Plastikpferd in Sicherheit gebracht!

Seminar „Spezialtechnik Großtierrettung“ an der Kreisfeuerwehrzentrale

DSC 0582Kreis Herford/Hiddenhausen. Ein Pferd ist in die Werre gerutscht und droht zu ertrinken. Die Feuerwehr kommt gerade noch rechtzeitig und kann das Tier retten. Immer wieder müssen die Einsatzkräfte Pferde, Rinder, aber auch Lamas, Esel, Bisons und andere große Tiere aus solchen und ähnlichen Notlagen befreien. Damit die Feuerwehren im Wittekindsland noch besser vorbereitet sind, organisierte der Kreisfeuerwehrverband ein Seminar Großtierrettung, das am Samstag (27.06.2020) stattfand. Lutz Hauch aus Aldenhoven (Kreis Jülich), erfahrener Großtierretter mit Zertifikat und ehemaliger Berufsfeuerwehrmann, schulte die 21 Ehrenamtlichen an der Feuerwehrzentrale in Hiddenhausen-Eilshausen. Er hatte „Hengst Sam“ im Pferdeanhänger mitgebracht, der geduldig alle Übungen über sich ergehen ließ.

 

Gräben, Böschungen, Bachläufe oder Schlammlöcher in unwegsamem Gelände können den Vierbeinern zum Verhängnis werden. Hinzu kommen Unfälle beim Tiertransport im Straßenverkehr. Einem verletzten Pferd, das rund 500 Kilogramm wiegt, in einer solchen Situation zu helfen, bedeutet für die Feuerwehr fast immer eine große Herausforderung. Hauch, der den Teilnehmern zunächst das nötige theoretische Grundwissen im Umgang mit den Tieren vermittelte, verglich die Situation mit einem Gefahrguteinsatz. „Die Einsatzkräfte wissen nicht, was sie erwartet!“ Immer wieder komme es zu Rettungsaktionen, die wenig vorbildlich abliefen.  Die Helfer mühten sich stundenlang ab, zwar hoch motoviert, aber ungeschult und unzureichend ausgerüstet. „Sie setzen sich während dieser Zeit großen Gefahren aus und muten den Tieren großen Stress und unnötige Schmerzen zu.“ In einem der Videoclips, die der Fachmann während des Seminars am Samstag vorführte, war zu sehen, wie die Helfer am Pferdeschweif zerrten, um das Tier freizubekommen. Ein anderer Filmausschnitt zeigte einen Landwirt, der seine Kuh skrupellos mit dem Traktor aus dem Schlamm zog. „Das sind absolute No-Gos“, stellte Hauch klar, „und hat mit einer tierschutzgerechten Rettung nichts zu tun.“ Er wies daraufhin, dass am Einsatzort anwesende Personen, wie etwa Pferdebesitzer, Reiter und Passanten ein zusätzliches Risiko darstellen. Einer amerikanischen Studie zufolge würden 83 Prozent der Tierhalter ihre Gesundheit oder gar ihr Leben riskieren, um ihren Vierbeinern zu helfen. Die gute Absicht kann schlimme Folgen haben. „Ein Pferd in Not wird, sobald es die Freiheit spürt, vehement ums Überleben kämpfen“, schilderte der Großtierretter. Deshalb sei es wichtig, rechtzeitig einen Rückzugsweg für die Retter und einen sicheren Ort für die Freilassung zu bestimmen. Bei jeder Großtierrettung müsse außerdem ein Tierarzt verständigt werden.  

 

DSC 066721 Feuerwehrleute aus allen Teilen des Kreisgebietes nehmen an dem Seminar „Spezialtechnik Großtierrettung“ teil. 

 

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(v.l.) Robin Finkemeyer (Rödinghausen), Dirk Rethmeier (Vlotho), Benjamin Grefe (Bünde) u. Lea Tellbüscher (Rödinghausen)
bewegen „Hengst Sam“  mit breiten Gurtbändern. Sie wenden mit dem Seitwärtsassistenten eine spezielle Technik an.

 

Praxistraining mit „Hengst Sam“

Im zweiten Teil des Seminars trainierten die Feuerwehrleute die fachgerechte Rettung eines Pferdes, ohne den Eigenschutz aus dem Blick zu verlieren. „Hengst Sam“, ein lebensgroßes Kunststoffpferd mit beweglichen Gelenken, leistete dabei treue Dienste. Hauch demonstrierte eine Reihe von Techniken, um den „verletzt am Boden liegenden Schimmel“ in alle Richtungen zu bewegen. Die Ehrenamtlichen verwendeten eine gebogene Fädelstange aus biegsamem Federstahl, mit der sie breite Spanngurtbänder unter dem „Tierkörper“ hindurch zogen. Hirtenstäbe dienten als Armverlängerungen, um dem „Hengst“ nicht zu nahe zu kommen. „Die rudernden Pferdebeine können schwere Verletzungen verursachen“, warnte Hauch. Ein Seminarteilnehmer übernahm deshalb bei jeder Übung die Aufgabe des Sicherheitsassistenten, und passte auf, dass niemand der Kameraden versehentlich in die sogenannte Kickzone geriet. Ein anderer kümmerte sich als Gerätemanager um die Bereitstellung der Werkzeuge. Die Feuerwehrleute aus allen Teilen des Kreisgebietes arbeiteten als Team zusammen. Thomas Graf (Hiddenhausen), Carsten Albsmeier (Bünde), Marco Ruschhaupt (Hiddenhausen), Christin Lamsfuß-Mende (Rödinghausen), Heiko Kamm (Enger),  Björn Hamann (Herford) und Matthias Niekamp (Enger) zogen den 200 Kilogramm schweren „Zossen“ schließlich auf einer Schleifplatte zum Pferdeanhänger. Währenddessen übernahmen Björn Schäffer (Löhne) und Sarah-Jane Rainey (Hiddenhausen) mit Notfallhalfter und Bergetuch die Kopfsicherung. Andere Feuerwehrleute legten dem „Tier“ später ein Hebegeschirr an, um es am Kranhaken aufzurichten und sicherten es mit einem speziellen Gurtsystem für den Transport.

Etwa 35 Lehrgänge und Fachseminare, die einen Großteil des Einsatzspektrums abdecken, finden an der Kreisfeuerwehrzentrale Jahr für Jahr statt. Durch die Corona-Krise seien einige Veranstaltungen ausgefallen, sagte stellvertretender Kreisbrandmeister Holger Klann. „Wir haben erst Anfang des Monats den Lehrgangsbetrieb unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregelungen wieder aufgenommen.“ 

                                                                                                                        Von Jens Vogelsang

                                                                                                                        (Text u. Fotos)

 

DSC 0577Für den Praxisteil hat Lutz Hauch einen lebensgroßen Pferdedummy mit nach Hiddenhausen gebracht.

 

DSC 0578An der Geräteablage liegen zahlreiche Werkzeuge und Materialien, wie Fädelstange, Hirtenstäbe, Hebegeschirr und Spanngurte, bereit.

 

DSC 0662Schlammlanze und Schlammnadel, mit denen das Erdreich weggespült werden kann, und …


DSC 0661… ein Polizeischutzschild zur Eigensicherung gehören ebenfalls zur Ausrüstung des Großtierretters.


 

DSC 0580 Hauch zeigt zunächst, wie Notfallhalfter und Schweifsicherung angelegt werden.

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(v.l.) Dirk Rethmeier (Vlotho), Trainer Lutz Hauch u. Robin Finkemeyer (Rödinghausen)

DSC 0605Hirtenstäbe dienen den Einsatzkräften als Armverlängerungen, damit sie nicht in die „rudernden Beinbewegungen des Pferdes“ geraten.

DSC 0613(v.l.) Magnus Jäger (Bünde), Matthias Knoppik (Bünde), Marcel Lübbert (Bünde) u. Christin Lamsfuß-Mende (Rödinghausen) zeigen den sogenannten Drehassistenten.

DSC 0621Zusammenbau der Schleifplatte, …

DSC 0619… auf der das Tier später gelagert wird.

DSC 0622(v.l.) Björn Schäffer (Löhne) und Sarah-Jane Rainey (Hiddenhausen) legen Notfallhalfter und Bergetuch zur Kopfsicherung an.


DSC 0642Unfallsimulation: Das „verletzte Pferd“ wird mit dem sogenannten Rückwärtsassistenten aus dem Anhänger gerettet.