Analysezentrale für das fliegende Auge

"Spezial-MTF" an Drohnenteam Kirchlengern übergeben

20211015 184134Kirchlengern. Mannschaftstransporter der Feuerwehr sind eigentlich unspektakuläre Autos. Sie dienen in erster Linie zum Personentransport und haben keine aufwendige Technik an Bord. Für „Florian Kirchlengern 2 MTF 1“ gilt das allerdings nicht. Das Fahrzeug entpuppt sich bei näherer Betrachtung als „Analysezentrale“ für das neu gegründete Drohnenteam der Feuerwehr Kirchlengern. Mit der hochmodernen Technik sind sogar Schadstoffmessungen im Brandrauch möglich. Sie werden völlig gefahrlos per Hexacopter durchgeführt, zum Mannschaftstransporter gesendet und dort in kürzester Zeit mit einer Spezialsoftware ausgewertet. Am Freitagabend (15.10.2021) wurde der Ford-Transit samt Drohne offiziell an die Löschgruppe Kirchlengern übergeben. Ein solches System, das auch bei der Lagebeurteilung und Personensuche hilfreich sein kann, gibt es im Kreis Herford in dieser Form bisher noch nicht. Brandinspektor Pascal Peitzmeier und seine ausgebildeten Drohnen-Piloten sind deshalb auch auf überörtliche Einsätze vorbereitet.

Erst vor wenigen Tagen war mit dem symbolischen ersten Spatenstich der Startschuss für den Neubau des Gerätehauses Kirchlengern gefallen. Jetzt sei man zum nächsten freudigen Ereignis Auf dem Fienberge zusammengekommen, meinte Bürgermeister Rüdiger Meier. Eine Projektgruppe der Löschgruppe hatte das Fahrzeugkonzept gemeinsam mit den Mitarbeitern des Ordnungsamtes ausgearbeitet. Das Unternehmen Digitalfunk-OWL hatte schließlich die technische Umsetzung übernommen. Der Bürgermeister bedankte sich bei den Feuerwehrleuten, der Verwaltungsebene und Digitalfunk-OWL-Chef Ralf Lohrie. „Alle sind gemeinschaftlich am Erfolg des Projektes beteiligt.“ Rund 60.000 Euro hat die Gemeinde Kirchlengern für den neuen Mannschaftstransporter der Marke Ford Transit mit langem Radstand und 170-PS-Maschine investiert. Der 3,5-Tonner verfügt über neun Sitzplätze und kann auch als Zugfahrzeug für den Planen-Anhänger der Löschgruppe eingesetzt werden. Mit der eingebauten Computer- und Netzwerktechnik - einschließlich zwei großen Flachbildschirmen - können die Luftaufnahmen und Messwerte der Drohne empfangen und direkt verwertet werden. Für den Ausbau des Autos zur „Analysezentrale“ sind erhebliche Zusatzkosten entstanden. Über die genaue Höhe hielten sich alle Beteiligten am Freitagabend bedeckt. „Der Betrag wurde durch den Förderverein finanziert“, sagte Jens Broelhorst, einer der Initiatoren des Projektes.

DSC 0705Die Löschgruppe Kirchlengern verfügt ab sofort über einen Mannschaftstransporter mit „Zusatzausrüstung Drohne“: (v.l.) Stellv. Löschgruppenführer Karsten Nordsiecker, Löschgruppenführer Pascal Peitzmeier, Wehrführer Frank Rieke, Bürgermeister Rüdiger Meier und Ralf Lohrie, Geschäftsführer des Unternehmens Digitalfunk-OWL.

DSC 0693Die Fahrzeugtechnik ist auf den Hexacopter der Löschgruppe, es handelt sich um eine Spezialanfertigung des Unternehmens Copting aus Braunschweig, abgestimmt.

Testflug über dem Gerätehaus

Am Freitagabend präsentierte die Löschgruppe die neue Technik der Öffentlichkeit. Der Hexacopter stieg mit seinen sechs auf einer Ebene angeordneten Rotoren binnen Sekunden senkrecht nach oben. Pilot Uwe Eimertenbrink ließ das kleine Luftfahrzeug anschließend über dem Gerätehaus kreisen. Während Lorena Walkenbach und Kevin Wiedlitzki den Luftraum beobachteten, übernahm Dirk Bergmann die Auswertung des Bild- und Datenmaterials im Mannschaftstransporter. Das Unternehmen Copting aus Brauschweig hatte die Drohne der Löschgruppe Kirchlengern gebaut. Die maximale Flughöhe solcher Geräte ist durch die Drohnen-Verordnung auf 100 Meter über Grund begrenzt. Doch das Regelwerk gilt für den Feuerwehreinsatz nicht. „Wir fliegen allerdings nie außer Sichtweite“, erklärte Broelhorst. Das gelte genauso für die Reichweite, die der Hersteller mit zehn Kilometern angibt. Zusammen mit dem Akkupaket wiegt das Fluggerät rund zehn Kilogramm. Bis zu 15 Kilo Abfluggewicht sind möglich.
Zur Ausrüstung des Hexacopters zählt das Aufnahmegerät Wiris Pro des tschechischen Herstellers Workswell. Es besteht aus einer visuellen Digitalkamera mit zehnfach optischem Zoon und Vibrationskompensation sowie einer Wärmebildkamera, die einen Temperaturbereich von minus 25 bis plus 550 Grad verarbeitet. Doch damit nicht genug. Das „Fluglabor“ „Atmon Rat“ des polnischen Herstellers Nanosens macht den Hexacopter im Kreis Herford zurzeit noch einzigartig. Der orangefarbene Behälter – er ist kaum größer als eine Bonbondose – ist mit modernster Messtechnik gefüllt. Er wird einfach auf eine Schiene am Rumpf der Drohne geschoben. Elf Sensoren, die auf allgemeine Giftstoffe, explosive Gase und Kohlenmonoxid kalibriert sind, überwachen die Qualität der Umgebungsluft. Das „Fluglabor“ sendet alle Messungen an den Computer im Mannschaftstransporter, wo sie mit einer speziellen Software ausgelesen werden. Sie erkennt allein 50 ausgewählte Chemikalien, die über UN-Nummern (Stoffnummern) verfügen. Die Bildübertragung zwischen Drohne und Mannschaftstransporter erfolgt übrigens über ein gesichertes WLAN-Netz. Der Fahrzeugrouter ist dazu mit einem sogenannten Acces Point verbunden, der sein eigenes WLAN-Netz aufbaut, sodass eine stabile drahtlose Verbindung garantiert ist.

Ausbildung zum Drohnenpilot mit Onlinetest

Zehn Aktive zählen zum neu gegründeten Drohnenteam der Löschgruppe Kirchlengern. „Sie haben beim Unternehmen Copting eine Schulung absolviert, die an zwei Wochenenden in Braunschweig stattfand, und anschließend einen Onlinetest absolviert“, erläuterte Jens Broelhorst. Jetzt gibt es Auf dem Fienberge nicht nur Maschinisten und Löschtrupps, sondern auch Drohnenpiloten und Luftüberwacher. Stellvertretender Einheitsführer Karsten Nordsieck geht davon aus, dass die Löschgruppe künftig auch außerhalb der Gemeindegrenze zum Einsatz komme. So gehöre das Drohnenteam ab sofort zur Waldbrandeinheit auf Kreisebene und eine Zusammenarbeit mit dem ABC-Zug Herford sei ebenfalls vorgesehen.

Die beengten Platzverhältnisse im alten „Spritzenhaus“ gehören bald der Vergangenheit an. Direkt neben dem alten Domizil aus den 1950er Jahren entsteht für die 30 Aktiven der Löschgruppe ein moderner Funktionsbau mit vier Stellplätzen. Bereits Mitte kommenden Jahres soll das 1,2-Millionen-Projekt fertiggestellt sein. Am Standort Kirchlengern sind neben dem neuen Mannschaftstransporter, ein Löschgruppenfahrzeug 10 und ein Tanklöschfahrzeug 3000 stationiert, das in Kürze durch ein Tanklöschfahrzeug 4000 ersetzt wird.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

20211015 184513Der Ford-Transit verfügt über eine 170-PS-Maschine und eine Sondersignalanlage von Hänsch mit LED-Heckwarneinrichtung.

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Die Funktionswesten für das Drohnenteam liegen bereit.

DSC 0708Die Drohne wird für einen Testflug vorbereitet: (v.l.) Uwe Eimertenbrink, Jens Broelhorst u.
Kevin Wiedlitzki.

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DSC 0714Das „fliegende Auge“ besteht aus einer visuellen Digitalkamera und …

DSC 0717… einer Wärmebildkamera.

20211015 183729Lorena Walkenbach ist als Luftbeobachterin eingesetzt. Sie steht per 2-Meter-Funk in Verbindung zu Drohen-Pilot Uwe Eimertenbrink.

DSC 0720Der Hexacopter kreist über dem Gerätehaus und …

20211015 185512… liefert die Bilder direkt auf die Flachbildschirme im Mannschaftstransporter.

DSC 0715Dort übernimmt Dirk Bergmann die Auswertung.

DSC 0707Die Computer- u. Netzwerktechnik verbirgt sich in einem unscheinbaren Kasten im Heck des
Transporters.

20211015 185426Löschgruppenführer Pascal Peitzmeier behält die Bildschirme im Blick.

DSC 0719Die Drohne ist zusätzlich mit einem „Fluglabor“ ausgerüstet.

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DSC 0720Elf Sensoren überwachen die Qualität der Umgebungsluft.

DSC 0723Die Computer-Software im Transporter übernimmt die Auswertung der Messungen.

DSC 0670Die Bauarbeiten für das neue Gerätehaus der Löschgruppe Kirchlengern haben begonnen.

DSC 0675Es entsteht direkt neben dem alten Domizil.

DSC 0726Geplant ist ein moderner Funktionsbau mit vier Stellplätzen.

DSC 0701Schöne Geste: Stellv. Bürgermeisterin Edelgard Tödtmann spendete am Freitagabend einen
Teil ihrer Aufwandsentschädigung an die Feuerwehr.