„Wir haben sehr leistungsfähige und gut ausgestattete Feuerwehren!“

Kreisbrandmeister Bernd Kröger im Interview

kroegerKreis Herford. Im vergangenen Jahr waren die Feuerwehrleute im Kreis Herford erneut stark gefordert. Sie löschten Wohnungs- und Flächenbrände, leisteten Technische Hilfe und nahmen darüber hinaus an zahlreichen Fortbildungen teil. Die Folgen des Klimawandels sind mittlerweile immer deutlicher zu spüren. 2022 war das wärmste Jahr in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Eine Windhose fegte durch ein Wohngebiet in Herford, die Zahl der Vegetationsbrände stieg. Mancherorts wurde sogar das Wasser knapp. Redaktion: kfv-herford.de sprach mit Kreisbrandmeister Bernd Kröger über das Feuerwehrjahr 2022 und aktuelle Feuerwehrthemen.  

 

Redaktion:

„Bernd, das neue Jahr hat für einige Kameraden/Kameradinnen unschön begonnen. Sie wurden in Berlin, aber auch anderenorts, wie im benachbarten Steinhagen, mit Böllern und Raketen beschossen. Was sagst Du zu den Vorfällen? Lässt sich das Problem der „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ mit härteren Strafen und einer konsequenten Strafverfolgung lösen?“

Bernd Kröger:

„Die Vorfälle sind inakzeptabel und aufs Schärfste zu verurteilen. Sie zeigen aber leider die Einstellung einiger Bevölkerungsgruppen zum Staat. Ich halte eine konsequente Strafverfolgung grundsätzlich für notwendig, sehe aber insbesondere bei Tätergruppen das Problem, die Tat einem Gewalttäter auch nachzuweisen. Eventuell sind hier Bodycams (Körperkameras) oder in Fahrzeugen verbaute Kameras hilfreich. Ob eine härtere Bestrafung notwendig und angemessen ist, vermag ich nicht zu beurteilen.“


Redaktion:

„Lass uns noch einmal auf das zurückliegende Jahr blicken – ein Jahr mit vielen Katastrophen und einem schrecklichen Krieg mitten in Europa, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Was hat Dich besonders bewegt?“

Bernd Kröger:

„Das war natürlich der Krieg gegen die Ukraine. Fast 80 Jahre nach Ende des 2.Weltkriegs überfällt Russland sein Nachbarland. Dies war lange Zeit unvorstellbar und ist tatsächlich eingetreten. Der Bundeskanzler hat zu Recht von einer „Zeitenwende“ für unser Land, aber auch für Europa gesprochen. Das gilt nicht nur für die Sicherheitspolitik, sondern auch die  Energieversorgung und Industrieproduktion.

Der fortschreitende Klimawandel macht mir persönlich große Sorgen. Wir erleben in den letzten Jahren deutliche Klimaveränderungen, die nichts Gutes für die Zukunft verheißen. Die Feuerwehren in Deutschland stehen vor neuen großen Herausforderungen durch Wetterextreme, wie Starkregen oder Tornados und riesige Waldbrände.“

 

kroegerKreisbrandmeister Bernd Kröger stellte sich den Fragen von Redaktion: kfv-herford.de
(Foto: KFV Herford)

Redaktion:

„Gibt es für den Kreis Herford schon erste Einsatzzahlen für das vergangene Jahr und wie sieht es mit der Mitgliederentwicklung aus - hat die Corona-Pandemie Spuren hinterlassen?“

Bernd Kröger:

„Die Zahl der Alarmierungen durch die Leitstelle ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. 2019 waren es 2.646, 2020: 2.660, 2021: 2.548 und im vergangenen Jahr  schließlich  3.233 Feuerwehreinsätze. Insbesondere in den Jahren 2020 und 2021 hat die Corona-Pandemie zu einem Rückgang der Alarmierungen geführt.

Die Mitgliederentwicklung im Bereich der Kinder- und Jugendfeuerwehren ist erfreulich. Hier hatte ich persönlich große Bedenken, dass wir durch die Unterbrechung des Dienstbetriebs zahlreiche Kinder und Jugendliche verlieren. Durch eine große Zahl von Neuaufnahmen konnten wir den Bestand bei den Jugendfeuerwehren allerdings halten und bei den Kinderfeuerwehren durch Neugründungen sogar weiter ausbauen. Im Bereich der  Einsatzabteilungen ist dafür ein leichter Rückgang zu erwarten.“

Redaktion:

„In Brandenburg, Sachsen und im Harz hatten die Feuerwehren im letzten Jahr verheerende Waldbrände zu bekämpfen. Durch Paderborn fegte ein Tornado, der schlimme Zerstörungen anrichtete. Siehst Du die Feuerwehren im Kreis Herford in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels gut aufgestellt oder gibt es Verbesserungsbedarf?“

Bernd Kröger:

„Grundsätzlich haben wir im Kreis Herford sehr leistungsfähige und gut ausgestattete Feuerwehren. Die Bekämpfung von Waldbränden ist mittlerweile in den Fokus unserer Ausbildung und der Materialbeschaffung gerückt. Auch im Bereich der geländegängigen Fahrzeuge haben einige Kommunen bereits reagiert. Von der Beschaffung bis zur Auslieferung solcher Autos vergeht jedoch eine gewisse Zeit. Große Waldbrandlagen bedürfen vor allem einer guten Schulung. Wir haben in 2022 eine erste Großübung durchgeführt. Dieser Weg soll im laufenden Jahr mit gemeinsamen Übungen und Ausbildungen fortgeführt werden.  

Zwischenzeitlich haben wir im Bereich der Unwetterkonzepte das bisherige System der Örtlichen Einsatzleitungen überarbeitet. Ich bin mir sicher, dass dies gerade in der Frühphase solcher Einsätze zu einer Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Einsatzkräfte führt. Auch hier werden wir mit Leitstelle und Feuerwehren gemeinsame Übungen durchführen. Mit Blick auf künftige Starkregenereignisse ist ein weiterer Fokus auf die Watfähigkeit von Fahrzeugen und die Vorhaltung von einfachen Flachwasserschubbooten zu richten.“

Redaktion:

„Im Oktober 2022 fand eine große Waldbrandübung im Herforder Stuckenberg statt. Welche Erkenntnisse haben Du und die Wehrführer daraus gezogen? Steht dieses Jahr ebenfalls eine Übung auf Kreisebene an, oder gibt es bereits Planungen für eine Großübung auf Bezirksebene?“

Bernd Kröger:

„Die Entscheidung, Unterstützungseinheiten für die lokale Waldbrandbekämpfung aufzustellen, war richtig. Corona-bedingt gab es dann allerdings keine gemeinsame Ausbildung in diesem Bereich, sodass Nachholbedarf besteht, um das Zusammenspiel der verschiedenen Einheiten weiter zu verbessern. Das Führen solch großer Einheiten bzw. Verbände und vor allem die Lagefeststellung bei Waldbränden stellen die Einsatz- bzw. Abschnittsleitungen vor große Herausforderungen.

Die Übung im Stuckenberg war die erste größere Übung dieser Art seit einigen Jahren.  Ich war mit dem Ergebnis  durchaus zufrieden, aber ich sehe auch Potenzial, wo und wie wir uns da weiter entwickeln können. Deshalb werden wir 2023 auf eine gemeinsame Mot-Marschübung an die Nordsee verzichten und mehr in die gemeinsame Ausbildung der Waldbrandmodule investieren.“

 

Redaktion:

„Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat einen Neustart im Katastrophenschutz gefordert. Nach der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 sollen die Kompetenzen von Bund und Ländern in einem Zentrum in Bonn gebündelt werden. Reicht das aus, um für künftige Katastrophen besser gewappnet zu sein?“

Bernd Kröger:

„Nein, bestimmt nicht! Auch in NRW gibt es entsprechende Forderungen des VdF (Verband der Feuerwehren in NRW), insbesondere was die Reform des BHKG (Gesetz für den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz) angeht, eine Landeseinsatzleitung und ein Landeslagezentrum in Form eines operativen Einsatzstabes neben dem Krisenstab zu etablieren. Zunächst einmal  dürfen aber die Mittel für den Katastrophenschutz nicht gekürzt werden. Dies ist überhaupt nicht nachvollziehbar und kontraproduktiv. Im Gegenteil: Die Ausstattung des Katastrophenschutzes muss weiter ausgebaut und modernisiert werden. Ich denke da zum einen an die SW 2000 (Schlauchwagen 2000) des Bundes, die dringend ersetzt werden müssten, aber auch an die Neuanschaffung von GW-Logistik (Gerätewagen-Logistik) mit Beladungen für Unwetterlagen und von speziellen Tanklöschfahrzeugen für die Waldbrandbekämpfung.“

Redaktion:

„Stichwort Nachwuchsarbeit: Im letzten Jahr wurde in Vlotho mit den „Blaulicht-Kids“ die vierte Kinderfeuerwehr im Kreis Herford gegründet. Sollten in diesem Bereich verstärkte Bemühungen unternommen  und weitere Gruppen gegründet werden?“

Bernd Kröger:

„Ich halte die Gründung von Kinderfeuerwehren für eine sehr gute Sache. Es ist wichtig, die Kinder früh abzuholen und mit der Feuerwehr in Kontakt zu bringen. Die Sportvereine waren uns hier immer schon voraus. Wir werden im März eine weitere Kinderfeuerwehr in Enger bekommen. Der Kreisfeuerwehrverband unterstützt die Gründung der Kinderfeuerwehren finanziell und hat auch ein eigenes Forum für die Betreuerteams geschaffen. Die Fragen und Themen unterscheiden sich teilweise doch erheblich von denen der Jugendfeuerwehren.“

Redaktion:

„Mit erheblicher Verspätung sollen die Bauarbeiten an der Kreisfeuerwehrzentrale in Kürze beginnen. Kannst Du kurz erläutern, was genau geplant ist?“

Bernd Kröger:

„Nun, zunächst einmal wird der gesamte Baukörper mit den PKW-Garagen und der maroden Atemschutzübungsanlage abgerissen. Hier entsteht ein Neubau mit Fahrzeughallen im Erdgeschoss sowie Büros und Ruheräumen im Obergeschoss. Im Keller bekommen wir eine neue Atemschutzübungsanlage mit einer Übungswohnung, wo künftig die VR-Technik („Virtuelle-Realität“) zur Ausbildung einsetzt werden soll. Das übrige Kellergeschoss wird saniert - sowohl Schlauchpflege als auch Atemschutzwerkstatt bekommen dort neue Räumlichkeiten. Weiterhin sehen die Planungen vor, dass die Räume im Erdgeschoss der Feuerwehrzentrale  modernisiert werden. Im Februar/März werden die Arbeiten beginnen. Ich hoffe, dass die Bauarbeiten bis Ende 2024 abgeschlossen sind und wir die neuen Bereiche dann nutzen können.“

Redaktion:

„Die Einsatzfahrzeuge und die Ausrüstung an der Kreisfeuerwehrzentrale müssen immer auf dem neuesten Stand sein. Welche Ersatzbeschaffungen stehen als nächstes an?“

Bernd Kröger:

„Wir warten seit längerem auf die Auslieferung des neuen GW-Atemschutz (Gerätewagen-Atemschutz). Ich hoffe, dass wir das Fahrzeug Ende des Jahres übernehmen können. Mit einer konsequenten Schwarz–Weiß-Trennung setzt der GW-A neue Maßstäbe. Ebenso wird die Atemschutzlogistik an die Arbeitsabläufe in der Atemschutzwerkstatt angepasst. Weitere große Beschaffungen, insbesondere eines Abrollbehälter-Hygiene (AB-Hygiene), sind erst nach Abschluss der Baumaßname geplant.“

Redaktion:

„Das „Bündnis pro Rettungsdienst“ sorgte Ende letzten Jahres bundesweit für Aufsehen. Angesichts steigender Einsatzzahlen, Arbeitsüberlastung und Personalnot sei die Notfallrettung in Deutschland gefährdet. Wie sieht die Situation im Kreis Herford aus?“

Bernd Kröger:

„Auch im Kreis Herford gelangt der Rettungsdienst mittlerweile an einzelnen Tagen an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Der neue Rettungsdienstbedarf sieht grundsätzliche Verbesserungen und eine Erweiterung der Standorte, Anzahl der Fahrzeuge und Aufstockung des Personals vor. Das Problem ist aber, dass es  praktisch kein sofort verfügbares Personal „auf dem Markt“ gibt. Das bedeutet, der Mehrbedarf kann nur über entsprechende Ausbildungsplätze gedeckt werden. Die hat der Kreis Herford bereits geschaffen; aber die Ausbildung zum Notfallsanitäter dauert nun einmal drei Jahre, sodass wir kurzfristig nicht mit einer Entspannung der Personallage rechnen können.“

Redaktion:

„Während der VdF-Mitgliederversammlung, die Anfang September letzten Jahres in Bochum stattfand, richteten die Delegierten sehr kritische Fragen an DFV-Präsident Karl-Heinz Banse. Am Ende wurde ihm mehr Zeit eingeräumt, um die für notwendig erachteten Reformprozesse einzuleiten. In diesem Jahr soll nun die Entscheidung fallen. Was glaubst Du, bleibt der VdF NRW weiterhin Mitglied im DFV (Deutscher Feuerwehrverband) und welche Konsequenzen hätte der Austritt?“

Bernd Kröger:

„Ich glaube, dass der VdF am Ende Mitglied im DFV bleibt und halte das auch für richtig. Ein zweiter Verband würde den Einfluss der Feuerwehren in der Öffentlichkeit und auf die Politik insgesamt nur schwächen. Reformen sind wichtig, denn nur dann werden wir im Bereich der Freiwilligen Feuerwehren mit den gesellschaftlichen Entwicklungen der heutigen Zeit Schritt halten und uns weiterhin behaupten können. Am Ende geht es aber nur miteinander und nicht gegeneinander!“

Redaktion:

„Kannst Du zum Schluss noch einen kleinen Ausblick auf das laufende Jahr geben? Welche besonderen Veranstaltungen sind geplant?“


Bernd Kröger:

„Das will ich gerne machen: Das Kreiszeltlager der Jugendfeuerwehren vom 3 - 6. August  wird sicherlich ein besonderes Highlight des Jahres 2023 werden. Nach langer Pause scheint das Interesse groß zu sein, zumindest zeigen das die bisherigen Anmeldungen. Im Bereich der Energiemangellage wollen wir die Planungen weiter vorantreiben. Die  Waldbrandbekämpfung soll  mit einem Ausbildungstag im April und einer weiteren Übung im Juli  intensiviert werden.

 

Erwähnen möchte ich noch die DKMS-Aktion (Deutsche Knochenmark-Spenderdatei) aller Feuerwehren im Kreis und in ganz OWL. Alle 35 Sekunden erhält ein Mensch auf der Welt die Diagnose Blutkrebs, in Deutschland alle 15 Minuten. Die DKMS setzt sich dafür ein, jedem Betroffenen durch eine Stammzellspende eine zweite Lebenschance zu ermöglichen.  Im Kampf gegen die tückische Krankheit  werden die Feuerwehren in ganz OWL am 3. Juni 2023 ihre Gerätehäuser für eine Registrierungsaktion  öffnen. Einfach Mund auf, Stäbchen rein, Spender sein! „Leben retten liegt uns im Blut“ – das ist das Motto der Kooperation zwischen dem Deutschen Feuerwehrverband  und der DKMS!“

Redaktion:

„Bernd, vielen Dank für das Gespräch!“

                                                                                                                                                    -Vo-