"Aus meiner Sicht überwiegt der Nutzen einer Impfung!"

Dr. Steffen Grautoff informiert online zur Covid-19-Krankheit und Corona-Schutzimpfung

Infoveranstaltung Impfung aKreis Herford. Sechs Wochen Lockdown haben in Deutschland dazu geführt, dass die Corona-Pandemie an Wucht verloren hat. Doch das Virus verändert sich ständig. Corona-Mutationen, die noch schneller übertragbar sind, sorgen für neue Schreckensmeldungen. Dr. Steffen Grautoff, der neue ärztliche Leiter des Rettungsdienstes, informierte die Feuerwehrführungskräfte aus dem Kreis Herford über die neuesten Erkenntnisse zur Covid-19-Krankheit und die bevorstehende Impfkampagne. „Man muss Nutzen und Risiko einer Impfung abwägen. Aber aus meiner Sicht überwiegt definitiv der Nutzen“, sagte der erfahrene Notfallmediziner während des Online-Seminars des Kreisfeuerwehrverbandes am Donnerstagabend (28.01.2021) mit 60 Teilnehmern.

Grautoff erinnerte zu Beginn seines Vortrags an die Pocken-Krankheit, die aufgrund ihrer großen Infektions- und Sterberate, zu den gefährlichsten der Menschheit zählte. Dieser schrecklichen Krankheit sei letztendlich der Garaus gemacht worden, indem die Weltgesundheitsbehörde (WHO) 1967 die Impfpflicht eingeführt habe, sagte Grautoff. Man müsse der Generation von damals dankbar sein, dass diese Erkrankung nun ausgerottet sei. „Ich empfinde den Kampf gegen Corona ebenfalls als Generationsaufgabe, der wir uns stellen müssen!“

Infoveranstaltung Impfung aBeim ersten Online-Seminar des Kreisfeuerwehrverbandes stand die Corona-Schutzimpfung auf dem Programm. (Grafik: KFV Herford)

P1070191 bFührungskräfte aus allen Feuerwehreinheiten im Kreisgebiet nahmen daran teil.

P1070207 cDr. Steffen Grautoff ist seit November vergangenen Jahres neuer ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Herford. Er berichtete über die aktuellen medizinischen Erkenntnisse zur Covid-19-Krankheit und klärte über die Impfkampagne auf.

Krankheit mit vielen Facetten

Fieber, Schnupfen, trockener, anhaltender Husten, Atemnot, Müdigkeit sowie die Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns gehören zu den häufigen Symptomen einer Covid-19-Erkrankung. Eher selten treten Hals-, Kopf- und Bauchschmerzen sowie Übelkeit und Erbrechen auf. In den Kliniken gebe es weiterhin Covid-Fälle, die mit Blutgerinnungsstörungen zutun hätten, wie Lungenembolien, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Gefäßverschlüsse, erläuterte Grautoff. Die Krankheit trete facettenreich und nicht wie eine klassische Grippe auf. „Deshalb ist sie so tückisch!“ 18 bis 45 Prozent der Betroffenen machen die Infektion asymptomatisch durch, also ohne erkennbare Beschwerden. „Man kann sagen, je jünger der Patient, desto (eher) asymptomatisch verläuft sie.“ Doch das Phänomen scheint trügerisch zu sein. „Viele Infizierte bekommen gar nicht mit, dass sie eine sehr schlechte Sauerstoffsättigung haben!“ Die Mediziner sprechen von der Happy oder Silent Hypoxia, also stillen Sauerstoffarmut. Die Langzeitfolgen einer Covid-19-Infektion sind im Übrigen nicht zu unterschätzen. „40 Prozent der Menschen, die im Krankhaus behandelt wurden, brauchen eine längerfristige Unterstützung“, erklärte der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes.
Zu Beginn der Pandemie war die Sterberate auf vier Prozent gestiegen. Nachdem man die ersten Erfahrungen mit der Covid-19-Erkrankung gesammelt hatte, ging der Wert auf unter zwei Prozent zurück. „Momentan seigt die Kurve der Todesfälle leider wieder an!“, so Grautoff. Besonders beunruhigend sind die neuesten Erkenntnisse aus Manaus (Brasilien). Dreivierteil der Bevölkerung, die bereits im Rahmen der ersten Welle erkrankt seien, wiesen die Symptome einer erneuten Erkrankung auf. „Eine Zweitinfektion scheint möglich, zumindest wenn man sich mit einer neuen Variante ansteckt.“

Hohe Wirkung, vertretbares Risiko

Alle Hoffnungen, die Lage in den Griff zu bekommen, ruhen auf den Corona-Impfungen. Bislang sind die mRNA-Impfstoffe (messenger-RNA) von Pfizer-Biontech (USA/Deutschland) und Moderna (USA) in der EU zugelassen. Ganz aktuell hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den Vektor-Impfstoff „Oxford-Astra-Zeneca“ zur Zulassung empfohlen. Er soll in Deutschland auf Rat der Ständigen Impfkommission (STIKO) zunächst nur an Personen bis 64 Jahren abgegeben werden, da die Wirksamkeit bei älteren Menschen bisher nicht sicher nachgewiesen ist.
Messenger-RNA-Impfstoffe (oder deutsch Boten-RNS-Impfstoffe) sind eine neue Technologie. Statt wie bei klassischen Ansätzen das Antigen (den Erreger oder Fragmente von ihm) zu verimpfen, auf das das Immunsystem reagieren soll, wird bei mRNA-Impfstoffen die „Bauanleitung“ dafür verabreicht. Ein solches Verfahren habe es bisher noch nicht gegeben, sagte Steffen Grautoff. Die Grundlagenforschung dazu sei aber schon viele Jahre alt. Erste Studien hätten gezeigt, dass die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe besonders hoch sei.

Impfstoff Arne Mueseler Flickr dAlle Hoffnungen ruhen auf den Impfstoffen, um die mittlerweile ein Verteilungskampf entbrannt ist. (Foto: Arne Müseler, Flickr)

Bild1Der Nutzen einer Corona-Schutzimpfung überwiegt. (Grafik: S. Grautoff, Kreis Herford)

Der Mediziner ging anschließend auf mögliche Risiken einer Corona-Impfung ein und verwies dazu auf eine Zulassungsstudie, die mehr als 21.000 Probanden eingeschlossen hatte. „Am Ende waren vier der aufgetretenen schweren (lebensbedrohlichen) unerwünschten Ereignisse impfstoffbezogen. „Das ist eine Prozentzahl von kleiner 0,01!“ Beschrieben worden seien in Einzelfällen anaphylaktische Schocks, also schwere allergische Reaktionen. Sie seien allerdings ausschließlich bei Personen aufgetreten, die schon vorher darunter gelitten hätten. „Ich halte die möglichen Langzeitkomplikationen einer Impfung gegenüber den Langzeitschäden einer durchgemachten Covid-Erkrankung für vernachlässigbar.“ Bereits am zehnten Tag nach der ersten Impfung habe man einen relativ guten Impfschutz. Auch das sei ein Ergebnis der Zulassungsstudie. „Das sind ganz erfreuliche Daten!“, meinte Grautoff, der anschließend die Fragen der Feuerwehrleute beantwortete.

Erstmals wurde ein Seminar des Kreisfeuerwehrverbandes auf den heimischen PC übertragen. Weitere Online-Veranstaltungen sollen folgen. „Ich glaube nicht, dass wir kurzfristig in den Regelausbildungsbetrieb zurückkehren werden“, erklärte Kreisbrandmeister Bernd Kröger.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

 

Fragen aus dem „Auditorium“ an den Experten

Frage:
„Sollten Feuerwehrleute, die bereits Corona hatten, ebenfalls geimpft werden?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Personen, die eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben, werden einen gewissen Schutz haben. Studien haben allerdings gezeigt, dass die Höhe der Antikörper geringer ist als nach einer Impfung. Ich halte es deshalb nicht für gesundheitsschädlich, sich in diesem Fall impfen zu lassen.“

Frage:
„Verändert die Impfung die DNA (das Erbgut)?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Das ist nicht möglich. Die mRNA ist keine DNA und aus einer mRNA kann auch keine DNA werden. Man muss also keine Angst haben, dass die eigene DNA verändert werden könnte.“

Frage:
„Können Kinder geimpft werden?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Kinder können momentan noch nicht geimpft werden. Sie sind (generell) nicht in die ersten Zulassungsstudien eingeschlossen. Es gibt deshalb noch keine verlässlichen Daten.“

Frage:
„Dürfen Schwangere oder Frauen während der Stillzeit geimpft werden?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Für sie sind die Mittel ebenfalls nicht zugelassen. Auch das liegt einzig und allein daran, dass sie (bisher) nicht in die Studien eingeschlossen wurden. D.h., die Hersteller können keine Daten liefern, wonach ihre Mittel für diese Personengruppe sicher sind. Das Familienumfeld sollte sich impfen lassen und wird deshalb in der Priorisierung etwas höher gestuft als die Normalbevölkerung.“

P1070199 fSteffen Grautoff beantwortete ausführlich alle Fragen der Feuerwehrleute.

Frage:
„An wen kann man sich bei Vorerkrankungen, wie Immun-, Asthma- und Allergiekrankheiten, wenden?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt. Hat jemand eine ganz spezielle Frage, kann er mir auch gerne eine E-Mail schreiben!“

Frage:
„Dürfen bzw. sollten Allergiker geimpft werden?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Es gibt eine klare Empfehlung, dass Allergiker geimpft werden dürfen und sollten (wenn sie es denn möchten). Wichtig ist allerdings, sich vorher die Konservierungsstoffe genau anzuschauen, die in dem Präparat enthalten sind.“

Frage:
„Wirkt der Impfstoff auch gegen die Virusmutationen (veränderte Virusvarianten)?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Gegen die britische Mutation wirkt der Impfstoff wohl sehr gut. Ob er auch bei der brasilianischen Variante wirksam ist, kann man noch nicht sagen. Das Virus hat sich schon tausendfach verändert. Nur einige Veränderung an wichtigen Stellen haben leider zu einer besseren Übertragbarkeit geführt. Es kann sein, dass das Virus schneller ist als die Impfung und der Impfstoff nochmal angepasst werden muss.“

Frage:
„Welcher zeitliche Abstand ist zwischen der ersten und zweiten Impfung einzuhalten?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Es sollten mindestens drei Wochen und können bis zu sechs Wochen sein. Momentan ist es so, dass nach drei Wochen tatsächlich auch der zweite Impfstoff kommt. Die zweite Dosis wird direkt nach der ersten Impfung zentral im Kühlschrank in Düsseldorf zurückbehalten.“

Frage:
„Wird bei erster und zweiter Impfung der gleiche Impfstoff verwendet?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Denkbar ist, unterschiedliche Impfstoffe zu verwenden. In der Praxis wird das allerdings nicht gemacht, weil es dafür keine Zulassungsstudien gibt.“

P1070200 gAnfang Februar soll das Impfzentrum seine Arbeit aufnehmen. Die Feuerwehrleute gehören zur „Kategorie 3“ mit „erhöhter Priorität“. Wann sie an der Reihe sind, kann im Moment noch niemand sagen. Es wird vermutlich eine Extraplattform im Internet für die Terminvergabe eingerichtet.

Frage:
„Besteht die Gefahr, dass durch die Nebenwirkungen der Impfung Feuerwehreinheiten ausfallen?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Interessanter Weise ist die zweite Impfung weniger verträglich als die erste. Betroffen davon sind auch junge, immunkompetente Leute und zwar besonders am Folgetag der (zweiten) Impfung. Feuerwehreinheiten sollten deshalb zumindest für die zweite Impfung gesplittet werden.“

Frage:
„Sind alle Symptome, die innerhalb von 48 Stunden auftreten, auf die Impfung zurückzuführen?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Das kann man nicht mit Sicherheit sagen, weil zwischendurch natürlich immer Ansteckungen mit anderen Krankheiten und natürlich auch mit Corona möglich sind. Die üblichen Symptome einer Impfung, wie Grippegefühl, leichtes Fieber und Injektionsschmerz (Muskelschmerz an der Einstichstelle), wird es auch bei der Corona-Impfung geben.“

Frage:
„Kann ich nach der zweiten Impfung auf den Mund-Nasen-Schutz verzichten?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Das wird nicht so sein. Die Impfung verhindert zu einem hohen Prozentsatz einen schweren Verlauf von Covid-19. Man kann das Virus aber möglicherweise weiterhin bekommen und auch weitergeben. Aktuell gibt es dazu noch keine Studien.“

Frage:
„Gibt es (vorrangigen) Impfschutz auch für die Angehörigen von Feuerwehrleuten?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Leider nein, weil der Impfstoff so knapp ist!“

Frage:
„Gibt es Einschränkungen im Feuerwehrdienst für nicht geimpfte Feuerwehrleute bzw. Lockerungen für geimpfte?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Ich kann nur davon abraten, das so zu machen. Es sollte niemand in eine Ecke gestellt werden. Ich glaube allerdings, dass es in der Privatwirtschaft durch die Hintertür Privilegien für Geimpfte geben wird.“

Frage:
„Welche Absicherung gibt es bei Impfschäden und wer kommt dafür auf?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Das ist sehr kompliziert. In der Verantwortung sind die Bundesrepublik, weil sie die Impf-Empfehlung herausgegeben hat, aber auch die Hersteller und der Impfarzt.“

Frage:
„Wann beginnt die Impfkampagne im Impfzentrum?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Wir hoffen, dass es Anfang Februar losgeht! Wenn es in den Krankenhäusern allerdings nicht weitergeht, wird sich das auch auf das Impfzentrum auswirken.“

Frage:
„Wie ist die Terminvergabe für die Feuerwehrleute geplant?“
Antwort Steffen Grautoff:
„Es wird dafür voraussichtlich eine Extraplattform im Internet eingerichtet, die weniger Probleme bereitet als die 116117.de (der Kassenärztlichen Bundesvereinigung). Weitere Details sind noch nicht bekannt.“

Kreisbrandmeister Bernd Kröger:
„Vielen Dank Steffen!“