VdF-Mitgliederversammlung in Bochum
Bochum. Soll der Verband der Feuerwehren in NRW (VdF NRW) im Deutschen Feuerwehrverband (DFV) verbleiben oder nicht? Diese Frage ist nach der VdF-Mitgliederversammlung, die am Samstag (3.09.2022) in Bochum stattfand, weiterhin ungeklärt. DFV-Präsident Karl-Heinz Banse hatte sich zwar den kritischen Fragen der mehr als 100 Delegierten aus allen Teilen Nordrhein-Westfalens gestellt. Ein unbedingter Wille zu Reformen war aus seinen Antworten allerdings kaum zu erkennen. Nicht alle Landesverbände hätten großartiges Interesse an Veränderungen, erklärte Banse. „Und als Präsident des DFV habe ich das durchzusetzen, was die Mehrheit möchte!“ Der Jahresbericht des VdF-Vorsitzenden Dr. Jan Heinisch und die Rede von NRW-Innenminister Herbert Reul standen außerdem auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung im Audimax der Hochschule für Gesundheit.
Rückblick: Im Dezember 2019 hatte der damalige DFV-Präsident Hartmut Ziebs (Schwelm) entnervt seinen Rücktritt erklärt, nachdem über Wochen hinweg eine Schlammschlacht gegen ihn geführt worden war. Der VdF NRW hatte als Konsequenz einen Neuanfang der Verbandsarbeit auf Bundesebene und grundlegende Reformen gefordert. Der DFV installierte daraufhin den Arbeitskreis „Zukunft“. Doch konkrete Ergebnisse ständen auch nach mehr als zwei Jahren aus, gaben die Führungskräfte in Bochum zu bedenken. Ebenso fehle dem Verband ein neues, modernes Leitbild.
Hausaufgaben noch nicht erledigt
Banse sprach in seiner Antwort von Hausaufgaben, die noch zu erledigen seien. Die „demokratischen Prozesse“ zwischen dem DFV und den Landesfeuerwehrverbänden seien langwierig. Außerdem hätten wegen der Pandemie keine Gespräche in Präsenz stattfinden können. Als neue Zielvorgabe nannte er den DFV-Delegiertentag, der am 13. und 14. Oktober 2023 in Coburg (Bayern) stattfindet. „Da müssen und werden Ergebnisse vorliegen!“ Der Verband der Feuerwehren in NRW finde im DFV kaum noch Beachtung, wurde aus den Reihen der Feuerwehrführungskräfte zudem geäußert. Auch diese Kritik ließ Banse nicht stehen: „Nordrhein-Westfalen ist in der DFV-Facharbeit sehr stark vertreten. Ich weiß um das Knowhow, das es hier gibt und freue mich über jeden, der im Verband mitarbeitet.“ Am hohen Altersdurchschnitt des Präsidiums müsse im Übrigen gearbeitet werden. „Ich würde mich auch über eine Frau als Präsidiumsmitglied freuen“, sagte Banse. Personelle Veränderungen in der Berliner Geschäftsstelle plant der 60-Jährige offenbar nicht. Er habe noch zwei Jahre und werde gemeinsam mit seinem Geschäftsführer in den Ruhestand gehen. Am Ende zeigte sich der DFV-Chef versöhnlich: „Es wird ein Treffen mit Hartmut Ziebs geben. Entweder besuche ich ihn – oder er kommt nach Berlin.“ Von der Versammlung gab es für diesen Schritt Applaus.
Im Jahr 2020 waren zudem Sexismus-Vorwürfe gegen den DFV laut geworden. Die ehemalige Geschäftsführerin, Dr. Müjgan Percin, verklagte den Verband wegen Diskriminierung und sexueller Belästigung. Der Prozess endete mit einem Vergleich. Die für ihr Verhalten in der DFV-Krise von vielen NRW-Führungskräften kritisierten DFV-Vizepräsidenten sind derweil weiterhin im Amt. Sie waren während des letzten DFV-Delegiertentags mit Stimmenmehrheit wiedergewählt worden.
Die Entscheidung über Verbleib oder Austritt des VdF NRW aus dem DFV wurde am Samstag erneut vertagt. „Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Jahr einen Entschluss treffen“, so Jan Heinisch.
(v.l.) VdF-Geschäftsführer Christoph Schöneborn, VdF-Vorsitzender Dr. Jan Heinisch und DFV-Präsident Karl-Heinz Banse bei der VdF-Mitgliederversammlung in Bochum.
NRW-Innenminister Herbert Reul: „Wir dürfen beim Katastrophenschutz nicht auf der Bremse stehen.“
Mehr als 103 Delegierte und zahlreiche Gäste, darunter Mitglieder des Landtags, sind im Audimax der Hochschule für Gesundheit zusammengekommen.
Herbert Reul (NRW-Innenminister): „Wir müssen liefern!“
Die verheerende Flut im Juli letzten Jahres hat den Katastrophenschutz ins Blickfeld gerückt. Vieles muss sich noch ändern; denn der Umbau hat gerade erst begonnen. Der VdF NRW hat hierzu umfangreiche Vorschläge für eine Weiterentwicklung erarbeitet. Es müsse mehr für den Katastrophenschutz getan werden, so NRW-Innenminister Herbert Reul in seiner Rede. Im Haushalt des Bundes werde allerdings genau in diesem Bereich gestrichen. „Das fasse ich nicht!“ Reul bekräftigte, dass die Novellierung des Katastrophenschutzes in NRW zu den Schwerpunkten der Koalitionsarbeit zählt. „Wir müssen liefern und dürfen nicht auf der Bremse stehen.“ Der Innenminister ging auch kurz auf das Thema Waldbrandbekämpfung und die Ausrüstung der NRW-Polizeifliegerstaffel mit Löschwasseraußenbehältern – sogenannten Bambi-Buckets – ein. „Mit diesen Wassersäcken hat Sie die Polizei schon ganz ordentlich unterstützt!“ Zuvor hatte der Bochumer Stadtdirektor Sebastian Kopietz ein Grußwort an die Versammlung gerichtet.
90.000er-Schwelle geknackt, Digitaler Dienstausweis und Spenden für die Flutopfer
Jan Heinisch erläuterte in seinem Jahresbericht die Schwerpunkte der Verbandsarbeit im letzten Jahr. „Mir ist um den Fortbestand der Feuerwehren in NRW nicht bange; denn wir haben eine starke Jugendarbeit. Ein massiver Einbruch der Mitgliederzahlen habe sich zum Glück nicht bewahrheitet. Heinisch sprach von einem kontinuierlichen Wachstum im Bereich der aktiven Einsatzkräfte in den letzten zehn Jahren. „Ende 2021 wurde erstmals die 90.000er-Schwelle geknackt“ Feuerwehr sei weiterhin so attraktiv, dass viele neue Mitglieder hinzugewonnen werden konnten.
Jan Heinisch berichtet über die Verbandsarbeit im Jahr 2021.
Der Verband ist auf dem Weg in das digitale Zeitalter und möchte möglichst viele Feuerwehren dabei mitnehmen. Modern, funktional, digital und kostenfrei: Mittlerweile ist die neue Smartphone-App „einseinszwei“ des VdF (Kosten: 60.000 Euro) einsatzbereit. Sie ist unter anderem mit Chat- und Übungsfunktionen ausgestattet und bietet eine Übersicht über aktuelle Veranstaltungen. Vor allem kann die App als digitaler Dienstausweis eingesetzt werden, soweit der jeweilige Wehrführer die Funktion vom Verband freischalten lässt. Anwesenheitslisten in Papierform gehören damit der Vergangenheit an, da der Datenaustausch in alle gängigen Feuerwehr-Verwaltungsprogramme nun über die Handy-App abläuft. „Über 100 Feuerwehren haben bereits angekündigt, auf das neue System umzusteigen“, so Heinisch. „Es dürfen auch gerne 200 der 400 werden!“ Außerdem bekomme jeder Feuerwehr-Standort, der Bedarf anmelde, einen „virtuellen Schulungsraum“, um Online-Dienste durchführen zu können. Entsprechende Lizenzen seien gekauft worden. „Das ist ein Förderprojekt des Landes NRW.“ Weiterhin widmete sich der Verband den Themen Psychosoziale Unterstützung und Psychosoziale Notfallversorgung. Im letzten Jahr habe man nach langer Diskussion mit dem Institut der Feuerwehr erstmals eine eigene Ausbildungsveranstaltung für PSU-Assistenten in der VdF-Geschäftsstelle durchgeführt, sagte Heinisch. Während der Corona-Pandemie wurde zudem eine Seminarreihe an den Start gebracht, die insgesamt 18 Online-Veranstaltungen umfasste. „Bis zu 1.300 Zuschauer pro Seminar haben teilgenommen“, so Heinisch. Auch die Wachabteilung einer Berufsfeuerwehr an der Ostseeküste sei mit dabei gewesen.
Im Rahmen der Flutkatastrophe leistete der Verband schnelle finanzielle Hilfe. Es seien Spenden von über eine Million Euro eingesammelt worden, so Heinisch. „Diese Gelder, und das war mir wichtig, sind zügig an Betroffene ausgezahlt worden.“ Der Solidaritätsfonds der Feuerwehren in NRW e.V. unterstützte daneben Feuerwehrleute, die ihr Hab und Gut verloren hatten, mit über 800.000 Euro. Kassenprüfer Stefan Nostiz (Kreis Höxter) bestätigte: „Das Geld ist da angekommen, wo es gebraucht wurde!“
112 Rescue und Fire App
Im kommenden Jahr findet erstmals die „112 Rescue – For a safer Tomorrow“ in Dortmund statt. Nordrhein-Westfalen bekommt damit eine Fachmesse, die sich in erster Linie an die Einsatzkräfte der Feuerwehr und übrigen Hilfsorganisationen wendet. Vom 14. bis 17. Juni 2023 wird das Gelände an der Westfalenhalle zum „Treffpunkt der Blaulichtszene“. Die 112 Rescue wird künftig einmal im Jahr stattfinden und einen besonderen Fokus auf den „Schutz in Ballungsräumen“ legen. Sabine Loos, Messechefin und Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen Unternehmensgruppe, informierte die Delegierten in Bochum über den Stand der Planungen. „Wir sind der Meinung, es ist endlich Zeit für eine eigene Feuerwehrmesse in NRW!“ Der Verband der Feuerwehren steht der 112 Rescue als zentraler ideeller Partner zur Seite. Alle großen Hilfsorganisationen, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag, Städtetag NRW und die Brandweer Nederland haben ebenfalls ihre Unterstützung zugesagt.
Zum Abschluss der Mitgliederversammlung erläuterte Thomas Lindemann, Abteilungsleiter Operativer Dienst bei der Berufsfeuerwehr Bochum, die Fire App – eine Software für das Feuerwehr Einsatz-Tablet. Sie wurde von der Berliner Feuerwehr entwickelt und ist mit dem Einsatzleitrechner verbunden. Die App bietet dadurch in Echtzeit einen schnellen Überblick über Alarmierungsverlauf und Fahrzeugstandorte. Karten mit 3D-Ansichten, Hydranten- und Feuerwehrpläne sind ebenfalls abrufbar. „Die App besticht durch ihre einfache und intuitive Bedienung“, so Lindemann. „Sie führt gerade in der Erstphase („Chaosphase“) zu einer deutlichen Qualitätssteigerung, ist aber keine eierlegende Wollmilchsau!“
Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)
(v.l.) VdF-Geschäftsführer Christoph Schöneborn, Minister Herbert Reul u. VdF-Vorsitzender Dr. Jan Heinisch
Der DFV-Präsident stellt sich kritischen Fragen.
Waren in der Vergangenheit nicht immer einer Meinung: (v.l.) Karl-Heinz Banse u.
VdF-Vize Bernd Schneider.
Die Delegierten aus den Kreisen Minden-Lübbecke, Herford und Höxter.
Cornelia de la Chevallerie, Abteilungsleiterin für Gefahrenabwehr, geht in den Ruhestand und wird am Samstag im Kreis der Feuerwehrleute verabschiedet.
Auszeichnung für Dirk Engstenberg (Rhein-Sieg-Kreis). Er erhält das Deutsche Feuerwehr-Ehrenkreuz in Silber.
Der ehemalige Kreisbrandmeister wechselte zwischenzeitlich ins NRW-Innenministerium.
Sabine Loos, Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen Unternehmensgruppe, im Gespräch mit Jörg Müssig, dem Justiziar des VdF.
(v.l.) DFV-Präsident Karl-Heinz Banse und Landesstabführer Thorsten Zywietz
Die Abordnung aus OWL.
Stellv. Kreisbrandmeister Holger Klann u. Ronja Kreft. Die ehemalige stellv. Leiterin des Löschzugs Spenge-Mitte vertritt in Bochum den Landesbeauftragten des THW.
Der VdF NRW ist ideeller Partner der Fachmesse „112 Rescue – For a safer Tomorrow“, die im Juni 2023 erstmals stattfindet.
Die Fire App wurde von der Berliner Feuerwehr entwickelt. Sie hat sich inzwischen auch bei der Feuerwehr Bochum bewährt.
Durch die Anbindung an den Einsatzleitrechner bietet die App einen schnellen Überblick über Alarmierungsverlauf und Fahrzeugstandorte.
Gerätewagen-Atemschutz der Wache 1 (Bochum)
Hilfeleistungslöschfahrzeug 10 der Löscheinheit Bochum-Günnigfeld
Gerätewagen-Küche der Sondereinheit „Verpflegung“ der Feuerwehr Bochum
Abordnung aus dem Kreis Herford: (v.l.) Stellv. Kreisbrandmeister Holger Klann, Landesjugendfeuerwehrwart a.D. Gustav Henning (Hiddenhausen) u. Pressesprecher Jens Vogelsang.