Die Seenotretter von der DGzRS.
Bremen. Die Feuerwehr ist für die Gefahrenabwehr an Land zuständig. Kommt es auf der Nord- oder Ostsee zu einem Unglück, dann rücken die Seenotretter von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) aus. 55 DGzRS-Stationen mit 60 Rettungsschiffen gibt es entlang der Küste. Die Flotte zählt zu den modernsten und leistungsfähigsten der Welt. Bei rauer See, aber auch im Sommer, wenn viele Urlauber auf dem Wasser unterwegs sind, steigen die Einsatzzahlen. Wird per „Mayday“, dem internationalen Notsignal im Funkverkehr, um Hilfe gerufen, lautet die Antwort der Seenotretter bei jedem Wetter immer gleich: „Wir kommen …!“
Erst am 18. August 2023 rettete die Besatzung der „Theodor Storm“ – der 20-Meter-Seenotrettungskreuzer mit Arbeitsboot ist in Büsum stationiert - zwei Fischer aus der Nordsee. Ihr Kutter war am frühen Morgen in Brand geraten. Den Männern gelang es gerade noch rechtzeitig, die Rettungsinsel auszulösen und den Kutter zu verlassen. Sie zündeten eine Handfackel, sodass sie in der Dunkelheit schnell gefunden wurden. Mehr als 86.300 Menschen hat die DGzRS im Verlaufe ihrer fast 160-jährigen Geschichte aus höchster Not in Sicherheit gebracht (Stand 2022). Das entspricht der Einwohnerzahl der Stadt Gießen in Hessen.
Der Seenotrettungskreuzer „Berlin“ (Laboe) und ein Hubschrauber der Bundeswehr im gemeinsamen Übungseinsatz. (Foto: Pajx, Wikipedia)
Bremen Rescue Radio
Die gemeinnützige Hilfsorganisation ist für den maritimen Such- und Rettungsdienst (Search and Rescue abgekürzt SAR) auf den deutschen Gebieten der Nord- und Ostsee zuständig. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihr diese hoheitliche Aufgabe übertragen. Dazu unterhält die DGzRS an ihrem Hauptsitz in Bremen die deutsche Rettungsleitstelle See – das Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC). Bremen Rescue Radio (Rufname: „Bremen Rescue“) überwacht zudem die International einheitlichen Notfunkkanäle und wickelt den kompletten Not- und Dringlichkeitsfunk auf See ab. Die Seenotretter arbeiten dabei eng mit den Leitstellen der „Landrettungsdienste“, wie der Feuerwehr, zusammen.
55 Seenotrettungsstationen mit etwa 180 fest angestellten und rund 800 freiwilligen Rettern unterhält die DGzRS an Nord- und Ostsee. Das Einsatzgebiet reicht die 3.660 Kilometer lange Küstenlinie entlang - von der Emsmündung im Westen bis zur Pommerschen Bucht im Osten. Der Seenotrettungsdienst setzt, so wie der Dienst in der Feuerwehr, lebenslanges Lernen voraus. In Neustadt/Holstein und in Bremen gibt es eigene Schulungseinrichtungen. Die DGzRS ist noch aus einem anderen Grund eine bemerkenswerte Hilfsorganisation: Sie finanziert ihren Kernauftrag, die Suche und Rettung von Menschen, ausschließlich durch Spenden und freiwillige Beiträge.
Hoheitliche Aufgabe: Das Maritime Rescue Coordination Centre der DGzRS in Bremen koordiniert den Such- u. Rettungsdienst auf Nord- u. Ostsee. (Foto: Archiv DGzRS)
9.250 PS stark
Die „Hermann Marwede“ ist der größte DGzRS-Seenotrettungskreuzer. Das Flaggschiff der Gesellschaft hat seinen Liegeplatz im Hafen der Hochseeinsel Helgoland. Von hier aus übernimmt die siebenköpfige Besatzung die Einsätze in der stark befahrenen Deutschen Bucht.
Vor Ort wird die Heckwanne geöffnet und Tochterboot „Verena“ - ein Festrumpfschlauchboot mit geschlossenem Deckshaus - zu Wasser gelassen. So können die Retter besonders flexibel reagieren. Der 46 Meter lange Rettungskreuzer verfügt über eine Gesamtmaschinenleistung von 9.250 PS. Die kraftvollen MTU-Aggregate sorgen auch bei extrem schwerer See für eine Höchstgeschwindigkeit von 25 Knoten (entspricht etwa 46 Stundenkilometern). Weiterhin ist die „Hermann Marwede“ mit einer extrem leistungsstarken Feuerlöschanlage ausgerüstet. Die Förderleistung beträgt bis zu 42.000 Liter Seewasser pro Minute, wobei die Zumischung von Schaummittel ebenfalls möglich ist. Die Ausrüstung des Bordhospitals ähnelt der eines Rettungswagens. Im 72 Quadratmeter großen Mehrzweckraum können viele Schiffbrüchige gleichzeitig aufgenommen werden. Über der Heckwanne mit dem Tochterboot befindet sich das Hubschrauberarbeitsdeck. Das erleichtert Windenmanöver mit den großen Rettungshubschraubern der Marine. Gerade erst blickten Vormann Thilo Heinze und seine Mannschaft auf den 20. Jahrestag der Schiffstaufe zurück: Die „Hermann Marwede“ wurde auf der Fassmer-Werft in Berne an der Unterweser gebaut und am 27. Juni 2003 in Dienst gestellt. Mit der Namensgebung erinnert die DGzRS an den langjährigen Gesellschafter der Brauerei Beck („Beck’s Biere“), dessen Familie mit einer großzügigen Spende den Schiffsbau (Kosten rd. 15 Mio. Euro) ermöglichte.
Der Seenotrettungskreuzer „Hermann Marwede“ (Helgoland) ist mit einer Länge von 46 Metern das Flaggschiff der DGzRS. (Foto: Maritimus, Wikipedia)
Bordhospital, Hubschrauberarbeitsdeck und leistungsstarke Feuerlöschanlage zählen zur Ausrüstung. (Foto: Wolfgang Meinhart, Wikipedia)
Gefährlicher Job
Die Sicherheit der Seenotretter hat oberste Priorität. So wurde für die Rettungsschiffe ein vollkommen geschlossener Decksaufbau entwickelt. Dieser wirkt als große Luftkammer und verleiht ihnen die besondere Eigenschaft als „Selbstaufrichter“. Die Kreuzer sind dadurch quasi unsinkbar. Zudem besitzt die „Hermann Marwede“ zwei voneinander getrennte, wasserdichte Maschinenräume. Doch die Arbeit der Seenotretter bleibt in Anbetracht der Naturgewalt des Meeres gefährlich. Zwei tragische Unfälle werden bei der DGzRS nie in Vergessenheit geraten: Der Seenotrettungskreuzer „Adolph Bermpohl“ verunglückte 1967 in schwerer See vor Helgoland. Die vierköpfige Besatzung und drei zuvor gerettete niederländische Fischer kamen dabei ums Leben. In der Orkannacht vom 1. auf den 2. Januar 1995 wurde der Seenotrettungskreuzer „Alfried Krupp“ auf der Rückfahrt von einem Einsatz von einer hohen Welle seitlich erfasst. Zwei der vier Rettungsmänner blieben auf See.
Korkwesten und Raketenapparate
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger blickt auf eine lange Geschichte zurück. Sie wurde am 29. Mai 1865 in Kiel gegründet. Zuvor hatten der Navigationslehrer Adolph Bermpohl und der Rechtsanwalt Carl Kuhlmay zur Gründung eines Seenotrettungswerks auf privater Basis aufgerufen. Zur DGzRS-Ausrüstung der ersten Stunde zählten offene Ruderboote. Ölzeug schützte vor der Nässe, eine dicke um den Oberkörper geschnallte Korkweste vor dem Ertrinken. Die Seenotretter setzten anno dazumal auch „Rettungsgeschütze“ ein: Mit Raketen des königlich-preußischen Feuerwerkslaboratoriums Spandau wurden Leinen vom Strand aus zu den havarierten Schiffen hinüber geschossen. Im Jahr 1957 lief mit der „Theodor Heuss“ der erste neuzeitliche Seenotrettungskreuzer mit Tochterboot vom Stapel.
Am 30. Juli 2023 fand der „25. Tag der Seenotretter statt“. An vielen DGzRS-Stationen entlang der Nord- und Ostseeküste informierte die Organisation über ihre Arbeit. Vorführungen und Übungen standen auf dem Programm. (Redaktion: kfv-herford.de)
-Vo-
Historische Aufnahme vor der „Station“ Borkum-Süd: Pferde ziehen das Ruderboot vom Schuppen durch den Dünensand an den Strand. Von dort rudert die Besatzung unter großer körperlicher Anstrengung durch die gefährliche Brandung auf das Meer hinaus. (Foto: Archiv DGzRS)