jan-Hendrik Pieper (stellv. Leiter des Löschzugs Schweicheln-Bermbeck), Torge
Brüning (Leiter des Löschzugs) u. Dozent Christian Servos (IdF Münster)
Die größte Gefahr zuerst abgewendet
Am Ende der Schulung lässt der Trainer nochmal „die Puppen tanzen“. Im zweiten Stock des Mehrfamilienhauses brennt ein Zimmer. Rauch und Flammenschein sind zu sehen. Ein „Mann“ steht am Fenster der Brandwohnung und ruft um Hilfe. Währenddessen droht an der Gebäuderückseite eine „Frau“ aus dem dritten Obergeschoss zu springen. Sie ist bereits über die Fensterbrüstung „geklettert“. Die Einsatzkräfte konzentrieren sich zunächst auf die Rettung des „Mannes“; denn für ihn ist in diesem Moment die Gefahr durch den giften Brandrauch und das Feuer am größten. Der Angriffstrupp rückt über das Treppenhaus vor, während ein Sicherheitstrupp für den Notfall bereitsteht und ein Feuerwehrmann die „Frau“ an der Gebäuderückseite beruhigt. Gruppenführer Drees Beckmann hat bereits Verstärkung angefordert, da für eine solch heikle Lage die Mannschaft eines Löschgruppenfahrzeugs und Gerätewagens nicht ausreicht. Christian Servos lobt das Feuerwehrteam aus Hiddenhausen: „Mehr konntet Ihr in diesem Moment nicht unternehmen!“
Im Verlaufe des Tages haben die Ehrenamtlichen insgesamt acht Übungseinsätze gemeistert und dabei viele wichtige Erkenntnisse gewonnen. Sie sind sich einig: „Bei nächster Gelegenheit geht es wieder zum Feuerwehrinstitut nach Münster“, sagt Löschzugchef Torge Brüning.
Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)
Im 2. Obergeschoss des Mehrfamilienhauses steht eine Wohnung „in Flammen“. Ein „Mann“ ruft um Hilfe.
An der Gebäuderückseite droht währenddessen eine „Frau“ aus dem 3. Stock zu springen.
Per Touchscreen-Bildschirm löst Servos die ...
... Spezialeffekte aus.
Jetzt muss es schnell gehen. Trotzdem hängt von der genauen Lageerkundung der gesamte Einsatzerfolg ab.
(v.l.) Patrick Flachmeier und Fabian Grün bereiten den Innenangriff vor.
Rettung geglückt: Der Angriffstrupp bringt einen „Verletzten“ zur Patientenablage.
16 Feuerwehrleute vom Löschzug Schweicheln-Bermbeck nahmen an einem realitätsnahen Einsatztraining in der Übungshalle des IdF in Münster-Handorf teil.