Seminar „Photovoltaikanlagen“ des KFV Herford
Kreis Herford. Die Photovoltaik gilt als Motor der Energiewende. Knapp zwei Millionen Anlagen gibt es bereits in Deutschland. Kommt es in einem Gebäude mit PV-Technik zu einem Brand, dann müssen die Einsatzkräfte der Feuerwehr besonders vorsichtig vorgehen; denn das „Dachkraftwerk“ produziert permanent Strom, solange ausreichend Licht auf die Module fällt. Vor dem Hintergrund des Solarbooms hat der Kreisfeuerwehrverband Herford ein Online-Seminar veranstaltet. Stellvertretender Kreisbrandmeister Holger Klann informierte am Dienstag (1.02.2022) zum Aufbau der Anlagen, zu den möglichen Gefahren und der taktischen Vorgehensweise im Brandfall. Fast 90 Feuerwehrleute nahmen von zuhause aus an der Veranstaltung teil.
Um es vorwegzunehmen: Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) geltend als sicher. Bis Januar 2013 gab es lediglich 180 Brände, die durch die PV-Technik ausgelöst wurden. „Das sind bei 1,3 Millionen Anlagen (Stand 2013) gerade einmal 0,015 Prozent“, erklärte Holger Klann zu Beginn des Seminars. Die Feuerwehrleute finden bei ihren Einsätzen aber immer öfter PV-Anlagen vor. So war es auch bei einem Großbrand in Schwerinsdorf bei Leer im Jahr 2010, auf den Klann einging. Die Feuerwehr habe den Löschangriff abgebrochen, weil die Solaranlage weiter große Mengen Strom lieferte. Sie habe schließlich dabei zusehen müssen, wie das gesamte Haus zerstört wurde, berichtete die Presse damals. Klann relativierte die Angaben in den Medien. „Zum Zeitpunkt des Brandausbruchs war niemand zuhause. Erst als die Flammen aus den Fenstern schlugen, wurde die Feuerwehr alarmiert. Ein Innenangriff war zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich und deshalb das Haus nicht mehr zu retten. Ursächlich für den Totalschaden war also nicht die PV-Anlage!“
Eine PV-Anlage sorgt im Brandfall für zusätzliche Gefahren. (Foto: Feuerwehr Samtgemeinde Nenndorf)
Abbild.: KFV Herford
Fast 90 Feuerwehrleute nehmen an der Online-Schulung teil. (Foto: Jens Vogelsang)
Photovoltaik und Solarthermie
PV-Anlagen wandeln Sonnenenergie in elektrische Energie um. Die Solarmodule liefern dabei Gleichstrom (DC für Direct Current), der mit Hilfe eines Wechselrichters in haushaltsüblichen Wechselstrom (AC für Alternating Current) umgewandelt wird. Dieser kann entweder direkt genutzt oder ins öffentliche Versorgungsnetz eingespeist werden. Von der PV-Technik abzugrenzen sind die Solarthermieanlagen; sie nutzen die Sonnenenergie zur Wassererwärmung. Die dunkelblaue Glasoberfläche der Kollektoren ist leicht mit den Modulen einer PV-Anlage zu verwechseln. Bei genauem Hinsehen gebe es allerdings Unterschiede, erklärte Klann. So seien die Solarthermiekollektoren im Regelfall deutlich dicker. Im Inneren verläuft eine Leitung, in der sich eine frostsichere Flüssigkeit befindet. Meist reichen bereits zwei dieser Kollektoren aus, um das Brauchwasser eines Privathaushaltes zu erwärmen. Bis zu 25 PV-Module befinden sich hingegen auf den Dächern mancher Einfamilienhäuser. Von außen sind darauf, anders als bei den Solarthermieanlagen, silberne „Linien“ zu erkennen, die die einzelnen Zellen im Solarmodul verbinden. „Zu unterscheiden sind netzgekoppelte Photovoltaikanlagen, die ihre Energie zum Teil oder vollständig ins öffentliche Versorgungsnetz einspeisen, und Inselanlagen, die unabhängig von einem Stromnetz Verbraucher wie Parkscheinautomaten mit Energie versorgen“, erläuterte der Vize-Kreisbrandmeister.
Abbild.: KFV Herford
Mittlerweile gibt es in Deutschland knapp zwei Millionen PV-Anlagen. (Foto: Feuerwehr Hiddenhausen)
„Feuerwehr-Notausschalter“ ist nicht vorgeschrieben
Jedes einzelne Solarmodul erzeugt in der Regel eine Spannung von 40 Volt. Werden 25 Module in Reihe geschaltet, addiert sich die Betriebsspannung auf 1.000 Volt. Die Leitung vom Dach zum Wechselrichter, der sich oftmals im Keller befindet, steht damit unter Hochspannung. Bereits seit einigen Jahren ist ein DC-Trennschalter am Wechselrichter gesetzlich vorgeschrieben. Die Kabelverbindung zum Dach steht allerdings auch bei Abschaltung der Anlage weiterhin unter Strom. „Deshalb sollte ein DC-Feuerwehrschalter möglichst in der Nähe der Module installiert werden“, meinte Klann. Von verschiedenen Herstellern wurden bereits Systeme entwickelt, die im Brandfall die gesamte PV-Haustechnik abschalten, um eine Gefährdung der Einsatzkräfte so gering wie möglich zu halten. „Der Gesetzgeber fordert einen solchen Schalter aber nicht.“ Außerdem bemängelte Klann, dass es keine landesweit einheitlichen Warnschilder für PV-Anlagen gebe.
Ein „DC-Feuerwehrschalter“, mit dem die PV-Technik im Notfall abgestellt werden kann, ist nicht vorgeschrieben. (Foto: SolteQ Europe GmbH, Wikipedia)
Landesweit einheitliche Warnschilder gibt es ebenfalls (noch) nicht. (Abbild.: Sammlung KFV Herford)
Die Solarmodule selber lassen sich nicht abstellen. Sobald Licht auf die Oberfläche fällt, produzieren sie Strom. Das gilt auch bei bewölktem Himmel, Sonnenauf- oder -untergang. Bei Nachteinsätzen der Feuerwehr reicht der Lichteinfall durch einen starken LED-Scheinwerfer aus, um die PV-Zellen in Betrieb zu halten. Versuche der Berufsfeuerwehr München, PV-Anlagen durch einen Schaumteppich zu verdunkeln und damit spannungsfrei zu bekommen, schlugen fehl. Bereits nach weniger als fünf Minuten war die ursprüngliche Spannung wieder erreicht. Holger Klann: „Durch den Lotuseffekt der Module rutschte der Schaum einfach herunter!“ Die Berufsfeuerwehr Hamburg hatte sich ebenfalls mit dem Problem beschäftigt und dazu PV-Anlagen mit Hilfe von lichtundurchlässiger Folie abgedeckt. „Das erwies sich am Ende als völlig unpraktisch“, so Klann, „denn wer hat schon 150 Quadratmeter Teichfolie im Gerätehaus stehen!“
Lebensgefahr!
Geraten die Dachmodule einer PV-Anlage in Brand, so sind die Einsatzkräfte der Feuerwehr in mehrfacher Hinsicht gefährdet. Neben einer Reihe von Kunststoffen wie Polyethylen und Polyvinylacetat enthalten die Bauteile häufig auch Blei, das beim Löten eingesetzt wird. So ist bei einem solchen Einsatz immer mit gefährlichen Atemgiften zu rechnen. Das Tragen von Atemschutzgeräten ist daher für die Feuerwehrleute überlebenswichtig. Evtl. im Gebäude vorhandene Lüftungsanlagen müssen sofort abgeschaltet werden. Hinzu kommt die Gefahr durch den elektrischen Strom. „Die Solarmodule dürfen auf keinen Fall betreten oder gar beschädigt oder zerstört werden“, warnte Holger Klann. Das sei sinnlos und lebensgefährlich. Gleichstrom kann bei einem Kurzschluss einen lang andauernden Lichtbogen erzeugen. Diese elektrische Entladung ist extrem heiß und grell. Sie kann über Minuten bestehen bleiben und zu schwersten Verbrennungen führen. „Gleichspannungen über 120 Volt und Wechselspannungen über 50 Volt sind lebensgefährlich!“ Der stellvertretende Kreisbrandmeister erinnerte an die einzuhaltenden Mindestabstände von fünf Metern (Sprühstrahl) und zehn Metern (Vollstrahl), die bei Löscharbeiten an unter Spannung stehenden Kabeln und Bauteilen gelten.
Gleichstrom erzeugt bei einem Kurzschluss einen lang andauernden Lichtbogen. Es besteht Lebensgefahr. (Foto: Achim Grochowski, Wikipedia)
Abbild.: KFV Herford
Die PV-Module werden auf den Dächern zu teils großflächigen Anlagen zusammengesetzt. Zwischen der Dachhaut und den Modulplatten kann im Brandfall ein Luftzug entstehen. Dieser sogenannte Kamineffekt trägt zur Brandausbreitung bei. Auch ist durch das Versagen der Haltekonstruktion mit herabstürzenden Bauteilen zu rechnen. Deshalb dürfe sich niemand im Trümmerschatten aufhalten, so Klann.
Aktuell wird rund die Hälfte aller neuen PV-Anlagen mit einem zusätzlichen Speicher ausgeliefert. So kann überschüssiger Strom, den die Module am Tag produzieren, zwischengespeichert werden, um ihn abends selbst zu nutzen. Für Altanlagen, die vor dem 1. April 2012 ans Netz gegangen sind, wird hingegen auch der Direktverbrauch vergütet, sodass eine „Pufferung“ weder sinnvoll noch rentabel erscheint. Lithium-Ionen-Akkus sind für Hausspeicheranlagen Stand der Technik. Sie bergen weitere Gefahren. Sollte sich eine Lithium-Ionen-Zelle durch Wärme, Überladung oder mechanische Beschädigung zersetzen, entstehen Temperaturen von bis zu 800 Grad. Am Ende zerplatzt sie und bläst ihren Inhalt nach außen ab. Dabei ist mit einer Stichflamme und der Bildung von hochgefährlicher Flusssäure und Phosphorsäure zu rechnen. Um zu verhindern, dass der Zersetzungsprozess auf andere Zellen übergreift, sind langanhaltende Kühlmaßnahmen mit Wasser erforderlich. Holger Klann erinnerte daran, dass solche Akkus auch in anderen Bereichen massenhaft Verwendung finden. Er mahnte zu erhöhter Aufmerksamkeit: „Heftige Stöße führen im Inneren zu einer Kettenreaktion. Der Handy- oder E-Bike-Akku überhitzt und explodiert schließlich.“
Von Jens Vogelsang
Zersetzt sich der Lithium-Ionen-Akku einer PV-Hausspeicheranlage kann hochgefährliche Säure entstehen. (Abbild.: Sammlung KFV Herford)