Verpuffung durch Brandbeschleuniger: "Stevia.Bar" brennt ab!

Großeinsatz in der Herforder Innenstadt

20240707 122713Herford. In einem Wohn- und Geschäftshaus in der Herforder Radewig ist es am Sonntagvormittag (7.07.2024) zu einer heftigen Verpuffung gekommen. Das Hinterhaus Steinstraße 9, hier befand sich zuletzt das Lokal „Stevia.Bar“, stand anschließend lichterloh in Flammen. Feuerwehr, DRK und THW rückten mit einem Großaufgebot an. Zeitweise waren rund 160 Einsatzkräfte vor Ort. Die Explosion war offenbar durch Brandbeschleuniger vorsätzlich herbeigeführt worden. Die Polizei setzte deshalb einen Hubschrauber ein, um aus der Luft nach möglichen Tätern Ausschau zu halten. „Wie durch ein Wunder wurde durch das Unglück niemand verletzt“, so Einsatzleiter Karsten Buschmann. Der Sachschaden ist allerdings immens.


Gegen 11 Uhr endet für viele Bewohner des Stadtteils Radewig der gemütliche Sonntagvormittag. Die Verpuffung an der Steinstraße, sie führt vom Bahnhof aus zum Gänsemarkt, ist in der gesamten Umgebung zu spüren. Offenbar hat sich die Druckwelle über die Kanalisation ausgebreitet. Zwei zentnerschwere Gullideckel reißen aus ihren Verankerungen. Die „Stevia.Bar“ steht binnen Minuten im Vollbrand. Zahlreiche Notrufe erreichen die Kreisleitstelle in Hiddenhausen-Eilshausen. Der Disponent löst um 11.03 Uhr zunächst Großalarm „Feuer Stufe 3“ aus. Bereits um 11.11 erfolgt die Erhöhung auf „Feuer Stufe 4“.

20240707 124046In der Herforder Innenstadt steht die „Stevia.Bar“ in Flammen.

20240707 124120Es entsteht hoher Sachschaden.

Markise schleudert durch die Luft

Als die ersten Kräfte der Hauptamtlichen Wache und des Löschzugs Herford-Mitte vor Ort eintreffen, schlagen die Flammen aus den Fenstern des Lokals im Hinterhaus. Der Brand hat bereits auf den Dachstuhl übergegriffen. Überall liegen Trümmerteile, darunter eine Markise, die durch die Wucht der Explosion, von der Fassade abgerissen und weggeschleudert ist. Wehrführer Karsten Buschmann übernimmt die Einsatzleitung. Im fällt sofort auf: „Es riecht nach Benzin!“ Deshalb wird das Wohn- und Geschäftshaus sofort komplett geräumt. An einen Innenangriff ist nicht mehr zu denken. Die Kräfte nehmen stattdessen als erste Maßnahme ein B-Rohr vom Parkplatz Steinstraße aus vor. „Damit bilden wir eine Riegelstellung, um das Vorderhaus zu schützen“, erklärt Abschnittsleiter Sven Büttner. Zwei weitere Trupps gehen ebenfalls auf dem Parkplatz in Stellung und übernehmen die Brandbekämpfung von außen mit C-Hohlstrahlrohren. Eine Angriffsleitung wird über das Treppenhaus des Vorderhauses verlegt. So gelingt es, zusätzlich Löschmaßnahmen von einem Vordach aus durchzuführen. Dabei werden sogenannte Fognails in die Dachhaut geschlagen, um das Löschwasser in das Gebäudeinnere zu sprühen.

Nachbarhaus wird schwer in Mitleidenschaft gezogen

Ein zweiter Einsatzabschnitt befindet sich an der Brudtlachtstraße, die hinter dem Brandhaus verläuft. Hier übernehmen Feuerwehrleute des Löschzugs Mitte und der Löschgruppe Diebrock die Löscharbeiten. Denn durch die immense Strahlungswärme und die enge Innenstadtbebauung haben sich die Flammen auf das Erdgeschoss des Hinterhauses Steinstraße 11 ausgebreitet. Mit zwei Hohlstrahlrohren bekommen die Wehrleute die Lage schnell unter Kontrolle. Eine angrenzende Halle wird mit einem dritten Rohr geschützt und bleibt unversehrt. Die Wasserversorgung bereitet keine Probleme. So steht das Hilfeleistungslöschfahrzeug der Löschgruppe Elverdissen mitten auf dem Gänsemarkt, wo ein Unterflurhydrant angezapft wird. Rauchschwaden wabern durch die Innenstadt. Per Handy-Warn-Apps Kat-Warn und Nina wird die Bevölkerung gebeten, Türen und Fenster zu schließen. Kreisbrandmeister Bernd Kröger ist ebenfalls nach Herford geeilt. Die Koordination des Einsatzgeschehens erfolgt vom Einsatzleitwagen 2 aus, den die Löschgruppe Löhne-Ort vor dem Technischen Rathaus an der Straße Auf der Freiheit betreibt.

20240707 140035Mit dem Tunnellüfter aus Bad Oeynhausen werden letzte explosive Dämpfe aus der Kanalisation gedrückt.

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Tunnellüfter aus Bad Oeynhausen

Einsatzkräfte vom Löschzug Enger-Mitte und der Löschgruppe Löhne-Ort rücken an, um die Löscharbeiten mit zusätzlichen Atemschutzgeräteträgern zu unterstützen. Das DRK Herford-Stadt übernimmt im Einsatzabschnitt 3 die Betreuung der betroffenen Bewohner. Der Baufachberatertrupp vom THW-Ortsverband Herford bestätigt währenddessen: „Das Hinterhaus Steinstraße 9 ist einsturzgefährdet.“ Sorge bereitet insbesondere die Giebelwand. Sie zeigt deutliche Risse und neigt sich nach außen. Nachdem am Nachmittag die letzten Glutnester abgelöscht sind, rückt die Räumgruppe des THW-Ortsverbandes Bünde mit Radbagger „Hektor“ und Kipper „Wotan“ an, um den Giebel behutsam abzutragen. Mitarbeiter eines Tiefbauunternehmens öffnen später die Brudtlachtstraße, sodass der Gasanschluss abgeriegelt werden kann. Noch immer ist die Explosionsgefahr nicht gänzlich gebannt. Messungen ergeben, dass sich weiterhin explosive Dämpfe in der Kanalisation befinden. Deshalb wird die Löschgruppe Bad Oeynhausen-Werste (Kreis Minden-Lübbecke) um Hilfe gebeten. Sie verfügt über einen Gerätewagen-Logistik 2 mit Großlüfter (Rosenbauer Fanergy XL 63), der eigentlich für Brände im Hahnenkamp Autobahntunnel vorgehalten wird. Damit gelingt es im Einsatzabschnitt 5, letzte Benzindämpfe aus dem Kanalnetz zu drücken.

Die Polizei hat die Einsatzstelle unterdessen weiträumig abgeriegelt. Unter anderem bleibt die vierspurige Hauptverkehrsstraße Auf der Freiheit bis in den Abend hinein voll gesperrt. Hier befindet sich unter anderem der Sammelpunkt für die Atemschutzgeräteträger (Einsatzabschnitt 4). Bereits unmittelbar nach Abschluss der Löscharbeiten beginnen Brandermittler der Kriminalpolizei aus Bielefeld die genauen Umstände des Unglücks aufzuklären. Dr. Peter Böhm, Beigeordneter der Stadt Herford, und weitere Mitarbeiter des Ordnungsamtes bemühen sich derweil, für die evakuierten Bewohner Ausweichquartiere zu finden.

Von Jens Vogelsang
(Text u. Fotos)

20240707 124030Löschmaßnahmen im Einsatzabschnitt 1.

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20240707 123227Blick in die Brudtlachtstraße.

20240707 123331Ein Nachbargebäude wird schwer beschädigt.

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20240707 123600Der Baufachberatertrupp des THW begutachtet die Bausubstanz.

20240707 123857Mitten auf dem Gänsemarkt steht ein Löschfahrzeug, um die Wasserversorgung sicherzustellen.

20240707 125208Das DRK übernimmt auf der Steintorbrücke die Betreuung und Versorgung.

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20240707 125335Sammelpunkt für die Atemschutzgeräteträger Auf der Freiheit.

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20240707 130248Kreisbrandmeister Bernd Kröger (r) und Abschnittsleiter Thomas Arning (Löhne).

20240707 130612Einsatzkräfte der Feuerwehr und Mitarbeiter der Abwasserwerke führen Messungen in der Kanalisation durch.

20240707 130729(v.l.) Der Organisatorische Leiter Rettungsdienst und Leitende Notarzt stehen für alle Fälle bereit.

20240707 134413Das Einsatzgeschehen wird vom Einsatzleitwagen 2 aus koordiniert.

20240707 134508Beigeordneter Dr. Peter Böhm informiert sich am Einsatzleitwagen 1.

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20240707 144828Ein Radbagger des THW steht bereit, um die Giebelwand behutsam abzutragen.

20240707 122713Über der Einsatzstelle kreist ein Polizeihubschrauber.

20240707 144802Glück gehabt: Dieser historische Kleinlaster vom Typ DKW stand auf dem Parkplatz Steinstraße und blieb unbeschädigt.